Samstag, 13. Juli 2013

SOMMERFRISCHE: "Du, ich lebe immer am Strand..."

12. Juli 2013, Arendsee


Leider stimmt das nicht. Auch nicht, dass zwischen meinen Zehen und Fingern die Schwimmhäute schon wachsen, wie sie sollten. Denn: Mein Element ist das Wasser, salzig oder süß, eintauchen, schaudern, schwimmen, sich freischwimmen, schaumgeboren entsteige ich den Wellen, tapsig, die Füße tragen kaum, flossengleich über den Sand. 

Sommerfrische 2013 - keine Besichtigungen alter Kirchen und golden umrahmter Gemälde diesmal, sondern: lesen, dösen, schwimmen. Im Süden, wo ich nicht bin und hingehöre, den ich aber auch liebe, ist der Sommer heiß. Hier ist er frisch. Die Sonne brennt nicht vom Himmel, sondern wärmt die Gänsehaut und macht sie weich. Wohin ich gehöre, rollen die Hügel grün gegen einen von Wolken durchpflügten blaugrauen Horizont. 

Die MS Baltica hatte gestern einen Motorschaden und der Kapitän beschallte uns, gerade noch sicher wieder an Land gebracht, ein wenig länger als vorgesehen mit Freddy Quinns Sehnsucht. Hans Albers singt "La Paloma, ade" und "Nimm mich mit Kapitän auf die Reise..." Passend. Wir wollten hinaus aufs Meer, aber zurück ging es nicht mehr. Wer weiß, ob die MS Baltica noch einmal wieder kommt, ob für jenes Teil, das platzte, ohne uns zu versenken, noch einmal ein Ersatz gefunden werden kann. Immerhin sind die beiden Motoren der Baltica schon 40 Jahre alt und mehr. Der Kapitän nahm´s äußerlich gelassen und munterte das Publikum auf. Aber ich hörte ihn "Schiet" fluchen, als er an uns vorbei in den Maschinenraum eilte. 

Nachzutragen: der Landgang in Warnemünde. Schönes Städtchen. Legendäre Broiler-Stube im Hotel Neptun. Phantastisch renovierte 70er Jahre (Innen-)Architektur, wundervolle Hotelbar. Zwei Eis-Dielen in der Altstadt getestet, keine konnte mit der in Neuruppin mithalten. In der Abendsonne, nach der Rettung aus Beinahe-Seenot noch einmal hinausgeschwommen in die Ostsee, still wie eine Badewanne gestern Abend. Sonnenuntergang am Strand. Nein, ich lebe nicht immer Strand. Leider. (Für das Gefühl aber, es könnte doch einmal so geworden sein, nehme ich ein wenig Kitsch und Nostalgie in Kauf...Du, soviel Nachsicht und Zuversicht mit mir selbst kann ich mir nicht immer leisten. Aber jetzt.)


Sommerfrische


Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,

Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.

Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.
Weil`s wohltut, weil`s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

Und lass deine Melodien lenken

Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.

Joachim Ringelnatz

(1883-1934)


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