Auszug aus dem Handbuch der Trolljäger-Gesellschaft
„Das
Wort „Troll“ lässt sich altnordisch herleiten aus troda und althochdeutsch aus
tretan, ein Treter. Trolle gebärden
sich als Truggeister. Nicht selten
nehmen sie die Gestalt von Tieren an: bissige Wölfe, brummige Bären, hitzige Eber,
tumbe Ochsen, geile Hunde, keckernde Wellensittiche. Sie wären so gerne Adler,
Schwäne, Löwen, Schlangen oder Drachen. Doch indem sie sich dem Als-ob
verschreiben, vermögen sie sich nicht wahrhaftig zu wandeln. Denn das Als-ob
ist der Antipode der Metamorphose. Während daher die Lieblingskinder des Chaos,
die Minotauren, die Bestigors und andere phantastische Hybride durchaus Entzücken
erzeugen können, trifft der Troll, trotz seines unablässigen Gestaltwechsels,
immer nur auf Ablehnung, Abscheu und Verachtung. Die Verwandlung erfordert nämlich,
was ihm am meisten fehlt: Güte, Vertrauen, Achtung. Der Troll, selbst der Troll
im frühesten Stadium, wenn er im rechtlichen Sinne noch gar keine Schuld auf
sich geladen hat, vergeht sich an der Welt, indem er ihr mit abgründiger
Bosheit, die er für Schläue hält, begegnet, indem er jedermann misstraut und
jede Frau verachtet. Trolle stiften mehr Unheil
als durch ihre Bosheit durch ihr Ungeschick, sie stolpern über Gefühle, am
häufigsten über ihre eigenen.
Trolle
dringen wie Tote in unsere Träume.
Sie lasten drückend, tretend; als Alp lassen sie sich nieder. ’Trolla“ -
treten, zutreten, auftreten, wegtreten, getreten, bald sind sie riesisch, bald
elbisch, bald zauberische Wesen. Doch sie können nicht fliegen. Das Gewicht
ihres Selbsthasses drückt sie hernieder. Gelegentlich reiten sie Menschen und Tiere, um beweglicher zu werden. (Erst eine Verharmlosung in jüngsten Nachrichten spricht von Besen.) Immer wird allerdings ein Unheil geschehen, wenn im Zwielicht eine Trollgestalt losgegürtet und mit
losen Haaren auf einer Zauntüre reitet.
Eine
unserer Jägerin wurde einmal einer Tollkolonie auf einem Schiffe gewahr, von wo aus sie im
entgegentosenden Wettersturme aus jedem Finger wüste Geschosse wie Pfeile an unser
Ufer fliegen ließen und jeder Pfeil war der Tod eines lebendigen Gedankens. Sie
heulten wie wilde Tiere, ein Zittern lief über ihre Haut, so dass jeder Zahn
knirschte, sie sperrten den Rachen auf, stießen Schaum heraus, bissen in die
Schilde. Auf eisige Schauder, bei denen es den Unsrigen vorkam, als würde ihnen
Wasser zwischen Haut und Fleisch gegossen, folgte eine heftige Wut, in der sie
nichts verschonten von dem, was ihnen in den Weg kam, Getäfel und Balken, Säulen
und Menschen, selbst Feuer betraten sie und scheuten kein Eisen.
Obwohl
sie meist in den Gestalten auftreten, in denen sie gelebt haben, Männer als Männer,
Frauen als Frauen, Jünglinge als Jünglinge, Mädchen als Mädchen so geschieht es doch, wenn sie
wahre Schutztrolle werden und kommender Dinge kundig sind, dass sie bloß noch
als weibliche Wesen erscheinen. Es
verfällt ihnen, wer den Vergessenheitstrank zu sich nimmt, den die verführerischen,
dämonischen Wesen kredenzen. Ihre
Sinnesart und Neigung zeigt eine eigentümliche Mischung von List und
Aufrichtigkeit, ein gewisses neckisches Wesen. Sie benutzen eine Wortsalbe
bisweilen, die, wird ein menschliches Auge damit bestrichen, geistersichtig
macht. Ihre
älteste Natur ist wild und menschenfeindlich, das spricht dafür, das sie aus
der tiefen verderblichen Gewalt des Wasser entstammen.
Doch nicht immer rauscht
das Wasser Verderben bringend. Es bringt auch tanz- und lachlustige, frohsinnige Wesen hervor, denen sich
zu nähern nichts im Wege zu stehen scheint. Sie mögen nährende, reinigende,
heilende und begeisternde Eigenschaften haben, auch dies als Erbe ihrer
Herkunft aus den Wassern. Es kommt bei unserer Arbeit als Jägerinnen der Trolle
vor allem darauf an, diese Unterscheidung zu treffen. Dann nämlich, so ist
geweissagt, kann es gelingen, sich der echten Trolle durch eine therapeutische
Maßnahme zu entledigen, statt sie auszutreiben mittels Versteinerung und Pfählung,
mittelalterlicher Methoden, denen wir als eine moderne und aufgeklärte Behörde
ablehnend gegenüberstehen. Wir sehen unsere Aufgabe vielmehr darin, die Trolle
zu verwandeln, indem wir sie mit Fragen wie mit Küssen füttern.“
Verwandte Beiträge
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen