Dienstag, 20. August 2013

KYRENAISCHE ANTIPODEN: Blutige Sticheleien

Ein Beitrag von BenHuRum

Herausgeberische Notiz: Dr. Dora Imgrunde und Prof. Dr. Martina Holzschlag sind mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, wie regelmäßige Leser_innen der "Gleisbauarbeiten" wissen. Insbesondere Holzschlag ist bemüht, ihr neues monumentales Werk zur innigsten Verbindung von Ästhetik, Melancholie und Pornographie   (Arbeitstitel: "Die Schönheit der Sache und ihre bleichen Töchter") zum Abschluss zu bringen. Daher hat sich Dr. Imgrunde bereit erklärt, einzuspringen und die heutige Ausgabe der Kyrenaischen Antipoden mit einem, wenngleich notgedrungen kurzen, Kommentare zu versehen.

Blutige Sticheleien
Carmen ist anders nicht zu begreifen als in ihrem Verhältnisse zu Don José. Und dieses reproduziert als geschlechtliches die Totalität der Gesellschaft. Die gesellschaftliche Totalität indes führt kein Eigenleben oberhalb des von ihr Zusammengefassten, aus dem sie selbst besteht. Die Hitze des Weibes, das sich bloß dieses Mal Carmen nennt, und die Gier des Mannes, der Don José zu sein vorgibt, produzieren und reproduzieren sich durch ihre einzelnen Momente hindurch. So wenig jenes Ganze der Liebe, die nur als eine Totalitäre besteht, vom Leben zum Tode, von der Kooperation und den Antagonismen dieser einen Carmen und dieses einen Don José  abzusondern ist, so wenig kann irgendein Element auch bloß in seinem Funktionieren verstanden werden ohne Einsicht in das Ganze, das an der Bewegung des Einzelnen selbst sein Wesen hat. System und Einheit sind reziprok und nur in der Reziprozität zu verstehen. Freiheit unter diesen Bedingungen kann einzig in ihrer Negativität gefasst werden: als Kardinalfehler in der konkreten Gestalt von Unfreiheit. Das Denken ist es, das vorweg jenen Messerstich führt, den die Carmen zufügt und an dem sie verblutet. Dieser Widerspruch zwischen dem Denken und der Freiheit bildet den Tod. Die Identifikation beider, die Philosophie, ist daher zum Tode zu verurteilen. Nur als Verurteilte vermag sie in den Gefängnissen des Todestraktes zu überleben, eins ums andere Mal begnadigt und wieder verurteilt durch die Kunst der Gesellschaft, die ist.
(Dr. Imgrunde verwies im Zusammenhang ihres heutigen Beitrags augenzwinkernd auf diesen Link: "Wider die großen Worte". Für diesen Hinweis danken wir ihr im Namen unserer Leserinnen und Leser)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen