Montag, 30. September 2013

LICHTKEGELN (ein Traum)

(Träume sind Schäume, hatte meine Mutter immer gesagt, wie andere Mütter auch. Ob ich ihr glaube? Das spielt gar keine Rolle, da ich mich ohnehin niemals vollständig erinnere, was ich geträumt habe. Ich träume das, was ich aufwachend für dich erfinde.)

Das war Frevel. Ich hatte das Wort und ahnte doch nur, was es bedeutete. Niemals zuvor war ich sündig geworden, nicht im biblischen und auch in keinem anderen Sinne. Mich  schmückte das bräutliche weiße Kleid, das ich noch immer trug,  obwohl ich längst hätte  Großmutter sein können, wenn es der Allmächtigen und meinen Kindern gefallen hätte. Doch so war es nicht gekommen. Ich hatte mich wollüstig aufgespart für jenen Einen, der über die Ebene reiten würde, getaucht in einen goldenen Sonnenkegel, der ihm folgen würde bis vor meine Füße. Unter mir schäumte das Meer, wenn ich von der Terrasse meines Schlosses am Steilufer hinabsah. Ich liebte das Rauschen, mit dem die Brandung gegen die sandige Bucht anlief. Wenn ich mich aber umdrehte, sah ich das grün wogende Gras sich weit und eben bis zum Horizont ausbreiten. Von dort wird er kommen, eines Tages, der mich erlöst aus diesem Schlafwandeln auf marmornen Platten, dachte ich.

Sie erschienen zu neunt. Neun lichte Kegel über der Ebene, neunmal von der Sonne umhüllt, so ritten sie in ihren weiten Mäntel und mit ihrem wehenden blonden Haaren herbei. Ich sah sie schon von Ferne, doch wandte ich mich noch einmal, ein allerletztes Mal, dem Meere zu. Ich tauchte mein Antlitz in das flutende Licht. Dann holte ich aus mit jener in all den Jahren perfektionierten Schrittfolge, durch ich die ganze Energie und Kraft der Drehung in den rechten Arm lenkte und rollte den funkelnden Ball zwischen die Reiter, die von der Wucht sogleich zu Boden gingen. Nicht einer nach dem anderen. Alle Neune!

Erst in diesem Augenblick tratest du hinter dem Vorhang hervor, hinter dem du dich so lange verborgen hattest (Weswegen dies beinahe, wäre da nicht das Rauschen des Meeres immer im Hintergrund zu hören gewesen, ein Stummfilm geworden wäre). Du sprachst das Wort. Ich hatte es gewusst, als ich ausholte. Aber ich verstand noch immer nicht. "Frevlerin", wiederholtest du. "Wach auf!"

Ich gehorchte. Wie immer.

(Ich wünschte, du würdest aufhören, nach meinen Träumen zu fragen. Je mehr du mich bittest, desto größer werden die Lügen, die ich dir auftische.)



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