Montag, 21. Juli 2014

Spätvorstellung: DE MAYERLING A SARAJEVO (1940)




Ein Beitrag von Morel


Max Ophüls Film über Erzherzog Ferdinand und die tschechische Gräfin Sophie Chotek, die Opfer des Attentats von Sarajevo, hatte am 1. Mai 1940 in Paris Premiere. Wenige Tage später begann der als Blitzkrieg bekannte Westfeldzug. Der nächste Krieg hatte begonnen, die Schüsse von Sarajevo hallten immer noch nach. Das Land, in dem De Mayerling a Sarajevo gedreht wurde, war schon bald von den Deutschen besetzt und ein weiterer Film eines der besten deutschen Regisseure begann seine Karriere als unbekanntes Meisterwerk. Ophüls hatte in den zwanziger und dreißiger Jahren an renommierten Theaterhäusern in Deutschland und Österreich gearbeitet, unter anderem am Burgtheater. Dabei war er immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, weshalb er selten länger als ein Jahr an einem Haus beschäftigt war.  Anfang der dreißiger Jahre begann er damit Filme zu drehen, am bekanntesten sicherlich das Melodram Liebelei mit der jungen Magda Schneider. Hier zum ersten Mal und in der Folge immer wieder zeichnet der Saarländer Ophüls ein romantisiertes Bild Österreichs vor seinem Untergang – eine Kulissenwelt, in der nur die Liebe und die Musik den Raum öffnen. Die bewegliche Kamera dynamisiert die oft gerahmten Bühnenbilder Ophüls und umkreist es immer wieder gerne: das Walzer tanzende Paar im instabilen Zentrum einer untergehenden Welt. In den Tagen nach dem Reichstagsbrand verließ er Deutschland und ließ sich mit seiner Familie in Paris nieder. 1938 wurde er französischer Staatsbürger. Hier griff er mit De Mayerling a Sarajevo kurz vor dem nächsten Weltuntergang erneut ein österreichisches Thema auf. Trotz seiner linken Ausrichtung und der politischen Verfolgung ist Ophüls nicht wie Brecht ein im herkömmlichen Sinne der Agitation politischer Künstler. Die Politik ist immer Außen, Teil der Bühnendekoration, sie zerstört mit ihren Manipulationen das Leben. Der Erzherzog Ferdinand ist daher nicht die historische Figur, ein fanatischer Jäger und reaktionärer Katholik, sondern ein romantischer Liebhaber, dessen Reformideen am Hof auf Widerstand stoßen (eine ähnliche Konstellation wie im vorher gedrehten Film Mayerling von Anatol Litvak, der aber mit dem unglücklichen Rudolf einem anderen Thronfolger gewidmet ist). In den klassischen Liebesfilmen geht es für das Paar immer darum, Widerstände zu überwinden. In der Komödie sind diese Wiederstände meistens nur eingebildete: das Paar gehört zusammen, es weiß es nur noch nicht. Im Melodram (heute außerhalb des Kunstkinos so gut wie ausgestorben) sind die Widerstände dagegen gesellschaftlicher Natur. Das Liebespaar weiß sehr wohl, was es will, nur die Gesellschaft duldet diese Unbedingtheit in ihrer Mitte nicht. Das macht ausgerechnet das bei der Linken so verhasste Melodram zu einem Kino der Kritik. Fassbinder zumindest wusste das. In den Liebes-Melodramen von Ophüls sind die Liebenden nie allein, sie stehen immer unter Beobachtung. Wenn der Walzer, bei dem sie nur für einander Augen hatten, verklungen ist, haben die anderen Tanzpaare etwas zu erzählen. Das neben dem Walzer zweite visuelle Thema in Ophüls-Filmen, mit dem De Mayerling a Sarajevo auch beginnt, greift das immer wieder auf – die Nachrichtenübermittlung, die Verbreitung von Gerüchten. So wandert am Anfang eine Botschaft für den Hof von Hand zu Hand, wie bei Kafka zahlreiche Räume durchquerend, immer von der Kamera verfolgt. Tödlich für Ferdinand und Sophie ist letztendlich die Kälte, auf die sie als nicht standesgemäße Verbindung am Hof stoßen (es handelt sich um eine sogenannte morganatische Verbindung, die ihre Kinder von der Thronfolge ausschloss). Letztendlich führt das bei Ophüls auch zu den unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen in Sarajevo. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, wo das Glück gehasst wird. Wer Die Schlafwandler, das spannende Buch Christopher Clarks über die Julikrise 1914 liest, wird öfters solchen Figuren begegnen: Männer, die das Leben fürchten und das Glück verachten. Die Filme Ophüls werden inzwischen kaum noch gesehen, dabei sind sie in ihrer tänzerischen Leichtigkeit, ihrem Witz und ihrer technischen Brillanz pures Glück. Sein in Wikipedia zusammengefasstes Leben besteht aus ungefähr 300 Wörtern, das von Veit Harlan aus 1000. Um das noch unabgeschlossene Leben und Werk von Til Schweiger zusammenzufassen, sind jetzt schon 1.100 Wörter nötig.

1 Kommentar:

  1. Schöner Text:
    Vielleicht wird eines Tages, wenn Macht nicht mehr mit Politik verwechselt, sondern von ihr klar unterschieden wird, sich zeigen, dass die Differenz zwischen "Links" und "Rechts" politisch weit weniger bedeutsam ist, als die zwischen jenen, die "das Leben fürchten und das Glück verachten" und jenen, die sich dem Leben öffnen und das Glück schätzen.
    Und weil ich es immer wieder empfehlenswert finde hier noch einmal der Hinweis auf "Macht und Politik sind nicht dasselbe", erschienen im Ulrike Helmer Verlag:
    Diotima: Macht und Politik sind nicht dasselbe

    AntwortenLöschen