Ein Beitrag von Morel
Max Ophüls Film über Erzherzog Ferdinand und
die tschechische Gräfin Sophie Chotek, die Opfer des Attentats von Sarajevo,
hatte am 1. Mai 1940 in Paris Premiere. Wenige Tage später begann der als
Blitzkrieg bekannte Westfeldzug. Der nächste Krieg hatte begonnen, die Schüsse
von Sarajevo hallten immer noch nach. Das Land, in dem De Mayerling a Sarajevo gedreht wurde, war schon bald von den
Deutschen besetzt und ein weiterer Film eines der besten deutschen Regisseure
begann seine Karriere als unbekanntes Meisterwerk. Ophüls hatte in den
zwanziger und dreißiger Jahren an renommierten Theaterhäusern in Deutschland
und Österreich gearbeitet, unter anderem am Burgtheater. Dabei war er immer
wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, weshalb er selten länger als
ein Jahr an einem Haus beschäftigt war.
Anfang der dreißiger Jahre begann er damit Filme zu drehen, am
bekanntesten sicherlich das Melodram Liebelei
mit der jungen Magda Schneider. Hier zum ersten Mal und in der Folge immer
wieder zeichnet der Saarländer Ophüls ein romantisiertes Bild Österreichs vor
seinem Untergang – eine Kulissenwelt, in der nur die Liebe und die Musik den
Raum öffnen. Die bewegliche Kamera dynamisiert die oft gerahmten Bühnenbilder
Ophüls und umkreist es immer wieder gerne: das Walzer tanzende Paar im
instabilen Zentrum einer untergehenden Welt. In den Tagen nach dem
Reichstagsbrand verließ er Deutschland und ließ sich mit seiner Familie in
Paris nieder. 1938 wurde er französischer Staatsbürger. Hier griff er mit De Mayerling a Sarajevo kurz vor dem nächsten
Weltuntergang erneut ein österreichisches Thema auf. Trotz seiner linken
Ausrichtung und der politischen Verfolgung ist Ophüls nicht wie Brecht ein im
herkömmlichen Sinne der Agitation politischer Künstler. Die Politik ist immer
Außen, Teil der Bühnendekoration, sie zerstört mit ihren Manipulationen das
Leben. Der Erzherzog Ferdinand ist daher nicht die historische Figur, ein
fanatischer Jäger und reaktionärer Katholik, sondern ein romantischer
Liebhaber, dessen Reformideen am Hof auf Widerstand stoßen (eine ähnliche
Konstellation wie im vorher gedrehten Film Mayerling
von Anatol Litvak, der aber mit dem unglücklichen Rudolf einem anderen
Thronfolger gewidmet ist). In den klassischen Liebesfilmen geht es für das Paar
immer darum, Widerstände zu überwinden. In der Komödie sind diese Wiederstände
meistens nur eingebildete: das Paar gehört zusammen, es weiß es nur noch nicht.
Im Melodram (heute außerhalb des Kunstkinos so gut wie ausgestorben) sind die
Widerstände dagegen gesellschaftlicher Natur. Das Liebespaar weiß sehr wohl,
was es will, nur die Gesellschaft duldet diese Unbedingtheit in ihrer Mitte
nicht. Das macht ausgerechnet das bei der Linken so verhasste Melodram zu einem
Kino der Kritik. Fassbinder zumindest wusste das. In den Liebes-Melodramen von
Ophüls sind die Liebenden nie allein, sie stehen immer unter Beobachtung. Wenn
der Walzer, bei dem sie nur für einander Augen hatten, verklungen ist, haben
die anderen Tanzpaare etwas zu erzählen. Das neben dem Walzer zweite visuelle
Thema in Ophüls-Filmen, mit dem De
Mayerling a Sarajevo auch beginnt, greift das immer wieder auf – die
Nachrichtenübermittlung, die Verbreitung von Gerüchten. So wandert am Anfang
eine Botschaft für den Hof von Hand zu Hand, wie bei Kafka zahlreiche Räume
durchquerend, immer von der Kamera verfolgt. Tödlich für Ferdinand und Sophie
ist letztendlich die Kälte, auf die sie als nicht standesgemäße Verbindung am
Hof stoßen (es handelt sich um eine sogenannte morganatische Verbindung, die
ihre Kinder von der Thronfolge ausschloss). Letztendlich führt das bei Ophüls
auch zu den unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen in Sarajevo. Die Katastrophe
nimmt ihren Lauf, wo das Glück gehasst wird. Wer Die Schlafwandler, das spannende Buch Christopher Clarks über die
Julikrise 1914 liest, wird öfters solchen Figuren begegnen: Männer, die das
Leben fürchten und das Glück verachten. Die Filme Ophüls werden inzwischen kaum
noch gesehen, dabei sind sie in ihrer tänzerischen Leichtigkeit, ihrem Witz und
ihrer technischen Brillanz pures Glück. Sein in Wikipedia zusammengefasstes
Leben besteht aus ungefähr 300 Wörtern, das von Veit Harlan aus 1000. Um das
noch unabgeschlossene Leben und Werk von Til Schweiger zusammenzufassen, sind jetzt
schon 1.100 Wörter nötig.
Schöner Text:
AntwortenLöschenVielleicht wird eines Tages, wenn Macht nicht mehr mit Politik verwechselt, sondern von ihr klar unterschieden wird, sich zeigen, dass die Differenz zwischen "Links" und "Rechts" politisch weit weniger bedeutsam ist, als die zwischen jenen, die "das Leben fürchten und das Glück verachten" und jenen, die sich dem Leben öffnen und das Glück schätzen.
Und weil ich es immer wieder empfehlenswert finde hier noch einmal der Hinweis auf "Macht und Politik sind nicht dasselbe", erschienen im Ulrike Helmer Verlag:
Diotima: Macht und Politik sind nicht dasselbe