Samstag, 23. August 2014

WIE IM RICHTIGEN LEBEN? (Ein Traumbild)

Dann war ich also auf der Flucht. Es ist lang her, dass ich so was geträumt habe. Dafür gibt es, wie für alles, Gründe. Und keine. (Ich glaube mehr an Kontingenz als an Folgerichtigkeit. Als ich mich das letzte Mal flüchtend träumte, trug ich aus, war also beschwert und unbeweglich. Wie eben jetzt. Nichts beschleunigt die Träume mehr als das Gewicht der sogenannten Wirklichkeit...der Körper.)

Als Erstes entledigte ich mich meines Smartphones. Es genügt nicht, sagte ich mir, es abzuschalten. Auch abgeschaltet kann es jederzeit geortet werden, bildete ich mir ein, irgendwo gelesen zu haben. Doch schaffte ich es nicht, mich endgültig davon zu trennen. Ich wickelte es in ein altes T-Shirt und schloss es im Bahnhof in einem Schließfach ein. Bahnhöfe sind keine guten Aufenthaltsorte für Menschen auf der Flucht, erinnerte ich mich. Auf Bahnhöfen wird die Flüchtende geradezu erwartet. Abgepasst. Bloß nicht zu lange am Bahnhof verweilen. Auf dem Weg zum Fluss kam ich an einem Sparkassen-Automaten vorbei. Das Konto räumen, solange es noch geht. Dumm, dass ich nicht sofort daran gedacht hatte. Meine Kontakte. Wie schnell könnten sie meine Kontakte überprüfen? Sollte ich versuchen, mich nach Bremen durchzuschlagen? Ich hatte seit Jahren nicht mehr mit L. telefoniert oder gemailt. Aber L. hat einen kleinen Sohn. Der muss jetzt vier sein. Vielleicht sogar fünf. Was sollte ich L. nur erzählen? 

(Im Traum fragte ich mich nicht, warum ich nicht einmal wusste, weshalb ich verfolgte wurde. Es beunruhigte mich auch nicht. Ich hielt auch keine Ausschau nach meinen Verfolgern. Sie hatten weder Gesicht noch Körper. Keine Schatten. Nur Technologien. Aber das machte ich mir nicht klar. Ich hatte diese Fragen abgeschaltet. Beinahe bewusst.) 

Beim Saturn kann man Burner kaufen. Jemand hatte erst kürzlich davon gesprochen. Da wusste ich noch nicht einmal was Burner sind. Wenn ich mir beim Saturn einen Burner holte, hatte ich ein paar Anrufe. Am Ende kannst du dich in so einer Situation doch nur an die wenden, die dir am Nächsten stehen. Außer deiner Familie. Die Familie musste ich heraushalten, wusste ich. Die wurde jetzt sowieso überwacht. Ein Treffen mit T. am Hafen. Von T. aus weiter zu J. Mein Kontakt zu J. war lose, aber ich vertraute ihm. Vor allem, weil T. ihm traute. J. setzte mich an einem Provinzbahnhof 30 km entfernt ab und in einen Zug nach F. Dort kannte ich D., die sicher nicht mit mir rechnete, aber weiterhelfen würde. Ich war noch nie bei D. gewesen, die aber sofort ihre Ferienwohnung auf Rügen anbot. Als Zwischenstation. So lange wie nötig. Ich schlief in den Zügen. Regionalbahnen sind besser als ICEs. Alte Agentenregel, bildete ich mir beinahe belustig ein. Die Hand in der Hosentasche um den Schlüssel gekrampft, den F. mir gegeben hatte. Diese Erleichterung und Erschöpfung schließlich, nachdem ich den Kühlschrank der Ferienwohnung in S. gefüllt und die Tagesthemen eingeschaltet hatte. Eine Verschnaufpause. 

Es gibt kein Zurück mehr. Nur kurze Episoden des Verweilens. 

(Wie im richtigen Leben?)

Fluchtträume enden immer abrupt. Eigentlich weiß ich die ganze Zeit, dass ich nicht auf der Flucht bin. Es ist ein Test, denke ich. Mein Gehirn testet, wen es gibt und welche Orte ihm einfallen. Wohin ich könnte mit wem und wann, wenn...Eigenartig bloß, dass du noch nie in einem meiner Fluchtträume vorkamst. 

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