Dienstag, 9. März 2010

ZUG UM ZUG (1): UNTER DEN GLEISEN (1970-1977)

Aufgewachsen nahe des Bahndamms liebte ich es auf der Eisenbahnbrücke direkt unter den Gleisen zu liegen. Die Züge ratterten nur eine Armlänge über mir hinweg. Wenn ich die Hand ausgestreckt hätte, wäre sie von den Rädern zermahlen worden. Nie vergesse ich den unbeschreiblichen Schock im ganzen Körper, wenn die Güterwaggons über mich rollten.

Ich konnte die Übertretung des strikten Verbotes nicht unterlassen, immer wieder musste ich auf die Brücke klettern, mich flach auf den Rücken unter die Gleise legen und im Lärm der herannahenden Züge vergehen. Es war wie ein erster Orgasmus, unerkannt, unerwartet. Sich vollständig aufgeben und zugleich komplett kontrollieren. Das Anwachsen der Angst und deren Überwindung in eins. Die Sucht nach Lust blieb für immer verbunden mit der Geschwindigkeit, dem Lärm der Züge, der Reise nach Nirgendwo, der Bewegung gegen den Stillstand meines Körpers.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen