Freitag, 25. Juni 2010

Tagebuch (6)


Die Landpartie

Ich unternehme eine Landpartie. Von diesem Begriff heißt es im Grimmschen Wörterbuch, es sei ein "jetzt sehr gebräuchlicher Ausdruck". Als ich meinen Sohn jedoch mit dem Wort konfrontierte, nahm er an, ich spräche von der Heirat mit einer Landfrau bzw. einem Landmann: ein Städter macht eine "gute Landpartie". Schade, wie manch schöne Worte verloren gehen, obwohl doch, was sie bezeichnen weiter besteht: Ausflüge auf´s Land sind seit dem Erscheinen der ganzen Wander-Bestseller wieder en vogue. 

Die Landpartie allerdings, wie ich sie mir vorstelle, unterscheidet sich von diesen Ausflügen durch ihre Gelassenheit und dadurch, dass sie zwar ein Ziel hat, dieses jedoch zufällig gewählt ist: Wir könnten unser Picknicktuch auch an ganz anderer Stelle ausbreiten. Da ist´s schön und anderswo auch. Das Gras blüht, es sei jetzt, lese ich, der Monat der "Gänseblümchen, Butterblumen und Nelken". Ich werde diesem Vorschlag folgen, "bis zum Ende des Ackers zu gehen (...) - vielleicht - finden Sie Stiefmütterchen auf Ihrem Weg - , weiter hinaus ins offene Hügelland, und legen sich dort in das warme Gras. Hier können Sie Thymian riechen, die Schmetterlinge auf den rosafarbenen Sternchen des Tausendgüldenkrauts beobachten und, wenn Sie den Kopf dicht auf den Boden pressen, in den violett gemaserten Schlund des Augentrosts schauen."


...Tausendgüldenkraut, Augentrost, Bienenragwurz, Natternkopf...



Wie jede richtige Landpartie beginnt unsere Fahrt im offenen Wagen. Vier Mädels sind wir und das wird schon bei der Anreise ein ordentliches Geschnatter geben. Im Gasthof "Zum Schwanen" steigen wir ab und dann schwärmen wir aus...Für morgen sind wir mit einem Winzer verabredet, der uns durch seinen Weinberg führen wird. 

Ausgerüstet mit unserem vortrefflichen Ratgeber: Das Wochenend-Buch (auf den ich gestern bereits hinwies) wird es uns zweifellos gelingen, ein paar Gesetze zu brechen. Für "Unbefugtes Betreten" beispielsweise wird empfohlen: "Die meisten Grundbesitzer sind empfänglich für Freundlichkeit, gute Argumente oder Geld, und es muss dem Geschick des Eindringlings überlassen bleiben, das richtige Mittel zu wählen." Sollte unsere Überzeugungskraft jedoch versagen, sei "ein langsamer, aber würdevoller Rückzug auf öffentliche Straßen (...) der beste Kurs, den man einschlagen" könne. Unser Kommentator zieht das Fazit: "Das Gesetz ist vergleichbar mit einer wunderlichen Dame. Es ist von Vorteil, ihr Wesen zu kennen, aber ihre Umarmungen sind zu meiden, denn sie neigen dazu, sowohl ungelegen, wie auch kostspielig zu sein."

Auch auf Unfälle aller Art sind wir gut vorbereitet. Zahnschmerzen können wir durch Brandy oder Whisky lindern, Sonnenbäder werden wir nur so dosiert nehmen, wie es unser Reiseführer empfiehlt, sollte einer von uns ein Fremdkörper in die Nase gelangen, so gehen wir wie folgt vor: "Damit ein in der Nase befindlicher Fremdkörper ausgestoßen wird, bringen Sie den Patienten mit Hilfe von Pfeffer oder einem zusammengerollten Papier zum Niesen." Als besonders nützlich wird sich zweifellos auch dieser Hinweis herausstellen: "Bei einem Kater am Morgen danach ist es für Ihren benebelten, trüben Verstand tröstlich, sich die mahnenden Worte des berühmten Arztes Isaac Judäus in Erinnerung zu rufen, der sagt: "Für diejenigen, die in ihrer Jugend übermäßig Wasser trinken, ist es unmöglich, das Alter zu erreichen, das Gott ihnen zugedacht hat."

Jetzt noch ein wenig arbeiten - um 16.00 Uhr werde ich abgeholt...zur Landpartie im offenen Wagen! Juchhe!

6 Kommentare:

  1. Das klingt ganz wunderbar. Ein schönes Wochenende wünsch ich dir!

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  2. Denkbar wäre allerdings eine Landpartie (im Grimmschen Sinne), bei der man eine Landpartie (im Sinne Deines Sohnes) macht; aber das sind fossile Spitzfindigkeiten...

    (Nicht ganz) abseits des Themas: das Headerbild finde ich toll, da sind ganz viele "Interpretationen" möglich... - Und ist ein Blog nicht immer under construction?

    Gute Fahrt und/bzw. häff fann!

    Das Fossil

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  3. VIER Mädels im offenen Wagen! Ohhh!
    Vielleicht ist es nÜtzlich, Klarsichtfolie auf die Frontscheibe zu kleben.
    Geht am Ende schneller beim Reste entfernen...

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  4. @graphodino Denkbar wäre es, tatsächlich! Wir hatten Spaß, trotz (oder wegen) Staus! (s.unten)

    @Hans1962 Wir vergaßen, dass in mehreren Bundesländern die Ferien am Freitag anfingen. So befanden wir uns - im offenen Wagen - recht schnell im Stau. Und erreichten das Ziel verspätet. Statt Naturgenuss (das holten wir heute nach), wandten wir uns gleich dem Thema zu, für das I.J. so treffliche Ratschläge gibt. Im Stau hingegen wäre Klarsichtfolie vielleicht nützlich gewesen. Beinahe wäre jemand zugestiegen...

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  5. Huch!
    Was nützt die schlau bewehrte Front, wenn der Angriff in die Flanke bricht? Ich muss mir ein neues Konzept zur Raumverteidigung überlegen.

    "Keep moving, or you're dead" raunte einmal ein Chirurg der hübschen OP-Schwester zu, nachdem er sie seinen jungen Kollegen vorgestellt hatte...
    (Stau ist gefährlich, uiui!)

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  6. Die Gefahr ist ja vorüber - für mich ohnehin, da ich sonst fast nie Auto fahre. Ich brauche - zurück zum Ausgangspunkt - eher eine Raumverteidigungsstrategie (huch!) für Züge.

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