Judith saß auf einer Bank am Frankfurter Alleenring. Sie bohrte den Nagel ihres Daumens in den linken Unterarm, bis es blutete. Nach fast fünf Jahren hatte sie sich dazu durchgerungen, wieder eine Frauenarztpraxis zu betreten. Dreimal schon war sie bei dem Versuch gescheitert, hatte Termine vereinbart und diese dann kurzfristig wieder abgesagt. Einmal kehrte sie direkt vor der Tür der Praxis um. Diesmal werde ich es schaffen, schwor sie sich. Ich werde den Lift besteigen, klingeln; ich werde hinein gehen und an der Theke meinen Namen sagen. Dem Mann in London hatte sie nichts gesagt.
Ich muss das selbst schaffen. Seit damals, seit der Fehlgeburt, weiß ich doch, dass ich allein sein werde mit der Diagnose, besonders dann, wenn sie ungünstig ausfällt. Wenn alle Stricke reißen, hebe ich die 20.000 € vom Postsparbuch ab und buche ein Flugticket. Wohin? Weiß ich noch nicht.
Ich muss das selbst schaffen. Seit damals, seit der Fehlgeburt, weiß ich doch, dass ich allein sein werde mit der Diagnose, besonders dann, wenn sie ungünstig ausfällt. Wenn alle Stricke reißen, hebe ich die 20.000 € vom Postsparbuch ab und buche ein Flugticket. Wohin? Weiß ich noch nicht.
Der Vormittag war wie hinter einer Milchglasscheibe abgelaufen. Ihr Vortrag sei verständlich und unterhaltsam. Sagten die Studenten. Ihr Gutachten ist bemerkenswert. Lobte der Chef. In der Cafeteria freundliche Worte: „Hübscher Schal, den du heute trägst.“
Faules Pack. Bürokratenschwein. Schleimer.
Wenn sie Angst hatte, stieg die Wut hoch. Gewaltphantasien. Das merkte keiner. Ein Lächeln war ihr wie einprogrammiert. An passenden Stellen konnte sie bei Bedarf sogar lachen, auch heute. Auf dem Klo heulte sie eine Runde. Das ist mit Geschick und Eye concealer in drei Minuten wegretuschiert. In der Pause fuhr sie den Rechner hoch. Eine Nachricht aus London: „Come online, babe.“
Fuck you. Ich will nicht mit dem reden.
„You´re obviously healthy, sweetheart.“
Fuck. Fuck. Fuck. Das kenne ich schon: Die Krankheit leugnen, so lange es geht. Darin bin ich selbst Meisterin. Dazu brauche ich dich nicht.
Faules Pack. Bürokratenschwein. Schleimer.
Wenn sie Angst hatte, stieg die Wut hoch. Gewaltphantasien. Das merkte keiner. Ein Lächeln war ihr wie einprogrammiert. An passenden Stellen konnte sie bei Bedarf sogar lachen, auch heute. Auf dem Klo heulte sie eine Runde. Das ist mit Geschick und Eye concealer in drei Minuten wegretuschiert. In der Pause fuhr sie den Rechner hoch. Eine Nachricht aus London: „Come online, babe.“
Fuck you. Ich will nicht mit dem reden.
„You´re obviously healthy, sweetheart.“
Fuck. Fuck. Fuck. Das kenne ich schon: Die Krankheit leugnen, so lange es geht. Darin bin ich selbst Meisterin. Dazu brauche ich dich nicht.
13. 45 Uhr. Noch eine Viertelstunde bis zum Termin.
Einmal muss es ich es hinter mich bringen. Die Schmerzen. Heftige Blutungen. Das muss nichts bedeuten.
Selbstverständlich hatte sie im Netz recherchiert. Diffuse Symptome. Worst case scenario. Sie zog den Laptop aus der Tasche und installierte den Stick. Er war immer noch online. „Babe. You´re sad. And lonely. And anxious.“
„How do you know?“
„I can feel you.“
Mein Gesicht zwischen deinen Händen.
Im Unterleib krampfte es wieder. Sie fuhr die Maschine herunter, wischte die Tränen weg und ging die 50m zum Eingang des Hospitals hinüber. Sie nahm den Lift in den 4. Stock, meldete sich an, betrat das Wartezimmer: zwei aufgeblähte Schwangere, eine junge Mutter mit Kopftuch, das schlafende Baby im Arm. Eine ältere Frau.
Wie ich.
Sie lächelte sie an. Judith nahm sich eine GALA vom Zeitschriftenstapel und setzte sich.
Einmal muss es ich es hinter mich bringen. Die Schmerzen. Heftige Blutungen. Das muss nichts bedeuten.
Selbstverständlich hatte sie im Netz recherchiert. Diffuse Symptome. Worst case scenario. Sie zog den Laptop aus der Tasche und installierte den Stick. Er war immer noch online. „Babe. You´re sad. And lonely. And anxious.“
„How do you know?“
„I can feel you.“
Mein Gesicht zwischen deinen Händen.
Im Unterleib krampfte es wieder. Sie fuhr die Maschine herunter, wischte die Tränen weg und ging die 50m zum Eingang des Hospitals hinüber. Sie nahm den Lift in den 4. Stock, meldete sich an, betrat das Wartezimmer: zwei aufgeblähte Schwangere, eine junge Mutter mit Kopftuch, das schlafende Baby im Arm. Eine ältere Frau.
Wie ich.
Sie lächelte sie an. Judith nahm sich eine GALA vom Zeitschriftenstapel und setzte sich.
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außerdem und immer wieder:
Limnologie. Über Melusinen und Undinen (weil das auch "Frauensachen" sind)
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