Donnerstag, 24. März 2011

WORT-SCHATZ (5): Knecht




„denn nichts zu ändern hat für sich der knechte gewalt.“

Einstmals galten Knechte als ehrbare Burschen, die mit ihrem Ritter stolz, brav und tapfer über die Lande zogen. Man sprach vom „wackeren Knecht“ und meinte einen jungen Mann, der es zu was bringen konnte, wenn er eifrig diente, sittsam blieb und sich gut hielt. Ein Knecht war folglich immer schon einer, der sich an die herrschende Ordnung nicht nur anpasste, sondern sie gleichsam verkörperte. Denn der Knecht anerkennt durch sein knechtisches Wesen, dass es einen Herrn geben muss.

An Ignaz Kiechle, der einmal Bundesminister für Ernährung, Forst-und Landwirtschaft war, werden sich nur Ältere erinnern können, wenn überhaupt. Auch ich hätte seinen Namen vielleicht vergessen, hätte er nicht einmal im F.A.Z.-Fragenbogen eine Antwort gegeben, die ich überzeugender fand als jede andere zuvor. Auf die Frage, was für ihn das größte Unglück sei, antwortete er: Knecht zu sein. Kiechle, der vom Land kam, wusste, wovon er sprach. Knechte hatten einen Stand, der sich von demjenigen der Leibeigenen nur geringfügig unterschied. Allenfalls konnten sie, anders als diese, einen Hauch Hoffnung haben, ihre Lage durch stetes Sparen (vom Mund ab, im wörtlichen Sinne) vielleicht einmal  soweit zu verändern, den sicheren  Platz in der Besenkammer oder hinterm Herd gegen ein dürftiges Lebens als Tagelöhner einzutauschen.

Wer Knecht ist, unterwirft sein ganzes Leben dem Willen des Herrn. Der Tag beginnt, wenn es diesem passt und er endet, wenn er es zulässt. Wer Knecht ist, kann sich sogar einen faulen Lenz machen, aber nur, wenn der Herr es gestattet. Wer Knecht ist, gibt keine Widerrede, hat nichts zu melden und kaum etwas zu verlieren. Wer Knecht ist, buckelt. Wer Knecht ist, soll keinen Willen haben und wird, falls sich ein solcher zeigt, gezüchtigt. Denn zwischen Herr und Knecht muss eine Zucht sein. 

Mag sein, dass es – wie Hegel aufwendig beschrieb - eine komplexe Dialektik zwischen Herr und Knecht gibt. Auch der Herr, freilich, das stimmt, dient dem Knecht, indem er ihn beherrscht.  Doch der Kiechl Ignatz war ein einfacher Mann, wie ich eine einfache Frau bin. Uns ist die Dialektik zu hoch. Er mochte nicht Knecht sein, wollte lieber im Freien kampieren, als sich einer Herrschaft unterwerfen und sei sie auch noch so gnädig. Er pfiff auf den Weltgeist und blieb lieber herrenlos. 

Schlussfolgerung: Lass dich nicht knechten.

(Meinen Söhnen gewidmet.)

2 Kommentare:

  1. @Schlussfolgerung
    Zum Knecht wirst du heutzutage (gesetzes)gewaltsam
    gemacht. Sich dem zu widersetzen ist mühsam und
    mitunter extrem schmerzhaft.
    Und das "Kampieren im Freien" (in Freiheit, außerhalb
    von gesellschaftlich akzeptierten Plätzen) steht unter
    Strafe. Mach's trotzdem und zahl nicht. Bewahr' dir deine
    aufrechte Haltung, denn die wiegt zuletzt alles auf.

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