Sonntag, 3. April 2011

WANN IST EIN MANN EIN MANN? - Die ernsten Spiele des Wettbewerbs

Ein Mann - ein Wort. So sind Männer eben: Männlich. (Schade.)

Nichts am „männlichen“ Habitus ist natürlich. Die Rede von der Natur (des Mannes und der Frau) entsteht nur, weil im männlichen Habitus (wie im weiblichen) Innenwelt und Außenwelt den gleichen Prinzipien folgen. Drum hält, wer die Faust ballt und zuschlägt, dies für männlich und wer eine die Faust ballen und zuschlagen sieht, diese für unweiblich. Der Habitus verschafft Orientierung im Mienenfeld der verfügbaren Identitäten. Neben Status und Schichtzugehörigkeit wird er vor allem durch die Vorstellung der Zweigeschlechtlichkeit geprägt. Ich bin, wie ich bin, weil ich eine Frau bin. Ich tu, was ich nicht lassen kann, weil ich ein Mann bin.  Männlichkeit wird gemacht (wie Weiblichkeit auch). Nicht Männer sind so, sondern ihre „Männlichkeit“ wird auf eine bestimmte Weise produziert und dargestellt.

Wie wird ein Mann ein Mann?  Es gibt „den Mann“ nicht. Aber es gibt die Geste der „Männlichkeit“. Wer als Mann erkannt werden will, erwirbt sich Männlichkeit in den „ernsten Spielen des Wettbewerbs“ (Pierre Bourdieu). Das macht Spaß.  Es kommt darauf an im homosozialen Raum (also "unter Männern“) Anerkennung zu finden. Mitspielen dürfen, ist ein Privileg. (Der Ausschluss vom Spiel – der Frauen bzw. Mädchen trifft und Männer bzw. Jungs, die „anders“ sind – gehört von Anfang an zum Werkzeugkasten der Konstrukteure der Männlichkeit). Was wird gebildet? Kraft („Du kannst was stemmen.“), Mut („Komm schon, du schaffst das.“), geringe Schmerzempfindlichkeit („Ein Junge weint nicht.“) Dieses Bildungsprogramm, erfolgreich absolviert, macht Jungs und Männer stark. (Weiblichkeitskonstrukteurinnen könnten sich da was abgucken!) Im Dauerwettkampf der Männlichkeiten, wo jeder sich beweisen und in die Rangordnung einfügen muss, kommt es aber auch zu herben Verletzungen. Wer nicht mitspielen mag oder kann, wird ausgegrenzt und als „unmännlich" gebrandmarkt. Kraft schlägt um in Gewalt („Ein richtiger Kerl schlägt schon mal zu.“), Mut wird zu Übermut („blutige Mutproben“) und „gesunde Härte“ zu Rücksichtslosigkeit. Allerdings bietet das Mitmachen auch erhebliche Vorteile. Wer den männlichen Habitus hat und ausprägt, profitiert von den historischen gewachsenen Verhältnisssen. Er streicht wie selbstverständlich die „patriarchale Dividende“ (Raewyn Connell) ein.

Wenn die Hierarchie hergestellt ist, prägt sich die „hegemoniale Männlichkeit“ aus. Das ist diejenige, die in einer bestimmten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt die Überlegenheit über die anderen Männer oder Jungen erlangt. Heutzutage stellt sich diese Männlichkeit als internationaler Managertyp dar: subtil, ironisch, kompetent, Anzug, Krawatte, glänzende Schuhe, Freizeitpolohemd, lässige Jeans.

Diesem Typus ordnet sich bereitwillig die "komplizenhafte Männlichkeit" unter. Der komplizenhafte Typ hat privat eher egalitäre Einstellungen, ist durchaus im Allgemeinen für Gleichberechtigung, pflegt aber trotzdem seine Vorurteile gegenüber Feministinnen und untergeordneten oder marginalisierten Männlichkeiten. Er macht mit. Er lacht über sexistische Witze, die der Chef reißt und fühlt sich immer ein bisschen bedroht, in eine untere Position abzugleiten. Aus dieser Angst leitet er die Sachzwänge ab, mit denen er seine Inkonsequenzen rechtfertigt.

Als der "untergeordneten Männlichkeit" zugehörig werden Jungs und Männer wahrgenommen, die nicht-heterosexuell sind oder nicht so wirken: „Loser, Streber, Opfer“. Solche Männer sind in unserer Gesellschaft am häufigsten Opfer von Gewalt durch andere Männer (entgegen der landläufigen Ansicht, es seien Frauen, die nachts in dunklen Gassen unterwegs sind). Sie können jedoch nicht auf Mitgefühl und Solidarität hoffen, wenn sie ihre Verletzungen offenbaren. Denn in dieser Weise verletzt zu werden, gilt eben als „unmännlich.“

Es gibt neben diesen hierarchisch gegliederten Männlichkeiten noch die "marginalisierten und protestierenden Männlichkeiten". Das können Hypermaskuline sein, denen Männlichkeit zur letzen Ressource wird, sich noch Souveränität oder deren Schein anzueignen oder Männlichkeiten, die bewusst die Männlichkeitsnormen unterlaufen und außer Kraft setzen. Beide Gruppen sind von Ausgrenzung und Armut bedroht: der muskel- und testosterongeladene Prolet im Vorstadtfitnessstudio wie der  sensible, Lippenstift geschmückte Emo im dunklen Trenchcoat.

Männer haben es nicht leicht. Es ist schwer, sich eine Männlichkeit zuzulegen, die nicht abstoßend ist. Herbert Grönemeyer nervt mich. Männer sind ganz schön kompliziert. Manche Männer mag ich. Die passen nicht rein und sich nicht an. Die wissen, wie man spielt. Aber sie beziehen sich nicht nur auf andere Männer. Und sehen Frauen nicht als Trophäen im Wettkampf unter ihresgleichen. Einige sind schwul. Andere nicht.  (Gute) Männer sind anders.

11 Kommentare:

  1. Eine Analyse, der ich nicht widersprechen möchte. Macht mich in der Männerwelt vermutlich zumindest verdächtig. Wann kommt denn der Beitrag "Wann ist die Frau eine Frau?" Die sind bekanntlich auch anders und haben genauso viele psychosoziale Kategorien aufzuweisen.

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  2. Das kommt noch. Statt "Ernste Spiele des Wettbewerbs" gibt´s da den Krabbenkorb. Wehe, eine will raus. (Unter Frauen ist´s auch nicht immer schön...)

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  3. Ich bin gerne Mensch.
    Wo ich still, ohne Musterung, sein darf, wozu mich die Geburt ausersehen hat, empfinde ich keine Reue. Dort bin ich auch gerne Mann, nämlich der, welcher nimmt, was er begehrt, und, sofern es ihm zukommt, auch gibt, was er kann.
    Natürlich gibt es Frauen. Oh, das ist schön.
    Auch dann noch, wenn ich eine solche gar nicht leiden kann, weil sie mich auch nicht mag, obwohl sie nicht einmal weiß, warum, neige ich dazu, sie zu mögen. Bei Männern geht das nicht, denn sie sind Rivalen. Warum sollten wir das ändern wollen. Ich habe ausschließlich gute Erfahrungen mit Frauen gemacht und ich hoffe, das bleibt auch so. Danke.

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  4. Nimmt was er begehrt...da fällt mir der Satz der autonomen Frauenbewegung ein..

    Jeder Mann ist ein potentieller Vergewaltiger...

    der Satz ist immer wahr, immer..

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  5. @Anonym (Herr Hilbig) - es gibt keinen "jeder Mann". Und oben geht´s auch nicht um bestimmte Männer, sondern um Männlichkeit. Männlichkeit ist ein Konstrukt, mit dem jeder Junge/Mann konfrontiert wird, ob er will oder nicht. Dazu verhält er sich. ---Ein jeder auf seine Weise

    Der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Konstrukt. Auf dem beharre ich. Auch, wenn Sie das nicht verstehen.

    Rivalität ist ein Männlichkeitskonstrukt Es gibt viele Männer, die sich nicht als Rivalen begreifen. Oder die nicht sagen könnten, "wozu sie die Geburt ausersehen" hat. Oder die "sich nicht nehmen, was sie begehren", sondern darum werben. Ach ja, es gibt viele Männer. Und wirklich gute. Schöne. Witzige und Kluge.

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  6. Den Unsinn da oben habe ich doch gar nicht geschrieben, wie kommen sie bloß darauf, ich mag ja eine menge Unsinn schreiben, aber diesen Unsinn des Herren dort oben, das war kein Herr Hilbig und der Satz der autonomen Frauen kann ich verstehen, vorallem wenn ich solche Sätze höre, "ich nehme mir", ja was denn?

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  7. Es gibt ja auch die wunderschöne Männerfreundschaft

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  8. Gut, dass Männer anders sind [wie wir selber] und es nicht wenige gibt, die in keine Kategorie einzuordnen sind.
    Jeodch, mir geht es wie dem Bücherblogger, sehr gespannt bin ich auf den "Frauen-Bewerb", v.a. wegen der "Krabbenkörbe", insbesondere wie es sich verhält, wenn sich dort eine Bienenkönigin hinein verirrt ;-)

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  9. @Abernein -das sagt mir die irische Spyware, die ich installiert habe ;-).

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  10. Entschuldigung, Herr Hilbig war nur der Kommentator von 15.43 Uhr, dagegen kommentierte mittags ein anderer. Herr Hilbig hat recht, für dessen Dummheiten ist er nicht verantwortlich. Sorry.

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  11. Das Thema ist beinahe unerschöpflich. Ich hab' bei mir "zu Hause" den Versuch einer ersten (humorvollen) Annäherung unternommen.

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