Sonntag, 5. Juni 2011

PRIVILEGIENTEST (1)

Wenn es mehr als 50 Bücher in dem Zuhause gab, indem Sie aufgewachsen sind, zählen Sie 
+2.


Wenn Sie selten oder nie daran zweifeln, liebens und begehrenwert zu sein, zählen Sie +2.


Wenn Ihre Eltern während Ihrer Kindheit arbeits- oder erwerbslos waren, zählen Sie - 3.


Wenn Sie eine Privatschule besucht haben, an einer Kinderfreizeit oder einem Jugendcamp teilgenommen haben, zählen Sie +1. Wenn zwei dieser Merkmale zutreffen, zählen Sie +2.


Wenn Sie niemals umziehen mussten, weil Sie die Miete nicht zahlen konnten, zählen Sie +2.


Wenn Sie in Ihrer Kindheit ein eigenes Zimmer hatten, zählen Sie +2.


Wenn Sie häufig als nicht-deutsch wahrgenommen werden, zählen Sie - 2.


Wenn Sie mit Schimpfworten beleidigt werden, die sich auf Ihre "Rasse", Ihr Geschlecht, Ihre Religiosität oder Ihre Schicht beziehen, zählen Sie für jedes -1.


Wenn das, was Sie sagen regelmäßig als typischer Ausdruck Ihrer Rasse, Ihres Geschlechts, Ihrer Religiosität oder Schicht wahrgenommen wird, zählen Sie jeweils - 1.


Wenn Sie an einem Ort leben, an dem Sie sich zu Hause fühlen, zählen Sie +1.


Wenn die Mehrheit der Menschen an diesem Ort der Meinung ist, dass Sie dort zu Hause sind, zählen Sie  + 2.


Wenn Sie mit Ihren Eltern Museen, Galerien, Theater oder Konzerte besucht haben, zählen Sie + 2.


Wenn es in der Regel ernst genommen wird, wenn Sie sagen: Das will ich nicht, zählen Sie +3.


(Fortsetzung und Auswertung folgt)

10 Kommentare:

  1. Gesamtergebnis ANH: 15
    (Kommt mir gegenüber den beiden Vorergebnissen aber zu hoch vor, vielleicht hab ich einen Fehler gemacht.)

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  2. @Kienspan:
    Ich scheine wirklich etwas falsch gerechnet zu haben.

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  3. @ANH Ja, das ist ein erstaunlicher Wert. Entscheidend aber ist: Sie haben wohl kaum Abzüge. Nehme ich an.

    Privilegien sind unverdiente Vorteile. Dass sie "unverdient" sind, ist aber kein (moralischer) Vorwurf. Man nimmt sie sich ja nicht, sondern hat oder bekommt sie ohne eigenes Zutun. Ich habe auch viele: weiße Mittelstandsfrau deutscher Herkunft mit Hochschulbildung. Man nimmt die eigenen selten wahr. Darum geht es bei diesem Test: Im Vergleich zu erkennen, welche Vorteile man genießt, ohne es zu bemerken. Als weißhäutige Deutsche zum Beispiel kann man lernen, dass kein dunkelhäutiger mit afrikanischen Vorfahren in unserer Gesellschaft unbeleidigt wegen seiner Herkunft bleibt. Als Mann kann man lernen, dass kaum eine Frau sagt: Ich wurde nie wegen meines Frauseins auf der Straße angepöbelt. Das erstaunt viele zunächst. Dann kommt man ins Gespräch: Was nimmst du denn als Beleidigung wahr? Wo fühlst du dich nicht ernst genommen? Manchmal muss auch der "Unterprivilegierte" vielleicht erkennen, dass die Vielzahl der Kränkungen ihn/sie überempfindlich gemacht hat. (Das kann soweit gehen, dass er/sie sich selbst über die Ausgrenzung und als Opfer identifiziert.)

    In Ihrem Fall erstaunlich (und erfreulich!) ist, finde ich, dass die soziale und finanzielle "Unterprivilegierung", die Sie faktisch als freier Schriftsteller erleben, in Ihrer Selbstwahrnehmung n i c h t zur definierenden Kränkung geworden ist. Daraus, warum das so ist, kann/könnte etwas gelernt werden, hoffe ich.

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  4. @Melusine:
    Da treffen Sie mitten ins Schwarze mit der Übersensibilisierung des "Unterprivilegierten" (Marginalisierten). Überhaupt dann, wenn dieser seine soziale Verortung durch die Gesellschaft nicht zu akzeptieren bereit ist. Würde er sich widerstandslos fügen, er ginge sang- und klanglos unter. Das Antidot heißt Desensibilisierung. Sie kann gelernt werden und ist für das Überleben entscheidend. Sie bedarf jedoch ausgiebiger Übung. (am Ende kommt es darauf an, von welchen Menschen man sich spiegeln ließ)

    @ANH:
    Glaub' ich nicht, dass Sie sich grob verrechnet hätten. Sie hatten eben gute Startbedingungen. Ich schließe mich übrigens Melusine an, die meint, dass Ihre Resilienz beispielhaft sei.

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  5. Ich komme auch auf 15. Gute Startbedingungen, ja. Mitsamt der gefühlten Verantwortung derenthalben...

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  6. Phorkyas' Ergebnis: 9+/-2
    (Da treffen Sie genau ins Schwarze, Melusine. - Hätte mich nie als so privilegiert angesehen, eher: "Bauern" mit Büchern - keine Akademiker, Bürgertum, Geld eher knapp. Aber beklagen kann und will ich mich nicht)

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  7. Es ist natürlich - wie solche Tests immer - stark vereinfachend. Im Grunde geht es darum, wie phorkyas zeigt, über sich nachzudenken und auch miteinander ins Gespräch zu kommen über "Privilegien".

    Beispiel: Ich zählte -3, weil mein Vater in meiner Kindheit arbeitlos wurde. Arbeitslosigkeit, zeigen viele Studien, ist für die meisten Menschen ein ähnlich schwerer Einschnitt wie Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod, eine Trennung/Scheidung, ein ungewollter Umzug. Aber: es kommt natürlich auf die Umstände an. Mein Vater wurde nicht langzeitarbeitslos. Eine große Familie fing ihn (und uns) auf, auch finanziell. Die Beziehung meiner Eltern ist keine Versorgungsehe. Dennoch: Der Preis, den mein Vater zahlte, war hoch. Das habe ich erst viele Jahre später im ganzen Umfang verstanden. Er fand nie wieder eine Arbeit, die ihn in gleicher Weise interessierte und begeisterte, auch wenn er später mehr verdiente.

    All diese konkreten Umstände, die mildernd oder verschärfend wirken können, gehen in so einen Test nicht ein.

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