Samstag, 30. Juli 2011

MEIN PLATZ


Das ganze Doppelleben passt auf 11qm. Natürlich nicht! Es darf  gar kein Lebewesen an diesem Ort untergebracht werden. Gleichfalls verboten: unrechtmäßig erworbene Gegenstände, illegale Substanzen, Schuß- und Stichwaffen, biochemische und radioaktive Stoffe, alles was Geruch oder Rauch absondert sowie der Aufenthalt nach 22.00 Uhr, der einen Alarm auslöst, für dessen nicht unerhebliche Kosten der Verursacher aufkommen muss.

„Der Code - wie war noch mal der Code?“ Ohne Zahlenkombination geht die Schranke nicht hoch. „Mach bloß keinen Scheiß jetzt.“ „Der Display ist defekt“, steht da handschriftlich, „aber der Code funktioniert.“ „Oh Mann, das weckt Vertrauen.“  „Wenn wir reinkommen, aber nicht wieder raus....“ „Mach´ dich mal locker.“ Leicht gesagt. Früher war das mal eine Polizeiwache hier. Überall Kameraaugen. Geschlossene blaulackierte Türen (ausgerechnet blau) den ganzen Flur lang. An jeder ein Vorhängeschloss. „Möchte wissen, was hinter diesen Türen ist...“ Leise säuselt Musik aus den unsichtbaren Lautsprechern. Wer hierher kommt, muss besänftigt werden. „Mach hinne.“ Alles unter Verschluss. Sicher ist sicher. "Für einen Euro pro Tag bekommst du nur ein Loch." Die 11qm kosten 240 €. "Im Monat?" "Na dann, nicht. Ich dachte schon, ich ziehe ein." "Keine Lebewesen! Schon vergessen?" Er zieht einen Flunsch. „Deine Store-Story ist 100 € wert.“ „Aber nur, wenn du auch die Fernsehrechte verkaufst.“

***

Ich schenke Ihnen stattdessen ein Buch, wenn Sie mir eine Geschichte erzählen, die an diesem Ort spielt.

8 Kommentare:

  1. aber das ist jetzt wirklich verrueckt!!! ich bin platt, liebe Melusine.
    ich habe den halben tag nach dieser art von oertlichkeit aus privaten gruenden, in einem anderen ort zwar, recherchiert.
    lg
    irisnebel

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  2. Jep! Schrill. Man erwartet Leichen in Teppiche gerollt. Geht alles rein. Und raus. Nach zehn ist Schluss. ALARM! Erwischt! Die Spannung steigt. Alle hin und weg....

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  3. versammelte schicksale/lebensgeschichten in jeder dieser buchten... auf engstem raum. merkwuerdig still, erinnert an ein leichenschauhaus.

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  4. ... oder an eine wartehalle, einen bahnhof, einen dachboden... voll von geschichten.

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  5. ja, stimmt. ich glaube, deshalb lassen sie diese merkwürdig säuselnde kaufhausmusik durch die lautsprecher klingen, um diesem eindruck entgegen zu wirken. aber gerade dadurch wird es noch surrealer. und unheimlich: es ist l e e r und doch - hinter jeder verschlossenen tür - ganz v o l l. und a l l e s wird videoüberwacht. du bist ganz allein und völlig ausgeliefert. als wir aus versehen den falschen knopf im fahrstuhl drückten, sagte eine, verdammt, landen wir jetzt in der etage, wo sie die organe entnehmen?

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  6. Ich liebe solche Ort; es sind die einzigen, wo es sich noch aushalten läßt: une saison en enfer.

    Nichts ist gefährlicher als ein leerer Parkplatz zur Mittagszeit, so oder ähnlich formulierte es Raymond Chandler

    Von dem Ethnologen Marcel Augé gibt es ein Buch, das heißt "Nichtorte". Möglicherweise stelle ich es demnächst auf meinem Blog vor. Es handelt von genau solchen Plätzen/Gebäuden wie Flughafenhallen, Internierungslagern, Shopping-Malls.

    Was für ein Buch gibt es denn geschenkt, wenn ich eine Geschichte schriebe? Um mal vorab zu sehen, ob sich die Mühe des Schreibens lohnt. Ich bin schließlich knallharter Materialist. Die Geschichte wird entweder eine Adorno-Anekdote oder aber ein schönes Melodram, wie es das Leben schreibt. Ich weiß noch nicht. Aber vielleicht habe ich morgen bereits wieder die Lust an einer Geschichte verloren. Ich bin leider sehr sprunghaft und unstet.

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  7. Materialisten sind sehr vertrauenerweckend. Bei ihnen weiß man wenigstens genau, worum´s geht. Trotzdem liebe ich Melodramen, schöne am meisten. (Aber ich verzichte auch nur ungern auf die Adorno-Anekdote).

    Zuerst habe ich (ich bin eben auch Materialistin) nur Bücher zum Gewinn ausschreiben wollen, die mich selbst öden und also angelesen in einwandfreiem äußerem Zustand hier rumliegen. Dann aber hat mich das Gewissen geplagt. Jetzt ziehe ich es doch vor, mit diesem Preisausschreiben eine Autorin und einen Autor bekannt zu machen, die meiner Meinung nach v i e l zu wenig gelesen werden Ivy Compton-Burnett und Ford Madox Ford. Du kannst also wählen: "Men and Women" oder "'The good soldier"(zu Deutsch: Die allertraurigste Geschichte).

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  8. Ich kenne beide Autoren nicht, was daran liegt, daß ich, bis auf ein paar Standards, in der englischen Literatur zu wenig gelesen habe. Ich halte es eher mit den Amerikanern.

    Ich will mal schauen, ob und was ich schreibe. Das liegt dann auch an dem Wein, denn ich mir dazu aufmachen werde.

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