Donnerstag, 14. Juli 2011

Reisejournal Rom (7): HABEMUS DELITIAS


Wir haben sie gesehen, die Gewaltorgien, an denen sich seit  Jahrhunderten in Rom der Klerus delektiert.  Amazing war  aufmerksam wie ich: „Mit diesem Schritt also betreten wir den katholischen Boden. Bestimmt werden meine Füße brennen.“ Aber ich spürte nichts. Den Petersplatz beherrschte das riesige Konterfei des Seligen Johannes Pauls.  Nein, vor dem wundergläubigen Polen fürchte ich mich nicht.

Ich habe zuviel Frascati getrunken, schon jetzt, noch vor neun Uhr abens. Wir sprachen beim Abendessen über die unterschiedlichen Trinkgewohnheiten der Völker. Morels Italienischlehrerin wunderte sich über das Saufgehabe der Deutschen. Darüber kann niemand besser Auskunft geben als Norbert Elias. Vor der Engelsburg forderte man uns auf „gegen Drogen“ zu unterzeichnen. Das lehnten wir ab. Jede Generation und jede Gruppierung braucht ihre eigenen Drogen. Das ist doch klar. Keine Ahnung, allerdings, wie der Petersdom und die Vatikanischen Museum unter Dope ausgeschaut hätten. (In Amsterdam explodierte Rembrandt, dem ich zu Füßen lag. Das ist zwei Jahrzehnte her.) Es war auch so schon krass genug. „Mannomann, was für eine Pracht, da mussten einige Ablassbriefe zusammen kommen.“ „Ich habe was gegen Luther und seinen Fanatismus.“, sagte Morel schon gestern. Meine reformierte Seele dagegen versteht die Abscheu des deutschen Mönchs gegen die Prunkherrschaft – und schämt sich für deren Kleinlichkeit, selbstverständlich (auch).

Sie haben alles. Das kann der nordische Kleingeist nicht leugnen. Das erschlägt eine, während sie sich durch die vatikanischen Kammern schlägt. Hallelujah! Das ist gigantisch. Welche Schätze! Statuen, vor denen man in die Knie gehen mag. Fantastische Fabelwesen, die hingestreckte Schönheit des Raubtiers in Stein, muskulöse Torsi, alles, was das Auge des homophilen Geschmacks erfreuen kann, dann Frauen, die sich ergeben, hingerissen, vergewaltigt, faszinierende Gemetzel, wohin das Auge sieht: schöne Kadaver. Man ist begeistert. Oh süßer Tod! So geht das hin und fort. Eine Augen-Weide. Oh, waide mich, mein Jäger! Bis hin zur sixtinischen Kapelle. Wo Disney-Tours regiert. Das Massen-Reglement klatscht in die Hände. „Down stairs. Down stairs“, treibt es die Herde. Ich zähle 17 geführte Touren, dann gebe ich auf. Das jüngste Gericht wird abgehalten. Das ist gigantisch. Niemand kann das verleugnen. Adam reicht niemals an Gott. Doch Michelangelo hat ihn gebildet. Da kommt ihr nicht mehr raus. „Du sollst dir kein Bild machen.“ Er hat euch erwischt und gerichtet. Hier. Mir stockt der Atem. Wie immer eingezwängt in Menschenmassen empfinde ich Ohnmacht und Wut. Jetzt ein Desaster entfachen. Raus. Nach der Sixtinischen Kapelle fühle ich mich wie geduscht. So erfrischt und hell. Alles überstanden. Ein großes Eis (Melone, Erdbeere) nehme ich zum Nachtisch.


Habemus Delitias. Durch die Gassen eilen die Würdenträger. Zu meinem Bedauern wehen keine buntenKutten. Sie tragen dunkle Hosen und sind nur am Beffchen erkennbar. In ihrer Mitten ein weltlicher Top-Entscheider, den sie beschwatzen. So habe ich mir das gedacht. Jede mag es, wenn ihre Klischees bestätigt werden. Wir schlenderten zurück durch die Via Guilia, wo Ingeborg Bachmann verbrannte. Das wird mir nicht geschehen. Ich rauche nicht. Nie. Selbst Dope habe ich auf andern Wegen konsumiert. Damals. Lange her. Verjährt. Sonst schriebe ich ja nicht drüber. Man braucht das nicht. Hier. Viel zu viel. Es sollen immer noch Angebote unterbreitet werden zur Rettung der Seelen. Ich mache keins. Zero Euro. In der Hölle ist´s spannender als unter dem lichten Himmel, schätze ich.

(Dieser Post ist - aus ihm bekannten Gründen - Guido Rohm gewidmet. Guido, ich habe überlebt, doch ich bin geschlagen!)

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