Verschwörungstheorien
Was steckt wirklich dahinter? Hat Bettina Wulff Katja Kessler beiseite genommen und im Vertrauen gefragt, wie sich Sex mit einem künstlich verlängerten Penis anfühlt? Steht Kai Dieckmann bei den Betreibern der rechtsnationalistischen und islamfeindlichen Seite P. I. in der Schuld und hat ihnen zugesichert: „Den Türkenfreund schaff ich weg.“? Oder plant Angela Merkel den Coup, eine gutaussehende und weniger peinliche Frau (wie z.B. Petra Roth) ins Präsidentenamt zu hieven, um von Alice Schwarzer unterstützt in den nächsten Wahlkampf zu starten? Soll - abwegigste Variante - Kai Dieckmann als „seriöser“ Journalist etabliert werden, um den SPIEGEL zu übernehmen? Keine Verschwörungstheorie ist zu blöd, um sie komplett auszuschließen. Das ist, leider, keine Comedy-Show. Denn es ist doch ein bisschen traurig, dass Dummheit und Dreistigkeit keine Ausschlusskriterien sind, um in die höchsten Ämter und Funktionen aufzusteigen, sondern Voraussetzungen.
Geld
ist: ein Schuldschein auf die Zukunft, also eine ziemlich unsichere Sache. (Komisch deshalb, dass viele glauben, sich mit Geld Sicherheit kaufen zu können). Und: Ein Tauschmittel ohne Gebrauchswert, also schnellstens los zu werden. Schön, wenn man welches hat, um sich die zweite Flasche Wein zu gönnen. Oder ein gut abgehangenes Steak. Feinsten Käse aus Wales. Ein Kleid von Gabriele Strehle (Second hand). Schön. Weniger schön, wenn man „Freundschaften“ vor allem pflegt, weil sie "geldwert" sind. Wenn man sich selbst aber so wenig wert ist, dass man sich um des Geldes willen abhängig macht und erniedrigt. Unser Haushaltsnettoeinkommen liegt deutlich über dem landestypischen Durchschnitt. Ich erziele meinen Anteil daran durch eine Arbeit, die mir (meistens) Freude bereitet und die ich als sinnvoll betrachte. Dass sie so gut bezahlt wird (Hallo, Kollegen; ich weiß, das seht ihr anders!), ist ein – für mich – glücklicher Zufall. Kein Grund, zu glauben, das hätte ich "verdient". Auch kein Grund jedoch, finde ich, ein schlechtes Gewissen zu haben.
Geistiges Eigentum
„There´s no such thing as a free lunch.“, sagt der Angelsachse und recht hat er. Wer Eigentum reklamiert, muss unternehmerisch denken. Was du hast, musst du risikieren. Heutzutage gerieren sich im Abwehrkampf gegen die Open-Source-Philosophie die großen Verlagshäuser als Verteidiger der Kreativen. Sie kämpfen um etwas, das sie „Leistungsschutzrechte“ nennen, mit relativ guten Erfolgsaussichten bei den etablierten und weniger etablierten Parteien. Dass Unternehmer seit je im Kapitalismus nur solange liberal denken, solange es nicht um Privilegien, Subventionen und Schutzrechte für die eigene Branche geht, ist nix Neues. Deprimierend ist allerdings, wieviele Künstler:innen auf die Propaganda der Kulturindustrie hereinfallen, ohne sich der Selbstwidersprüche bewusst zu werden, in die sie sich verwickeln: Sie orientieren sich künstlerisch - selbstverständlich! - nicht am Markt, aber beschweren sich, wenn ihre Produkte nicht genügend beworben und platziert werden. Sie nehmen keine Aufträge an, denn sie sind autonom, wollen aber für die "Leistung", um die sie keiner gebeten hat, "angemessen" gewürdigt und bezahlt werden. Als William Hogarth im 18. Jahrhundert um den Hogarth Act kämpfte und damit die Idee des "geistigen Eigentums" etablierte, tat er dies selbstverständlich als Unternehmer. Das könnten Künstler:innen und Autor:innen mit wesentlich geringerem finanziellem Risiko heute auch sein, da die Investitionskosten in die Produktionsmittel durch die neuen Medien gesunken sind. Doch die schmallippigen Geldverächter und zartbesaiteten Kunstsinnigen, die über ihre Enteignung lamentieren, wollen das nicht. Sie verstecken sich lieber hinter dem Verleger, den sie selbst allerdings nur zu oft als den Mäzen, der er eigentlich ist, nicht angemessen würdigen.
Gehalt
Ich habe viele Bücher, die ich im vergangenen Jahr angefangen habe zu lesen, nach wenigen Seiten weggelegt. Früher, als jugendliche Autodidaktin in der evangelischen Gemeindebücherei, las ich mich mit Todesverachtung von A-Z durch, egal wie groß die Langeweile war. Heute bin ich ungeduldiger und respektloser. Das halbe Leben ist rum (mindestens), was mich nicht packen kann, wird zugeklappt und entsorgt. Vielleicht, denke ich, resultiert der Mangel an Gehalt (nicht Gehältern) bisweilen auch aus einem Mangel an Lebenerfahrung und -schmerz außerhalb des sogenannten "Literaturbetriebs". Man kreist um sich selbst und seine Befindlichkeit, inszeniert stilistisch aufwändig und mit viel intertextuellem Bezug halbgare Gefühle und laue Selbststilisierungen. Das ist natürlich ungerecht verallgemeinernd - und wahrscheinlich kein Phänomen der allerjüngsten Zeit. Mich interessiert: Liebe, Leid, Schmerz, Gewalt, Freude, Hoffnung, Trauer, Angst, Tod. Dass jene darüber spannender singen, schreiben, malen können, die ein Leben und Lieben jenseits der Texte haben, davon gehe ich – wahrscheinlich etwas schlicht - aus. Ich denke immer daran, wie Jane Austen ihr Schreibheft unter einer Stickerei verborgen hat, wenn Besuch kam, dass Franz Kafka jeden Morgen zur „Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt“ ging und Alice Munro die Windeln ihrer Töchter gewaschen hat, bevor sie sich hinsetzte, um eine Zeile zu schreiben.
Gesprächskultur
„Klare Meinungen hat er“, sagt Morel über Amazing, den fast Volljährigen. Das ist anerkennend gemeint. Das Gequatsche der Geisteswissenschaflter, die seine (Noch-) Erziehungsberechtigten sind, geht ihm nicht selten auf die Nerven. Worüber man redet, belehrt er uns: Sinnlos sind Gespräche über Gefühle und Gedanken. Man spricht über Taten. Was du gemacht hast. Erzähl dein Leben. Voraussetzung: Leb was. Sei komisch. Schrill. Derb. Interessant. Was auch geht: Sprich über das, was du augenblicklich tust. Das ist nicht unbedingt redundant; denn es ergibt sich enormes Steigerungspotential: „Go! Sau! Goooooo!“ Außerdem immer drin: Über das reden, was du demnächst tun willst. Projekte und Projektionen. Wer nix macht, ist machtlos. "Ganz genau! Sinnlos!“, sagt der junge Mann, dessen von Barney Stinson übernommener Wahlspruch ist: „When I´m sad I stop being sad and start being awesome.“ Mein Sohn fällt weit vom Stamm. Oder auch nicht. Denn mein Wahlspruch ist: Weiter geht´s. Ohne Handlung und Handeln ist alles nix.
Faxen. Machen. Realistisch. Kryptisch. Phantastisch. Los!
"Vielleicht, denke ich, resultiert der Mangel an Gehalt (nicht Gehältern) bisweilen auch aus einem Mangel an Lebenerfahrung und -schmerz außerhalb des sogenannten "Literaturbetriebs". Man kreist um sich selbst und seine Befindlichkeit, inszeniert stilistisch aufwändig und mit viel intertextuellem Bezug halbgare Gefühle und laue Selbststilisierungen. Das ist natürlich ungerecht verallgemeinernd - und wahrscheinlich kein Phänomen der allerjüngsten Zeit. Mich interessiert: Liebe, Leid, Schmerz, Gewalt, Freude, Hoffnung, Trauer, Angst, Tod. Dass jene darüber spannender singen, schreiben, malen können, die ein Leben und Lieben jenseits der Texte haben, davon gehe ich – wahrscheinlich etwas schlicht - aus. Ich denke immer daran, wie Jane Austen ihr Schreibheft unter einer Stickerei verborgen hat, wenn Besuch kam, dass Franz Kafka jeden Morgen zur „Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt“ ging und Alice Munro die Windeln ihrer Töchter gewaschen hat, bevor sie sich hinsetzte, um eine Zeile zu schreiben."
AntwortenLöschenno need to excuse. Ich sehe das genau so, empfinde diese Art von Argumentation auch nirgends als "zu einfach". Natürlich geht es letztlich immer um das Werk - egal, ob da nun gefickt und gesoffen wurde wie Bolle oder ob das Intertextualitätsseminar brav abgesessen ward. Aber "Unter dem Vulkan" von einem oder einer Absolventin aus Leipzig ist nur schwer vorstellbar.
Freut mich schon, dies Einverständnis, ehrlich!
AntwortenLöschen"Unter dem Vulkan" muss ich jetzt endlich auch mal lesen. BenHuRum ( liest es schon ewig und immer wieder, Parallelie (in der Blog-Roll) ist gerade dran! Ich werd mal nachschauen, ob ich mir das aufs Kindle laden kann.
Spannender Blog, der Ihre. Freue mich aufs Stöbern dort!