Mittwoch, 15. Februar 2012

PUNK PYGMALION (24): Mongrels on either side

Fortsetzung des Brief- und Blogromans: PUNK PYGMALION (hier:)


„Hey did you find the pieces your mentor left behind? and did you care, did you trade his genius for your despair? did you walk the line? did you see the mongrels on either side? did greasy fingers grasp for pieces of your mind?“

So beginnt der rough guy einen wirren Brief. Er hat nicht einmal eine Anrede, kein „liebe Emmi“, kein „min kaere pige“. „Your mentor“ – beim ersten Lesen hörte ich wieder seine Anmaßung heraus, diese höhnische Art mit der er Emmi führte. Aber der Mentor ist in Stücke geschlagen. Schon zuvor hatte Ansgar in den Briefen Drogenexzesse und Sexorgien erwähnt, denen er sich bei Barcelona in einer Mischung aus Lust, Wahn und Verzweiflung hingab. Er machte Emmi keine Versprechungen mehr, nie mehr ist in den letzten Briefen die Rede von einem gemeinsamen Leben, von einer Zukunft als Künstlerpaar in irgendeiner Landkommune, gar von Kindern. Dennoch entfachte er ein Feuer für sie, indem er heiß sein Begehren darstellte, das in ihrer Abwesenheit irre Züge annahm, sich geil auf jede Vereinigung einließ, die sich bot, den eigenen malträtierten Leib wie ein Opfer darbietend. Sie musste kommen, sonst würde er sich zu Tode saufen, spritzen, ficken. Das ungefähr ist der Refrain dieser Briefe. „Did you care?“ - auch darum geht es immer wieder: Was bedeutet er ihr, kümmert es sie, wie er am Boden kriecht, sich nach ihr streckend, hat sie ihn verraten? In seiner Phantasie scheint ihm Emmi wie eine Statue unbewegt auf sein Verhängnis zu ihren Füßen zu schauen, ruhig, kalt, verloren. „Did you see the mongrels on the other side?“ Er selbst, so liest sich das, ist das Gespenst, das mit schmierigen Fingern nach Emmis Seele greift. Ein Untoter, der sich in Sehnsucht nach ihr verzehrt. Sie muss kommen.

Soweit kann ich aus den Briefen lesen, was vielleicht in seinem zugekifften Gehirn vorgegangen ist im Sommer 1984 in seiner Hütte bei Barcelona. Ich meine sogar, dass ich den Sog spüre, der trotz des Ekels, den seine gierigen Worte auslösen, von diesen Briefen ausgeht. Die Gewaltsamkeit, mit der er sie herbei haben will , sich auf sie stürzen, ihr die Kleider vom Leib reißen und in sie eindringen, wie er sich vorstellt, ihre Körper mit Stricken zu verbinden, sie mit bissigen Küssen sich einzuverleiben, an sie gefesselt zu ersticken. Sie ist ihm ALLES und sie gehört ihm. Es ist schrecklich und dennoch fühle ich nach, dass sie zu ihm fahren musste. Er schafft  mit seiner bedingungslosen Sucht nach ihr einen ausweglosen, widerwärtigen und faszinierenden Zwang. Sie  muss kommen.

Ich bin sicher, dass sie hingefahren ist. Und dann? Seit Dezember habe ich nichts mehr von Emmi gehört. Warum sorge ich mich weniger um sie als im letzten Herbst? Seit Monaten gibt es kein Lebenszeichen von ihr. Immerhin wird der Junge nicht vermisst, der junge Mann, meine ich, Lars P., den sie sich zum Widergänger des rough guys gebildet hatte. Ich habe sie enttäuscht; ich habe mir Zeit gelassen und noch immer nicht alle Briefe Ansgars im Blog eingestellt. Sie drängt nicht mehr. Es scheint gleichgültig geworden zu sein. Kein Happy End für Emmi. Warum bin ich so ruhig, wenn ich das schreibe? Ich habe sie aufgegeben. Sie wird nicht mehr da sein, wenn ich sie finde. So oder so. Dennoch werde ich sie finden. 

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