Ein Beitrag von Morel
Vorwort
Quelle: www.sukultur.de |
Das Museum in der Moderne
Als
kleine Hommage an diese ironische Feier unser musealisierten Eventkultur hier
nun die Erinnerung an eine Zeit, als das Museum noch der Feind war und nicht in
Sonderbeilagen abgefeiert wurde. Das Museum passte zunächst überhaupt nicht zu
den Medien der Moderne, die immer die Gegenwart aufzeichnen möchten. Aber die
Paradoxa gehören auch zur Moderne und als ihr Anderes hat sie das Museum, wie
schon der Philosoph Hermann Lübbe noch vor seiner eigenen Musealisierung leicht
beunruhigt feststellen musste, gerne immer an die Brust gedrückt. Es folgen
jetzt exklusiv fünf der schönsten Museumsszenen in der Geschichte des Films,
der ja einzig originären Kunstform der Moderne.
1. Bande a part, Louvre, Paris
Quelle: www.kineticframes.com |
2. Bringing up baby, Naturkundemuseum
Quelle: www.boston.com (Film at the museum) |
3. Vertigo, California Palace of the Legion of Honor, San
Francisco
Quelle: www.bonniematildapryce.blogspot.com |
In
dieser Studie über Nekrophilie und Depression wird zumindest eine im Museum
porträtierte Tote lebendig (und das ist natürlich ein genretypischer Spaß für
unzählige Horrorfilme und zuletzt die nette Komödie Night at the Museum). Der
Privatdetektiv, James Stewart als Scottie, verfolgt Madeleine (Kim Novak) im
Auftrag ihres Mannes. Als Beobachter zweiter Ordnung betrachtet er sie, wie sie
sich in das Porträt of Carlotta versenkt, der sie vermeintlich, so folgert der
eher schwerfällige Detektiv später, in den selbst gewählten Untergang
nachfolgen will. Das Museum ist hier ein Ort des Übergangs: in eine Welt der
Illusionen und des Todes. Das Porträt von Carlotta wird den Detektiv in seine
Träume verfolgen. Aber Hitchcock ist kein Romantiker und so werden im zweiten
Teil des Films alle Uneindeutigkeiten wie Sümpfe trocken gelegt. Die Ruinen
sind, wie in einem perfekten englischen Garten, eben mit Absicht ruiniert
worden. Nur das Porträt of Carlotta scheint unheimlicher Weise aus dem Museum
in San Francisco verschwunden zu sein.
4. Dressed to kill, Metropolitan Museum of Art, New York /
Philadelphia Museum of Art, Philadelphia
Quelle: www.selfstyledsiren.blogspot.com |
Die
Mutter aller Museumsszenen, von Brian de Palma, immer noch, wie manche
Schriftsteller unserer Tage, als bloßer Epigone geschmäht, der nichts anderes
geleistet habe, als in tausenden von Zitaten Hitchcock zu verhackstücken. Die
ersten zehn Minuten dieses Films, wenn Angie Dickinson und der mysteriöse
Fremde sich gegenseitig durch das Museum verfolgen, machen sich auf böse Art
lustig über die Vorstellung von Triebsublimierung durch Kunstgenuss. Damit ist es
dann schon beim spontanen Sex im Taxi vorbei(auch so eine Lieblings-Männerphantasie
von Hitchcock, die De Palma wiederholt und kritisch bricht). Aber das Archiv
der im Museum gespeicherten Bilder wird von ihm eben auch produktiv genutzt.
Nur von außen ist es im Übrigen das Metropolitan, die Innenszenen wurden im Philadelphia Museum of Art gedreht, das der Regisseur aus
seiner Jugend kannte. Und vielleicht lernte er da, die Bilder nicht als
bildungsbürgerliche Endstation sondern als Material zu begreifen.
5. Les deux anglaises et le
continent, Musée Rodin, Paris
Quelle: www.danzon2008.blogspot.com |
Während
in den meisten bisher genannten Filmen das Museum verlassen werden muss, wenn
man leben möchte (oder wenigstens guten Sex haben, bevor man stirbt), ist es für
die Melancholie Truffauts der Fluchtpunkt auf den alle Linien zulaufen. Das
Museum ist hier ein Ort der Erinnerung, in dem das was einmal lebendig war,
noch einmal aufblitzt, bevor es als Meisterwerk endgültig erstarrt. In einer der schönsten
Schlussszenen in Truffauts Werk geht Claude, nachdem er die Chancen auf Liebe,
die das Leben ihm gleich mehrfach eröffnet hatte, nicht nutzen konnte oder
wollte, in Erinnerung an die Bildhauerin Ann in das Musée Rodin. Das was einmal
umstrittene Provokation war, sind inzwischen gedankenlos gefeierte Meisterwerke
(die dann auch Kulisse sind für die Angebereien des überheblichen Paul in Woody
Allens letztem Film). Zwischen den Statuen (die Claude an ein Spiel erinnern,
das er mit den beiden Engländerinnen gespielt hat: auf ein Zeichen mussten sie
in ihren Bewegungen still halten), bemerkt er eine Gruppe junger Mädchen. Eines
der Kinder erinnert ihn an Muriel, die Schwester Anns. Zum Schluss bemerkt
Claude, dass er heute alt geworden sei. Während die Kinder sich nicht still
stellen lassen, bleiben ihm nur Skulpturen, angehaltene, eingefrorene Momente
eines Lebens, das ihm entglitten ist. Auch wenn dieser Film in seinen Kostümen
und Farben nostalgisch anmutet – nichts lag Truffaut ferner.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen