23:55 Uhr
Der
Tag war lang.
Spannende
junge Menschen voller Geschichten: Oma im XXL-Bikini, Siebenjährige, die mit
dem Motorrad über Trabants fliegen, Furzsprayer in Mannheim und LKW-Fahrer in Bratislava,
Schneeballschlacht vorm Wohnmobil, Sommer vorm Balkon. Jedes Leben kann ein
Roman sein; nein, in jedem Tag – oder Nachttraum des Lebens schlummert ein
Roman, in jeder flüchtigen Begegnung vor dem Kaffeeautomaten und in jeder
weggeworfenen Drogerieabrechnung. Doch um sie zu erzählen, braucht es Zeit und
Phantasie. Fakten, Fakten, Fakten
bringen noch kein Kopfkino zum Laufen. Wo stecken die Gefühle, die uns orientieren? Zu sehen: Wie der Schatten des Zehn-Meter-Bretts
auf die Oma fällt. Zu hören: Welcher Ostzonen-Schlager aus den Boxen dröhnt.
Zu riechen: Ob das Spray ganz wie der echte Böller mit Blumenkohl und
Fleischbeilage stinkt. Zu fühlen: Ob ein Krieg aus Liebe geführt wird und wie
die Sonne auf die Verwundeten scheint. Das braucht Zeit und Phantasie. Weil die
Wirklichkeit erst im Traum wahr wird.
Später
ging es ins Café Karin zum Treffen mit einem Herrn, dessen Name hier nicht
genannt werden soll, der aber weder Voldemort ist, noch der Herr S., dessen Name hier gleichfalls nie genannt werden soll; auch soll der Name dieses Herrn
nicht deshalb nicht genannt werden, weil er unaussprechlich wäre oder unerträglich, sondern allein weil angenommen wird, dass jener Herr, von dem
hier die Rede beziehungsweise nicht die Rede ist, keinen Wert auf Öffentlichkeit legt und sei es auch nur einer so winzigen Öffentlichkeit wie
dieses Blogs. Obwohl also der Name dieses Herrn nicht genannt werden soll, kann
gesagt werden, dass es ihm gelang, von diesem seinem ungenannten Namen an diesem
Nachmittag die Flecken zu entfernen, die eine nicht abgetragene, eine lang
verleugnete Ehrenschuld auf diesem Namen hinterlassen hatten. Der ungenannte
Name ist also wieder reingewaschen und auch der Herr selbst wirkte durchaus
gewaschen und voller Geschichten, worunter besonders eine Potential hatte, in
der eine Dame auf mysteriöse Weise
verschwand, die Orchideen liebte und einmal wöchentlich einen Großeinsatz der
Feuerwehr auslöste. Doch auch die Erzählung dieser Geschichte braucht Zeit und
Phantasie, denn in der wirklichen Wirklichkeit ist es ja so, wie der Herr ganz
zutreffend sagte: „Es gibt vieles, was man gar nicht wissen will.“
Meine
Zeit und Phantasie, die verbleiben, wenn Geld scheffeln und Herrentreffen und
Damenkränzchen erledigt sind, widme ich gegenwärtig der Um- und Überschreibung
des Kapitels „Der letzte Brief“ aus PUNK PYGMALION, die notwendig wurde, weil
Lobster/Lu schrieb: „Du bist kein Punk“, womit er recht hatte, allerdings nur
insofern hier keine Verwechslung vorliegt zwischen der Blogherausgeberin der „Gleisbauarbeiten“
und der Ich-Erzählerin von PUNK PYGMALION, die sich als Blogherausgeberin der „Gleisbauarbeiten“
ausgibt. Beide allerdings, die und DIE, sind kein PUNK und auch der An- oder
Vorwurf der „verschämten Sexualität“ beziehungsweise der Drogen-Abstinenz kann
nicht von der Hand gewiesen und soll nicht ignoriert werden. Wo es um Wunden
geht, werden wunde Punkte nicht verschwiegen. Lu sei Dank!
Es
ist spät – die Wunde versorgt und desinfiziert, so soll sie offen bleiben, bis
sich ein Schorf von Erzählung bildet über ihr; jener Schorf, der aus der Lüge
stammt, deren sie bedarf: „Was wir miteinander hatten, war immer schon Erinnerung.
Guten Morgen!
AntwortenLöschenIch musste schwer lächeln, als ich eben Ihren Absatz las zu unseren Geschichtenerzählern. Hab' eben auch bei mir darüber geschrieben, allerdings eher unwirsch im Ton, weil ... nu' ja. Aus gegebenem Anlass.
Doch kaum lese ich Ihre Worte, möchte ich meine drüben wieder einstampfen und neu anfangen zu erzählen, freundlicher diesmal. Vielleicht tu' ich's! : )
Ebenfalls guten Morgen!
AntwortenLöschenUnd im Anklang an meinen gestrigen Text, Deinen Kommentar dazu und dann diesen Text: Der Erzählton am Abend eines Tages ist ein anderer (oder kann es sein), ähnlich dem am Abend/ Nachmittag eines Lebens. Dank guter Wundversorgung.
@Phyllis - nicht einstampfen! Ich finde Ihren Beitrag zutreffend! Und wirklich selten und bemerkenswert ist es, wenn Zusammenarbeit so einfach und gut geht. Danke dafür. Es stimmt ja, dass mit Kitsch und Zukleistern oder einer dummen Identifikation, die keine ist, niemandem geholfen ist, ja sogar, dass die Idee "helfen" zu wollen oder zu können an sich wohl verfehlt ist. Sie haben etwas Schönes gesagt, was ich mir merke: "Sie sollen mit schönem Erleben, mit Erfolgen gefüllt werden." Das ist es! Mehr geht nicht und es ist auch nie genug. Kein Grund es für weniger zu halten, als es ist.
AntwortenLöschen@Iris Ja, es ist so wenig, was den Ton ändert, das Licht - und ALLES ist plötzlich anders. Draußen wird´s Frühling; mal sehe ich die Kirschblüten und mal die erfrorenen Zweige der Rosenstöcke - und wie oft weiß ich nicht, was es ausmacht, von welchem Grunde her meine Stimmung und die ganze Gestimmtheit aller Beziehungen, die ich unterhalte, trüb oder hell ist.
Worüber ich mich riesig freue: Wie der Bücherblogger über PUNK PYGMALION schreibt!
AntwortenLöschenBücherblogger: "Le jeune fille et la mort" und PUNK PYMALION