Nie
mehr 2. Liga.
Das sollte ein Fest werden heute. Doch die uninspiriert spielende
Mannschaft machte den Fans einen Strich durch die Rechnung. Die von der Nordwestkurve organisierte Choreographie (ich bin ganz unten links in der 4. Reihe) und das Freigetränk waren noch das
Beste am heutigen Nachmittag. Außerdem auch ein Grund zur Freude: Caio lief zum
letzten Mal im Eintracht-Trikot auf den Platz. Die Enttäuschung, die uns dieser
phlegmatische Brasilianer bereitet hat, sitzt tief. Sicher, mein Bruder, der
übers Netz sogar die brasilianischen Ligen covert, hatte gleich gesagt: Das ist
keiner! Aber Bernd Hölzenbein war doch begeistert. (Als Scout hat er einfach kein Auge und kein Händchen. Muss
man leider- bei aller Sympathie für den bodenständigen Äppler-Trinker – sagen.)
Im Stadion klang das ja zunächst ziemlich gut: Cai –OOOOOO. Aber da kam nie nix.
Auch heute wurde sichtbar: Dieser Mannschaft fehlt einer, der nicht aufsteckt.
Nachdem die 60er schnell mit zwei laxen Toren in Führung gegangen waren, war
keiner da, der sich der Niederlage entgegen stemmte, keiner der es sich zur
Aufgabe gemacht hätte, 50 000 feierfreudigen Fans eine Vorlage für ein schönes
Fest zu bieten. Ich vermisste Amanatidis. Stimmt, auch er hatte zuletzt keine
überzeugenden Leistungen geboten. Aber wenn er auf dem Platz stand, hatte man
immerhin das Gefühl: Da will einer noch was. Mindestens den Ehren-Treffer.
Selbst dazu aber reichte es bei dieser Mannschaft nicht. Mit dem tristen
Nachmittag versöhnte mich einzig mein zauberhafter Neffe, der mit lauter
Piepsstimme: SCHIEBER, SCHIEBER rief und mit einer Pappröhre auf den
gegnerischen Torwart zielte, um ihn „wegzuschießen“. „Nächste Saison“, tröstete
mich Neffe G., „holen wir Messi.“ Na dann!
In
der Sonntags-FAZ wird auf der Wirtschaftseite eine Umfrage zitiert, nach der sich
das Image von Schüler:innen deutlich verbessert hat. Immer mehr Erwachsene
halten die armen Eleven für überlastet und immer weniger glauben, dass sie zu
wenig leisten. Die seit Jahren vom großbürgerlichen Feuilleton betriebene Anti-G8-Propaganda erfüllt offenbar ihren Zweck. Da ich zwei
G8-Gymnasiasten groß (sehr groß!) gezogen habe (einer macht gerade Abitur, der
zweite ist im ersten Jahr der Oberstufe), erlaube ich mir dazu eine eigene, empirisch fundierte Meinung.
Meiner Herrschaften hier wirken nicht sehr gestresst. Auch ein Mangel an
Freizeit ist kaum zu beklagen, hätte sich doch ansonsten die Anschaffung einer
X-Box kaum so schnell amortisiert. Unter der Woche ist es dem Älteren möglich
gewesen bis kurz vor den Abitur-Prüfungen eine Pfadfindergruppe zu betreuen,
der Jüngere betreibt intensiv Leichtathletik und spielt Gitarre. Nebenbei wird
heftig mit Freunden im Keller „gechillt“, „gezockt“ und DVDs geschaut. (Dabei
spielen pädagogisch wertvolle Games und Filme praktisch keine Rolle. Das war aber
bei anderen Medien auch noch nie anders. Was Lehrer:innen gerne lesen lassen,
weil man was daraus lernen kann, z.B. „Rolltreppe abwärts“ und so´n Zeug hat
immer schon mehr Leute vom Lesen abgebracht als vom Klauen oder von Drogen!)
Also, ich kann das nicht bestätigen, dass durch G8 das Leben der Jugend
versklavt werde. Was ich allerdings kenne, sind
Lehrer:innen und Eltern, die völlig verquere Ideen vom Lernen haben. Die glauben, der Mensch lerne vor allem, indem er sich in
Klassenzimmern den Hintern breit sitzt, Hausaufgaben macht und für drei
Klausuren wöchentlich paukt. Das sind so Mütter und Väter, die verzweifelt am
Elternabend rufen: „Die Matheaufgaben heute, die konnten wir nicht lösen.“ und Lehrer:innen, die mit ernster Miene
verkünden: „Wer auf´s Gymnasium gehen will, der muss eben andere Interessen
zurückstellen.“ Zeigt ihnen den Finger!, sag ich. Tatsächlich schlagen wir uns
in Deutschland mit der widerwärtigen Hinterlassenschaft eines jahrzehntelangen
Kulturkampfes herum, in dem die Apologeten des traditonellen Gymnasiums (das in der Praxis mehr mit der Klassengesellschaft als mit Humboldts Ideen zu tun hat) und die
Vorkämpfer der Gesamtschule sich nichts geschenkt und jeweils bei
Machtübernahme, ihre Vorstellung zum bestehenden Regelwerk hinzugeschrieben
haben (weggelassen wurde kaum je was). So kommt es zu einer Oberstufe, in der
Schüler:innen 10-13 Fächer belegen müssen, aber gleichzeitig
wissenschaftspropädeutisches Wissen vermittelt bekommen sollen. Das kann nur
zum Bulimie-Lernen führen: Stoff pauken, Ohren anlegen, Arsch zusammenkneifen
und rausspucken. Kotztüten bereithalten! Das System ist verrottet und es
besteht wenig Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Wer „Professor Unrat“
gelesen hat, weiß aber, dass es „früher“ keineswegs besser war. Und die
Widerstandskraft, den Eigensinn und die Selbstschutzkräfte einer jeden
Generation sollte man nicht unterschätzen. Der heimliche Lehrplan der
Regelschule, seit es sie gibt: Wie man mit Deppen in Autoritätspositionen fertig
wird, sich immunisiert gegen Dummheit und Stumpfsinn, der Bürokratie ein
Schnippchen schlägt und seinen Humor nicht verliert. Meine Söhne haben was
gelernt. Sogar in der Schule.
Der
Economist titelt an diesem Wochenende mit
„The rather dangerous Monsieur Hollande“. Anderswo fürchtet man sich vor
orangenen Piraten. Das „bürgerliche Lager“ ist ein wenig verschreckt. Keine
Sorge, Leute! Selbst dem Monsieur Hollande wird von den wahren Herrschern
beigebogen werden, dass höhere Steuern, die auch tatsächlich eingetrieben
werden, nicht durchsetzbar sind, es sei denn mit Waffengewalt. Die Euro-Kratie
hat diese Gefahr längst gebannt. Wählt doch, was ihr wollt, sagt man sich in
den Vorstandsetagen. Der Spiegel droht (haha!) mit der großen Koalition (ja,
das ist ein ekliges Gebildes, ohne Zweifel), falls die Piraten in den Bundestag
einziehen. Die Drohung bleibt aber wirkungslos, weil wir die gefühlte große
Koalition längst haben und auch kein grüner Abgeordnete sich weigern würde,
sagen wir mal, Steinmeier zum Kanzler zu wählen (Ich erinnere bei dieser
Gelegenheit gern noch mal daran, weil´s viele ja vergessen haben, dass dies der
Mann ist, um dessentwillen Murat Kurnaz noch länger im Folterknast von Guantanamo
einsaß). Keine Sorge, Mitte, es bleibt (noch!) alles, wie´s ist. (Und das ist die w a h
r e Drohung an alle anderen!)
Noch einen schönen Rest-Sonntag, trotz- und alledem!
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