Die Wahrheit ist in Wahrheit ziemlich
hässlich
Es
ist wahr: Wahre Religion geht mir auf die Nerven. Die Zeugen Jehovas an der
Tür, die Mormonen mit ihren dunklen Anzügen und gescheitelten Haaren und jetzt
die Salafisten mit ihren Stofftragetaschen. Ich nehme nix: Keinen „Wachturm“
und kein „Buch Mormon“ und keinen Koran (Ich habe schon einen). Interessant
ist, dass abstoßende Geschmacklosigkeiten sich bei allen überzeugten Anhängern
„wahrer“ Religionen finden. Wer glaubensfest ist, scheint´s, schätzt
Zeichnungen auf dem Niveau von Grundschulstrebern, Hosen aus kratzigem Stoff
oder fette Goldimitat-Ketten um den Hals. Die Wahrheit ist in Wahrheit in der
Regel ziemlich hässlich. Auf die Weise, immerhin, sind die Wahrheitsapostel grundehrlich. Das rechne ich ihnen als Verdienst an. Darin
unterscheiden sie sich von gewissen Abgeordneten und Parteivertretern, die das
Grundgesetz hochhalten und vorgeblich die Freiheitsrechte verteidigen, aber nur
solange die Freiheiten keiner in Anspruch nimmt, der sie stört. Da werden sie eklig, schimpfen sich eins vor blauweißem Leberkäshimmel oder
schwarzrotgolden beflaggter Zentrale und drohen mit rechtlichen Schritten. Wichtig ist aber nur, dass Sie das Buch nicht auf den Boden legen, falls Sie es annehmen.
„Nicht mein Patent“: Beklau mich! (Urheberrecht 1923)
Das ewige Leben ist außerdem sowieso abzulehnen, wie ich gestern Abend erneut gewahr
wurde. Das tschechische Herz meines Begleiters war gerührt durch die Oper „Die
Sache Makropulos“ von Leoš Janáček. „Vielleicht ist es nur
Einbildung, doch fühlt sich für mich die Musik tschechisch an.“ Erklären kann
ich das nicht, aber gespürt habe
ich diese Verbindung auch, besonders dann, wenn Vater Prus seinen Sohn als
„Janku“ anruft, gerade so wie sein Großvater meinen Ältesten ansprach im
Vokativ, einem Fall, den das Deutsche nicht kennt. Susan Bullock singt und
spielt in Frankfurt die E.M., die schon 300 Jahre lebt und alles Liebesleid und
allen Weltschmerz über hat. Janáček hat Stoff und Titel aus einer
Komödie Karel Čapeks übernommen. Im Frankfurter Programmheft ist nachzulesen, wie auch
damals das fälschlich „Urheberrecht“ genannte Verwertungsrecht nicht der
Kunst und den Künstlern diente. Čapek
schreibt an Janáček: „Wie ich Ihnen schon sagte
habe ich von Musik – und insbesondere von Ihrer Musik – eine zu hohe Meinung,
um sie mir mit einem sehr unpoetischen und zu geschwätzigen Konventionsstück,
wie meine Sache Makropulos eines ist,
vorstellen zu können. (...) Aber auf diese aufrichtigen Zweifel brauchen Sie
keine Rücksicht zu nehmen; schlimmer ist, dass ich (...) in dieser Hinsicht
gebunden bin, und zwar durch den Vertrag mit dem amerikanischen (und Welt-)
Vertrieb H. Bartsch, dem ich nach den üblichen Gewohnheiten zusichern musste,
dass das Werk zehn Jahre lang weder verfilmt noch vertont wird. Ich denke, dass
man mit dieser Klausel nichts machen kann. Aber dafür, teurer Meister, hindert
Sie nichts daran, ohne Rücksicht auf mein Stück eine Handlung zu erfinden, in
der das 300jährige Leben und seine Qualen den Mittelpunkt und die Achse bilden
in einem besser geeigneten Rahmen, als mein Stück ihn bietet. Es ist doch nicht
mein Patent; (...).“
„Nimm mich!“ (Es kommt drauf an, kein Brett zu
sein)
Einer Beilage der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung entnehme ich, dass Bad Homburg auf der Höhe sein hundertjähriges Jubiläum feiert. Das wundert mich. Den Ort freilich
gibt´s schon länger, aber Kur- und Badeort darf man sich erst seit 100 Jahren
nennen. Also, schließe ich, war´s keiner, als Hölderlin dort unterkroch bei
seinem Freund Sinclair, nachdem der Bankier Gontard das Verhältnis seiner Frau
mit dem Hauslehrer seines Sohnes aufgedeckt hatte. Hölderlin hatte nichts mehr zu beißen
und nichts mehr zu hoffen, er steigerte sich in wirre Projekte und verlor sich
in hochfliegenden Träumen. Und schrieb: „Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, dass es
besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt! Neide
die Leidensfreien nicht, die Gözen von Holz, denen nichts mangelt, weil ihre
Seele so arm ist, die nichts fragen nach Reegen und Sonnenschein, weil sie
nichts haben, was der Pflege bedürfte. Ja! ja! es ist recht sehr leicht,
glücklich zu seyn mit seichtem Herzen und eingeschränktem Geiste. Gönnen
kann man´s euch; wer ereifert sich
denn, dass die bretterne Scheibe nicht wehklagt, wenn der Pfeil sie trifft, und
der Topf so dumpf klingt, wenn ihn einer an die Wand wirft?“
Die gute Nachricht der Woche (Whaddya mean,
´take the train´?)
Lady Gaga steigt in Sydney aus Privatjet |
Die Hersteller von
Business Jets hoffen auf bessere Zeiten. Man kriegt das ja nicht so mit, das
heißt, mir entgeht sowas. Doch es ist eine Wahrheit unserer Zeit, dass
die Produzenten von Privatjets in Turbulenzen geraten sind. So ein kleiner Jet
kostet zwischen zwei und drei Millionen Dollar, also gar nichts im Vergleich zu
den 400 Millionen Dollar, die für einen Airbus A380 zu bezahlen sind.
Andererseits kann so ein kleiner Jet auch nur eine Handvoll High Potentials von
Dubai nach Singapore fliegen, beispielsweise, während ein Airbus ganze
Abteilungen durch die Luft transportiert und auch viel mehr Arbeitsplätze für Bordpersonal schafft.
Es sei, berichtet mir der Economist, nach der Finanzkrise 2008 der
Absatz schnittiger Privatjets eingebrochen. Die Analysten sind aber
zuversichtlich, dass sich der Markt erholen wird. Russische Oligarchen und
Potentaten aus dem Mittleren Osten modernisieren und vergrößeren ihre Flotten
wieder. Das ist doch mal eine erfreuliche Nachricht.
Dicke und Schwaben (Sadomaso-Stammtische halten
nicht, was sie versprechen)
Doch, als Wort zum
Sonntag sei´s euch mitgegeben, auch der Hedonismus stößt an seine Grenzen:
„Vor Jahren hat er
einmal, ein einziges Mal, einen sadomasochistischen Stammtisch besucht – so wie
es bei einem einzigen Tag Tantraseminar blieb, Gruppen sind eben nur in der
Theorie erotisch, in der Praxis bilden die Dicken und Schwaben stets die Mehrheit...“ (Navid Kermani: Dein Name)
"sadomasostammtische halten ihre versprechen nicht..."
AntwortenLöschenNein, auch nicht die polyamoriestammtische?
Ich bin überfragt. War seit 20 Jahren bei keinem Stammtisch mehr, weder so´nem noch so´nem. Aber wenn´s der Herr Kermani sagt...Unangezogene Schwaben sind wirklich schwer erträglich ;-).
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