Großmutter hatte keinen Begriff für das
Phänomen, doch sie machte sich Sorgen. Das Kind, das ich war, zeigte eine „Kombination verschiedener
Verhaltensauffälligkeiten“, die Großmutter dazu veranlassten, erzieherische
Maßnahmen zu ergreifen. Sie musste feststellen, wie die Enkelin immer wieder „die Kontrolle über die Zeit“ verlor, sich
in „Scheinwelten zurückzog“, was ihr,
der Großmutter als eine „Flucht aus der
realen Welt“ erschien. Mehr und mehr, so beobachtete Großmutter, nahm das
Mädchen für den Konsum, dem sie verfallen war, auch „Nachteile in Kauf“, verspätete sich beinahe zum Unterricht und vernachlässigte
ihre häuslichen Pflichten.
Großmutter versuchte mit Verboten
gegenzusteuern: nicht vor dem Schlafen gehen, nicht länger als eine Stunde,
nicht ohne Gegenleistung wie Treppe putzen oder abwaschen. Es half nur
scheinbar. Denn das Kind, das ich war, entwickelte viele Strategien: Es
las unter der Decke mit einer Taschenlampe, es las, während es abwusch, indem
dem es das Buch neben die Spüle legte, es las im Bus zur Schule. Es kniff
manchmal misstrauisch die Augen zusammen, um zu prüfen, ob sie wirklich „verdorben“
waren, wie Großmutter behauptete. Es träumte sich in Scheinwelten. Tagelang lebte
es in einer Parallelwelt als Indianerin oder trug eine Rüstung im
mittelalterlichen England. Es schlug sich durch den Dschungel und tanzte auf
rauschenden Bällen des Ancién Regimes. Das Kind, das ich war, hat nie wieder
ganz in die Wirklichkeit zurückgefunden. Der Konsum der Droge wurde über die
Jahre noch gesteigert, die Abhängigkeit nahm zu. Die Großmutter, wenn sie sähe,
wie der Haushalt der Enkelin unter der Sucht leidet, schlüge die Hände über dem
Kopf zusammen. Doch mir, die ein Kind war, an dem jeder Rettungsversuch der
wohlmeinenden Großmutter versagte, fehlt bis heute der Leidensdruck, um mich
einer Therapie zu unterziehen.
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Zitate im ersten Absatz aus dem Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Mechthild Dyckman zum Thema "Internetsucht von Jugendlichen" (2011)
Schwester. ;-)
AntwortenLöschenhttp://iris-bluetenblaetter.blogspot.de/2012/05/orientierung.html
Ja, Du!
AntwortenLöschenSehr schöner Text, drüben bei Dir!
Danke.
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