DER KORKEN IM ARSCH (oder: Was ist denn jetzt mit der Aura?)

Ein Beitrag von BenHuRum

"Mir gehen die Kulturpessimisten nach wie vor am meisten auf den Sack."
"Hehe, wenn du einen hättest...Die in der ZEIT?"
"Na, die auch, die SPD-Tante. Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!"
"Du kannst nicht singen. Sowieso mach´ ich das nicht an der Partei fest."
"Hast recht, die tummeln sich überall. Mehrheitlich parteiuntergreifend oder apolitisch."
"Die hassen wahlweise das Fernsehen, das E-Book, das Tablet, das Smart-Phone, Facebook auf jeden Fall, von Google + haben sie noch nix gehört, Youtube ist ihnen die Hölle."
"Aber sie essen auch kein Pausenbrot."
"Was soll das denn jetzt?"
"Ich wollte auf die ´Aura´kommen."
"Wie denn?"
"Der ranzige Geruch beim Öffnen lange in Ledertaschen gelagerter Brotbüchsen."
"Das war hier aber anders gemeint."
"Das ´Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit´. "
"Das hassen sie auch, wegen dem Urheberrecht. Und so. Aber Benjamin lieben sie, oft."
"Sie lesen nicht, was er wirklich geschrieben hat. Sie sehen nichts und hören nichts, aber sie bluten doch."
"Das ist aber kein lupenreines Zitat. Nee."
"Diesmal wird sich der Fall nicht biologisch erledigen."
"Wie meinst du das?"
"Die Generation der 40+ Leute, also der zwischen 1960 und 1975 geborenen wird alles platt machen, was nach ihr kommt."
"Deutschland ist keine Insel."
"Hast recht. Merkste, wie ich mich verstrickt habe? Der Kulturpessimismus steckt unserer Kohorte sozusagen in den Windeln."  
"Was geht? Was bleibt?"
"Spielen wir Trendforschung?"
"Es verschwindet die Tageszeitung auf Papier, das gebundene Fach- und Belletristikbuch, die Konzeptkunst und die Großtheorie. Der PC, die Brotschneidemaschine und das benzinbetriebene Auto. Die großen Autokonzerne. Die Aura ist schon weg. Der asoziale Narziss, der in keinem Sozialen Netzwerk agiert, gerät unter Generalverdacht und wird einer Behandlung zugeführt. "
"Dir auch."
"Was?"
"Steckt der Kulturpessimismus in den Windeln. Wie Scheiße."
"Böse Worte. Korken in den Arsch?"
"Weiter geht´s. Was bleibt? Freundschaften, Familienverbände, Liebesbeziehungen und Liebesleid. Fehler und Irrtümer. Der Witz. Der Eigensinn. Die Bosheit. Modeerscheinungen. Die Aura."
"Doch?"
"Doch. Nicht in den Zwischenräumen. An der Oberfläche. Überall. Hingucken. Eine Banane ohne Aufkleber, an einem Ende ein schwarzer Fleck. Die Imagination der Hand, die sie gepflückt hat. Ein Eisflocken auf der Fensterscheibe, der langsam hinuntergleitet und sich dabei auflöst. Das Licht zwischen den Blättern der Platane, die sich im Wind bewegen."
"Die bleibt auch. Die Platane."
"Genau."
"Wenn sie nicht krank wird."
"Wir wissen nicht. Was bleibt. Was kommt."
"Gut so." 
"Die Kulturpessimisten gehen uns auf den Sack. Und die Manifeste. Und die Trendforscher."
"Genau."


(Text J.S.P./M.B.)