„Es sei silbern und gold, blei-, kupfer- und
messingfarben, das Wasser, heißt es, und wenn mit Zinn und Nickel die Metallfarben
so gut wie aufgebraucht sind, halten willig die Meerestiere her: schuppen-, austern-
und muschelfarben sei es, weiß wie ein Fischbauch, perlmutt- und
schneckenschimmernd.“
(Eva Demski: Venedig. Salon der Welt, 2006)
Wer
von Land aus nach Venedig kommt, muss durch Mestre, eine Industriestadt, wie
sie hässlicher und – vermutlich – effektiver nicht sein kann. Venedig, las ich,
verlor in den letzten Jahrzehnten einen guten Teil seiner Einwohnerschaft ans
Festland. Man lebt nicht gern mit der Familie im Museum, offenbar, wo es
pittoresk ausschaut, aber die Wände schimmeln und die Modernisierung der
sanitären Einrichtungen ein Vermögen kostet. Venedig, so heißt es, wurde
übernommen von reichen Ausländern, die sich in den Palästen ihre Zweit- bis
Viertwohnsitze einrichteten. Es gibt aber, konnten wir uns am Ende unseres
ersten Tages in Venedig überzeugen, noch Viertel und Ecken, wo junge Studenten
mit schmucker Haartracht in stillen Gassen den Schlüssel ins Schloss einer
alten und buntbemalten Türe stecken, um unters Dach in ihre Wohnungen zu
klettern, wo alte Männer mit bloßem Oberkörper sich aus dem Fenster lehnen und
Frauen mit schweren Einkaufstaschen aus dem Minimercato treten. Am späten
Nachmittag schlenderten wir durch Dorsoduro, die Gegend um San Sebastiano, die
ruhig und verschlafen wirkt.
"Treasure Island", oben |
Vorher
allerdings waren wir – wie fast alle Touristen wohl – vom Piazzale Roma aus mit
dem Vaporetto zum Markusplatz gestartet, hatten uns durch die Massen gekämpft,
um die Einrüstung des Platzes zu beschauen, wo auf riesigen Transparenten für
vor den Toren Mestres liegende Factory Outlets geworben wurde. Vor San Marco
hatte sich schon eine lange Schlange
gebildet, in die wir uns in der Hitze nicht einreihen wollten. So
blieben uns auch diesmal die goldenen Schätze verborgen. In den verwinkelten
Gassen hinter dem Platz aber erblickten wir die Möglichkeit unsere letzten 1000€
vor dem Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung in „Treasure Island“ zu
investieren, das zu eben diesem Preis in einer gerollten (!) Holz gebundenen Ausgabe
angeboten wurde. Kein kunstvollst gebundener Klassiker war hier unter 300€
zu haben. Bei uns daheim stehen die Bücher jedoch in
Ikea-Regalen, wo sich derartige Schmuckstücke eher kurios ausmachen würden,
weswegen wir von einem Kauf absahen, auch weil wir die Hoffnung auf den Bestand
des Euro in 2013 und darüber hinaus noch nicht gänzlich aufgegeben haben und daher
noch nicht alles in Sachwerte
stecken.
Carpaccio: Kreuzigung und Apotheose der 10.000 Märtyrer am Berg Ararat |
Recht
leer war es zu unserer Überraschung in der Galleria dell´Academia, wo wir daher
anders als in den Uffizien oder im Louvre tatsächlich Gelegenheit hatten, uns
auf die großartigen Kunstwerke einzulassen, die hier ausgestellt werden. Die
Galleria wird zur Zeit renoviert, finanziert von der US-amerikanischen „Save Venice Inc.“, wie ich nicht versäumen möchte zu erwähnen. Im zweiten Saal
überraschte und faszinierte mich ein Gemälde von Vittore Carpaccio „Kreuzigung
und Apotheose der 10.000 Märtyrer am Berg Ararat“. Die Gekreuzigten hängen in
den Bäumen, aber über ihnen öffnet sich schon, einem Raumschiff gleich, der
Himmel. Wundervoll auch die
grellen Farben und expressiven Gesten, mit denen Tintoretto zwei Säle weiter
das Leben des Heiligen Marcus, darstellte, dessen Gebeine sich die Venetier
gestohlen haben, um ihrer aufstrebenden Welthandelsmetropole die nötige Würde
zu verleihen. Besonders beeindruckte mich das Gemälde „Il sogno di San
Marco“. Jacopo Robusti , wie
Tintoretto eigentlich hieß, war auch der bemerkenswerte Vater einer hochbegabten
Tochter, der Malerin Marietta Robusti, die er förderte. Zu ihrer Zeit war
Marietta Robusti eine viel gefragte und geschätzte Porträtmalerin in Venedig.
Die Kunstgeschichte allerdings hat ihr Andenken, wie das der meisten
Künstlerinnen, nicht bewahrt. Ihre Gemälde wurden anderen, männlichen Malern
zugeschrieben und ihr Name geriet in Vergessenheit.
Da
ich den Tag nutzen will, werde ich hier nicht all die Gemälde beschreiben und
würdigen können, die mich in der Galleria dell´Academia bewegten. Nur eines
möchte ich noch erwähnen, das Morel und mich gleichermaßen erstaunte: Ein
„Festmahl des Simon“ von Bernardo Strozzi, das in seiner naturalistischen
Darstellung der Feiernden unmittelbare Erinnerungen an beinahe zeitgleich
entstandenen Gruppenbildnisse der niederländischen Malerei des 17.
Jahrhunderts, beispielsweise eines Frans Hals, weckte. Wer nach Venedig kommt,
sollte die Gelegenheit jedenfalls nutzen und die vergleichsweise wenig
überlaufene Galleria aufsuchen, obwohl die Stadt selbst mit ihren vielen Ein-
und Ausblicken auf Wasserwege und Brückenköpfe jedes Gemälde zu übertreffen
scheint.
Pegeen Vail-Guggenheim: o.T. |
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