Ernst und Röschen feiern Goldene Hochzeit (nach - tatsächlich war´s im Mai schon soweit). „Das kommt selten vor.“, sagte A., als ich
ihr davon erzählte, dass wir deshalb das Wochenende in Bad Kissingen verbringen
mit der Großfamilie, in einem spacigen 70er Jahre Hotel-Betonkasten, der aber
offensichtlich laufend modernisiert und aufgepeppt wurde und vor allem ein
wunderbares Aqua-Spa hat, dessen Besucher-Altersdurchschnitt wir gestern Abend
schon um 200% (oder so?) gesenkt haben, als Neffe G. (6) und Neffe E. (8) mit Amazing (18) und Mastermind (16) den Whirlpool besetzten und anschließend im Regen
im Außenpool einen Wettkampf durchführten, die beiden Kleines jeweils auf den
Schultern der Großen. Laut waren die, dass es durch den ganzen Innenhof des
Hotels schallte und sich die Balkontüren rundherum öffneten. Geschimpft hat
aber niemand; vielleicht ist das doch nur ein Gerücht mit der
Kinderfeindlichkeit in Deutschland.
Revival-70er Jahre Interieur Hotel Frankenland Bad Kissingen |
Ehen
wie die von Ernst und Röschen gibt es tatsächlich nicht viele, denn sie sind
nicht bloß nach 50 Jahren noch zusammen, sondern immer noch ein Liebespaar.
Einerseits stellt die „Happy Family“ aus Vater, Mutter und zwei Kindern immer
noch die in Werbung und Kinderbüchern vorgestellte Norm dar, an der sich auch
die Gesetzgebung orientiert, vom Ehegatten-Splitting über die Hausfrauen-Krankenmitversicherung
bis zur steuerlichen Benachteiligung von Alleinerziehenden. Andererseits ist in
einem Ballungsgebiet wie dem Rhein-Main-Gebiet, in dem wir leben, die Ehe und
vor allem die lebenslange Ehe mit Kindern keineswegs mehr die am häufigsten anzutreffende
Lebensform. Paare verstehen sich selbst immer öfter als
„Lebenabschnittspartner“; manche Soziologen nennen das „serielle Monogamie“.
Die Ehe wird in den einschlägigen Ratgebern vor allem als Vertragswerk
aufgefasst, das den „schwächeren“, d.h. in der Regel den nur Teilzeit berufstätigen Part schützen soll, „vor allem, wenn Kinder da sind“. In
unserem Umfeld leben die meisten Kinder in sogenannten
„Patchwork-Familien“ oder bei einem alleinerziehenden Elternteil. Manchen
Eltern gelingt es, über die Trennung hinweg als Eltern im Leben ihrer Kinder
gleich präsent zu bleiben. Öfter jedoch, das ist mein subjektiver Eindruck,
gelingt es nicht. Viele Kinder machen die Erfahrung, dass mit der Trennung der
Eltern auch sie von einem Elternteil „verlassen“ werden, meist ist es der
Vater. Wie sehr hierbei auch das Verhalten der Mütter eine Rolle spielt, die
über den Entzug des Kindes den nicht mehr geliebten Mann „strafen“ wollen, kann
ich nicht beurteilen.
Dass
jemand allerdings eine Ehe als lebenslange Bindung versteht, bejaht und als
Lebensform wählt, ist in diesem Umfeld zum Teil rechtfertigungsbedürftig. Ganz
schnell sitzt man mit Erzkonservativen oder gar mit evangelikalen
Fundamentalisten in einem Boot. Deshalb schweige ich meistens zu dem Thema. Es ist
heikel. Ich weiß, dass diese Lebensentscheidung mich privilegiert, weil sie
jene ist, die die Gesetzgebung noch immer – gegen die Wirklichkeit - voraussetzt
und bevorzugt. Sie (die heterosexuelle Paarbeziehung + Ehestatus) privilegiert
mich auch in sozialen Beziehungen, vom Doppelzimmer im Hotel bis zur Entschuldigung, einen Termin
nicht wahrzunehmen: „Mein Mann wartet auf mich.“ hat immer noch deutlich mehr Gewicht als „Mein Freund/meine
Freundin wartet auf mich.“ In meinem beruflichen Umfeld ist es für schwule und
lesbische Paare schwierig, sich öffentlich zu bekennen. Alleinerziehende
werden von den gutsituierten Hausfrauen in ihren Einfamilienhäusern, die rund
um uns wohnen, immer noch mit Argusaugen beobachtet und jedes Fehlverhalten des
Kindes auf diese Familiensituation geschoben. Das sollte nicht so sein. Das Ehegatten-Splitting gehört abgeschafft, gleichgeschlechtliche Partnerschaften
sollten der Ehe völlig gleichgestellt werden, Alleinerziehende sollten steuerlich
keine Nachteile erfahren und gesellschaftlich wäre es angebracht, Entscheidungen
für unterschiedliche Lebensformen anzuerkennen.
Bei
mir ist es so, dass ich positive Erfahrungen mit Ehe und Familie habe. Sie sind
für mich immer mehr Ressource als „Gefängnis“ gewesen. Dafür, dass ich das so
empfinde, habe ich schon mehr als einmal abwertende Kritik einstecken müssen: „bürgerlich“,
„spießig“, „angepasst“. Ich weiß auch, dass andere andere Erfahrungen haben und diese Lebensform mit Gründen ablehnen. Ich
hoffe dennoch, dass es für unsere Söhne einmal ähnlich sein wird wie für mich –
und dass auch sie eines Tages mit ihren Eltern deren 50. Hochzeitstag feiern
können.
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