Freitag, 20. Juli 2012

DIE QUELLE DER AUTORITÄT (Diana Sartori über Hanna Arendt)

"Wichtiger scheint mir aber das zu sein, was sie (Arendt) im Hinblick auf die Quelle der Autorität erläutert: der Hinweis nämlich, dass Autorität mit dem Ursprung zu tun hat. Dies bekräftigt die Beobachtung, dass Autorität nicht aus Selbstbestätigung, aus Autonomie oder Autarkie entsteht - alles Worte, die mit dem Wort Autorität verwandt zu sein scheinen, aber nicht aus derselben Familie stammen, und die alle auf der vermessenen Geste der Selbsterschaffung beruhen - ,sondern aus einer anerkannten und nicht zu lösenden Verbindung mit dem Ursprung. Um das Moment des Ursprungs anzuzeigen, des Beginns, des Anfangs und des Prinzips, des Neuen, das in der Welt erscheint, gebraucht Hannah Arendt die Kategorie der Natalität, der Geburt. Hier, in der Geburt, liegt das Prinzip, und die Geburt zeigt klar, worum es bei diesem mütterlichen Prinzip geht: Das Sein, das von der Mutter zu Welt gebracht wird.

Auf diese Weise hat unser Leben begonnen, und dort liegt sein natürliches Prinzip. In den Worten Arendts: hier ist der Ursprung, in dem Anfang und Prinzip zusammenfallen. In der Natalität liegt das Prinzip des menschlichen Vermögens, einen Anfang zu machen, das Neue zur Welt zu bringen, das Prinzip der Freiheit und des Handelns. Aber in der Geburt, ließe sich hinzufügen, findet sich auch das Prinzip der Notwendigkeit und das des Ursprungs. In der Geburt ist ein Ordnungsprinzip begründet, weil es die Mutter selbst ist, die die erste Ordnung der Notwendigkeit schafft: dass wir uns als von ihr geboren betrachten. Die Ordnung der Mutter bedeutet also eine Ordnung, in der das mütterliche Prinzip, die Mutter, die ordnende Kraft ist. Wie die Natalität das Vermögen des Anfangens begründet, das der Freiheit eigen ist, begründet sich in der ursprünglichen Ordnung der Natalität das entsprechende Vermögen, den Anfang an eine Ordnung zu binden. Ohne diesen Zirkel, der das eine und das andere wechselweise aufgreift, würden sich beide verlieren, das eine in der reinen Tatsache, die unvollendet bleibt, das andere in der Wiederholung.

Indem man das Prinzip des Ursprungs anerkennt, kann man eine Verbindung zwischen Tatsache und Sinn, zwischen natürlicher und symbolischer Ordnung herstellen."


(Diana Sartori: Autorität stiften, Ordnung gestalten; aus: Diotima und andere: Die Welt zur Welt bringen. Politik, Geschlechterdifferenz und die Arbeit am Symbolischen, Frankfurt 1999)

***

(Gegen diese Verbindung steht weiterhin das Prinzip der "Selbstgeburt" des autonomen Schöpfers, das Prinzip der Tatsachen, das in sinnentleerter Technik mündet und - als deren Überbau - die patriarchalische Ordnung, das Gesetz des Vaters, die Schriftkultur, in der die Mütter in ein dunkles Reich verbannt werden müssen, wie es Goethe darstellte:

Faust II
Mephistopheles: 
    Und hättest du den Ozean durchschwommen,
    Das Grenzenlose dort geschaut,
    So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen,
    Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
    Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
    Gestillter Meere streichende Delphine;
    Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne -
    Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
    Den Schritt nicht hören, den du tust,
    Nichts Festes finden, wo du ruhst.                                                                  )







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