Jacques Demy und Agnès Varta |
Ich
sah einen Film und er machte mich glücklich: "Les Plages de Agnès" von Agnès Varda. „Ich will das Glück zeigen.“, sagt
ein Filme machender Mann in diesem Film und ich glaube, die Frau, die diesen
Film machte, wollte genau das auch. Sie wollte es, vielleicht, um diesen Mann,
der ihr der „liebste Mensch“ gewesen war, zu ehren mit ihrem Film. Doch gab sie
dem Film trotzdem nicht seinen
Namen, sondern erzählt von sich aus, einer Frau, die Filme macht. Es war und
ist außergewöhnlich, wie und dass den beiden dieses gemeinsame Leben und
getrennte Arbeiten gelang, denn gewöhnlicher ist es, dass zwei Menschen, die
auf demselben Gebiet tätig sind, einander als Konkurrenz empfinden und noch
gewöhnlicher ist es, dass ein Mann mit einer Frau, die er als Konkurrenz
betrachtet, nicht einmal befreundet, geschweige denn ihr in Liebe zugetan sein kann.
Bei
diesen beiden, offensichtlich, war es von Anfang an anders. Als sie einander
kennenlernten, war sie nicht nur eine alleinerziehende Mutter, sondern auch
schon eine Frau, die als Fotografin und Regisseurin ihre Ideen erfolgreich
verwirklichte. Das hätte jedoch nichts bedeuten müssen, als sie sich ineinander
verliebten; es gibt schließlich genügend Beispiele dafür, wie eine begabte Frau
mit eigenem Einkommen sich dennoch einem männlichen „Genie“ und dessen
Produktion willig unterwirft. In ihrem Film deutet sie nicht an, dass eine
solche asymmetrische Beziehung
zwischen ihm und ihr je möglich gewesen wäre. Er brauchte sie
nicht als Spiegel. Es mag dabei eine Rolle gespielt haben, dass er ein Mann war, der Männlichkeit nicht auf traditionelle Weise interpretierte und dessen sexuelle Orientierung nicht eindeutig war.
Ob
die Liebe zwischen zwei Menschen scheitert oder es gelingt, sie in eine
gemeinsame Lebensform zu überführen, hängt von vielem ab und es kann kein
Rezept dafür geben. Am Anfang ihres Films sagt Agnes Varda: „Könnte man in
einen Menschen hineinblicken, sähe man Landschaften. Würde man in mich
hineinsehen, wären es Strände.“ Und Jacques Demi, der Mann, den Agnès Varda liebte,
sagt im Film über das Meer vor der Insel mit der Mühle, auf der Varda und er viele schöne Tage verbrachten, es sei blau und grau, so wie er selbst.
Vielleicht kommt es darauf an, dass sich zwei Menschen finden, deren innere Landschaften
zueinander passen: der Strand und das Meer. Ein Mensch, der in sich die Strände
fühlt, an die das Wasser brandet, wird auf Dauer nicht mit einem Menschen leben
können, der sich auf einen schneebedeckten Berggipfel sehnt.
Agnès
Varda wurde 1928 in Brüssel geboren, Jacques Demy (geboren 1931) wuchs in der Küstenstadt Nantes am französischen Atlantik auf. Sie heirateten 1962 und blieben bis zum Tod Demys, der 1990 an AIDS starb, zusammen. Sie erinnert sich an ihre Ferien als Kind an den Nordseestränden Belgiens. Vor den deutschen Truppen musste Vardas Familie fliehen, danach lebten sie auf einem Boot in einem Fischerort am Atlantik. Es war dasselbe Meer, an dem
sie aufwuchsen, derselbe Salzgeschmack auf der Haut, dieselben Wolken, die in
allen Grauschattierungen über den Himmel zogen. Es mag diese tief in beider Körperempfinden und Wahrnehmungsvermögen verankerte Liebe zu
See und Sand, zu Wind und Wellen, zu Booten und Tauen dazu beigetragen haben,
dass sie zueinander fanden.
Varda und Demy waren der Nouvelle Vague des französischen Kinos über enge Freundschaften mit den großen Regisseur_innen und Schauspieler_innen dieser Epoche verbunden, bewegten sich mit ihren eigenen Filmen aber nicht im Zentrum dieser Bewegung. Ihrer beider Filme, so verschieden sie sind, wirken optimistischer, zärtlicher, fröhlicher und bunter, sind weniger fixiert auf die Autoren-Rolle des Regisseurs/der Regisseurin, bleiben stärker orientiert an der Idee des Filmemachens als Kollektiv und sind nicht so bemüht, sich gegen die Klischees und Traumwelten des Mainstream-Kinos abzusetzen.
Varda und Demy waren der Nouvelle Vague des französischen Kinos über enge Freundschaften mit den großen Regisseur_innen und Schauspieler_innen dieser Epoche verbunden, bewegten sich mit ihren eigenen Filmen aber nicht im Zentrum dieser Bewegung. Ihrer beider Filme, so verschieden sie sind, wirken optimistischer, zärtlicher, fröhlicher und bunter, sind weniger fixiert auf die Autoren-Rolle des Regisseurs/der Regisseurin, bleiben stärker orientiert an der Idee des Filmemachens als Kollektiv und sind nicht so bemüht, sich gegen die Klischees und Traumwelten des Mainstream-Kinos abzusetzen.
Agnes
Varda erzählt in ihrem Film „Die Strände von Agnès Varda“ davon, wie Jacques Demy nachdem er die
Goldene Palme in Cannes für „Die Regenschirme von Cherbourg“ mit Catherine
Deneuve (1964) erhalten hatte, nach Hollywood eingeladen wurde, um dort Filme
zu machen. Sie ging mit ihm, „weil ich ihn liebte“, und deutet im film nur
an, dass es in den Jahren in Hollywood nicht nur eine schöpferische Krise gab,
sondern womöglich auch eine der Ehe. Sie gab einem Produzenten, der sie in die
Wange kniff, eine Ohrfeige, danach hatte sie keine Chance mehr auf eine
Finanzierung ihrer Filmprojekte durch amerikanisches Geld. Sie drehte mit Hilfe französischer Geldgeber einen
Dokumentarfilm über die Graffitis in Los Angeles. Auch für Demy scheinen die
Arbeitsverhältnisse an der Pazifikküste nicht ideal gewesen zu sein. Sein Film "The Model Shop" floppte. Vielleicht
kam es in dieser Zeit zu einer Entfremdung des Paares. Vielleicht ging Jacques Demy dort Beziehungen ein, durch die er sich mit AIDS infizierte. Varda schweigt dazu; sie deutet nur an,
dass beider Filme nach dieser Zeit düsterer und politischer wurden. An dieser Stelle ihres autobiographischen Filmes
fügt sie unvermittelt die Wiederbegegnung mit einem amerikanischen Freundespaar ein, das
seit mehr als 50 Jahren harmonisch miteinander lebt. Sie zeigt die beiden mit
ihrer großen Familie in ihrem Gartenhaus in Kalifornien. Varda hat offenbar für die
Erzählung von „Die Strände von Agnès Varda“ eine Entscheidung getroffen: Sie will die Möglichkeit des Glücks
zeigen, eines gelingenden Lebens in Variationen, statt das Augenmerk auf Misstrauen, Versagen und Zorn zu legen. Ob ein Leben gelingt, ist auch eine Frage der Perspektive, aus der es erzählt wird.
Ein Leben, in dem sich eine oder einer auf die Liebe
einlässt, wird nicht von tiefer Traurigkeit verschont bleiben. Denn wer liebt, verliert.
Agnès Vardas Film ist der Film einer alten Frau, die das Sterben und den Tod
vieler enger Freunde und eben auch des ihr liebsten Menschen erleben musste.
Der Trauer um diese geliebten Menschen wird in diesem Film viel Raum gegeben.
Aber sie erzählt vor allem davon, wie ein Leben nur gelingen kann, wenn es sich
auf die Liebe einlässt und damit eben auch auf die Gewissheit, dass der
Abschied kommt und mit ihm die Trauer. Agnès Varda und Jacques Demy teilten einen schmalen Hofeingang in Paris, wo er rechts und sie links
ihr Atelierbüro hatten, von wo aus sie ihre Filme erdachten und planten, sie
verbrachten viele gemeinsame Tage mit Freunden und Familie auf einer Insel im
Atlantik, wo sie gemeinsam den Wellen zuhörten, sie lebten getrennt voneinander
und sie taten sich gegenseitig wohl auch sehr weh, sie zogen gemeinsam Agnes´
Tochter aus einer früheren Beziehung und ihrer beider Sohn auf, sie hatten
einen großen Freundeskreis und ließen einander Spielraum. „Familie ist ein
kompaktes Konzept“, sagt Varda einmal im Film. Sie zeigt ihre Familie,
die Lebensgefährten ihrer Kinder und ihre Enkelkinder, alle in weiß vor einem
stilisierten Hintergrund. Es ist ein Traumbild der Liebe und es wird klar, dass
die Liebe nicht darin besteht, den anderen zu „durchdringen“ und sich verfügbar
zu machen. „Ich weiß nicht, wie gut ich diese Menschen kenne.“, sagt sie. Die
Liebe lässt den anderen sein, sie hofft für ihn und wünscht ihm das Glück, wo
er eben es findet. Der Film "Die Strände der Agnès" der 80jährigen Agnès Varda ist ein Film über Liebe,
Familie, Freundschaft, Verlust und Trauer. Es ist ein Film über das gute Leben,
das nur dem gelingen kann, der liebt, ohne sich absichern zu wollen gegen Verlust
und Schmerz.
das meer ist immer am strand, sowie kein meer ohne strand.
AntwortenLöschenstrandestendendesten meers
die formulierung "Vielleicht kommt es darauf an, dass sich zwei Menschen finden, deren innere Landschaften zueinander passen [...]"... finde ich sehr poetisch. gefaellt mir ausserordentlich.
AntwortenLöschenund der satz "Denn wer liebt, verliert." ist sehr gewagt in seiner radikalitaet, und wahr. und in diesem kontext sehr stimmig. klasse!
Die Landschaften. Ja, ich glaube daran, dass solche "irrationalen" Zusammenhänge gibt, die darüber entscheiden, wie und ob eine Liebe sich entwickelt. Man kann dann immer Ursachen suchen und Argumente finden, warum, wieso, weshalb und sich in Dispute verstricken oder eine Paar-Therapie machen. Vielleicht funktioniert das sogar, manchmal, bei manchen. Aber i c h glaube nicht daran. Meine Landschaft sind die welligen, grünen Hügel der Mittelgebirge. Extrembergsteiger oder Seefahrer wären wohl kein Gefährte/keine Gefährtin für mich :-).
Löschen"Wer liebt, verliert." - auch davon bin ich überzeugt. Jede Liebe birgt Enttäuschungen in sich. Aber wer die Liebe vermeidet, der verfehlt das Leben. Dabei meine ich mit "Liebe" nicht jene pubertäre Anwandlung, die die eigenen Sehnsüchte auf eine/n andere/n projiziert und sich diesen als Spiegel des großen ICH imaginiert, sondern den Versuch, miteinander zu leben, füreinander zu sorgen und um des Anderen Glück besorgt zu sein, die Begegnung der zwei kleinen "ich" mit ihren Ängsten, Bedürfnissen, Differenzen zuzulassen.