Donnerstag, 15. November 2012

BEAMEN BITTE (So Tage halt...)

Man gewöhnt sich an alles, heißt es. Den Spruch habe ich immer schon gehasst - und es stimmt auch nicht. Es kann sein, dass man sich betäubt, sich gegen die Dumpfheit dumpf macht, gegen den Schmerz unempfindlich, gegen die Wut ironisch, gegen den Hass gleichgültig. Das kann eine Anstrengung sein, die einen Menschen alle Energien kostet, diese innere Verhärtung, die er sich gegen sich selbst abverlangt.

Es sagt nie jemand: "Man gewöhnt sich an alles.", der nicht in der Position des Mächtigen ist oder sich selbsterniedrigend mit ihr identifiziert. Gewöhnen sollen sich immer "die anderen" oder "das Andere" in einem selbst: was nicht aufgeht, eingeht, sich fügt, verfügbar ist. "Gewöhn dich dran. So ist das Leben." Wer oben ist, wirft denen unten gern Fatalismus vor, wenn sie nicht rebellisch sind, sondern oberflächlich ergeben wirken. Gegen diesen Blick und seine böse Unterstellung habe ich schon einmal - bezogen auf ein Beispiel, das mir sehr wehtat - Stellung bezogen: "Fatalismus ist keine Haltung.

"Es ist wie es ist..." Ich habe nie verstehen können, wie sich einer wohlig melancholisch schaudernd darin ergehen kann, diesen Satz mit "fürchterlich" zu beenden. Noch nie habe ich indes jemanden so reden hören, so viel eklen Geschmack am Fatalen und Bösen finden, der nicht verdammt privilegiert ist. Männer reden so über Frauen; Weiße über Schwarze, Heterosexuelle über Homosexuelle, Reiche über Arme. ("Die wollen es ja nicht anders.") Es ist daher kein Zufall, dass der Anteil der Zyniker unter den männlichen, weißen, heterosexuellen, gut gebildeten und wohl versorgten Menschen am höchsten ist. Das Außenseitertum dieser Leute ist jene freie Wahl, auf die sie sich nicht wenig einbilden. Der Umkehrschluss gilt indessen nicht: Ich kenne viele männliche, weiße, heterosexuelle Menschen, denen der herablassende Menschenhass so widerlich ist wie mir. 

Antje Schrupp hat in einem Blog-Post erklärt, was "Definitionsmacht" ist und  dabei auf ein - wie ich finde - überaus treffendes Beispiel Bezug genommen.

"Anlass für das Urteil war der Fall eines 55-jährigen Voyeurs. Er war verurteilt worden, weil er mit einer in einer Shampoo-Flasche mit einem Loch versteckten Handykamera ein vierzehnjähriges Mädchen beim Duschen fotografiert hatte. Dummerweise ging der Blitz in der Shampoo-Kamera los, wodurch das Mädchen aufmerksam wurde, das den Mann daraufhin anzeigte." (heise online 14.11.2012)

Die Art, wie hier ganz selbstverständlich die Perspektive des Mannes eingenommen wird, ist keineswegs Ausnahme, sondern die Regel. Die Berichterstattung über "Familiendramen", die sich beim Lesen des Kleingedruckten  in 90% der Fälle als Mord eines Mannes an der Frau erweisen, die ihn nicht mehr zum Partner will, sind da nur die Spitze des Eisbergs. Meistens kommt diese Sicht ganz nebenbei und scheinbar harmlos daher, z.B. wenn in der FAZ in einem Kommentar beklagt wird, dass die Politiker sich immer hinter Fachwissen versteckten, um eigene politisch begründete Entscheidung zu vermeiden, und der Beitrag mit  "bärtigen Kapazitäten" endet, die nicht das letzte Wort haben sollten. 

Im Berufsalltag soll ich mich dauernd "mitgemeint" fühlen, wenn von männlichen Kollegen die Rede ist und wenn ich darauf beharre, selbst angesprochen zu werden, gelte ich als zickig und Augen werden gerollt. Selbstverständlich kann ich in der Regel unterscheiden, wann ich gemeint bin und wann nicht. (Ja: Die Kollegen sollen zurückhaltender beim Kopieren sein. Nein: Die Kollegen werden gebeten, darauf zu achten, nicht auf oder neben den Toilettensitz zu pinkeln.) 

In der Fußgängerzone schaffe ich es niemals die ganze Strecke durchzulaufen, ohne mindestens zehn Männern auszuweichen, die mir entgegenkommen. Keiner von denen macht dagegen die geringste Anstalt von sich aus beiseite zu treten, um mich meine gerade Linie weiterziehen zu lassen. Ich bin sicher: Die ließen es zur Kollision kommen und würden mich dann wüst beschimpfen. Da kann ich ihnen starr in die Augen gucken so viel ich will. 

It´s a man´s world. 

Andererseits: Das ist an den meisten Tagen eben nicht die Welt, die mich beschäftigt. Ich interessiere mich im Allgemeinen für Männer, ihre Beschwerden, Ängste, ihren Sex-Drive, ihre Hobbies, ihre Literatur, ihre Musik und ihre Filme nicht. Für einige wenige, besondere, die nicht die ewig gleichen langweiligen Mythen (insbesondere über Frauen und das Geschlechterverhältnis) abspulen, interessiere ich mich dagegen schon. Aber es bleibt mir gegenwärtig nicht viel Zeit dafür. Weil ich mich zur Zeit nämlich noch mehr für viele Frauen interessiere, die sich nicht aus der Perspektive einer männlichen Weltsicht beurteilen und sich nicht rechtfertigen, kein Mann zu sein, die sich nicht wünschen "mit Männern gleichzuziehen" und vor allem: Für die Beziehungen zu Männern und männliche Befindlichkeit nicht das abendfüllende Thema sind. Trotzdem gibt es eben "So Tage", wie diesen heute, an dem einiges schief läuft und rüberkommt: doofe Lacher und unangebrachtes "Mitgefühl" für "die Mädels", eine Frau, die ganz offenbar alles was sie sagt, nur zum einzigen Mann sagt, der im Raum ist und  ein sexistischer Kalauer nach dem nächsten. 

Da denkste dann doch: Kann man die nicht ganz weg beamen?

Oder mich: In a woman´s world.




4 Kommentare:

  1. ja man gewöhnt sich an alles; frau auch. auch an den sich immer weiter ausbreitenden umgestaltungswillen zur erschaffung neuer ziemlich gestelzt wirkender geschlechtsneutraler begriffe...

    bei der neuesten überarbeitung der stVo wurden dann folgende bahnbrechende sprachänderungen durchgesetzt:

    So gibt es keine Radfahrer mehr, sondern "Rad Fahrende". Aus dem Fahrzeugführer wurde "Wer ein Fahrzeug führt". Fußgänger sind entsprechend "zu Fuß Gehende", wobei der Fußgängerüberweg seltsamerweise immer noch Fußgängerüberweg heißt. Der Begriff "Überweg für zu Fuß Gehende" wäre da dem Konzept dienlicher, was auch die "für den Straßenverkehr zuständige Behörde" erfreuen dürfte, denn so heißt künftig die "Straßenverkehrsbehörde" - zumindest im Entwurf. Hierzu ein Auszug aus dem Entwurf zum Paragraph 37:

    ob das nun einem rücksichtsvolleren umgang in verkehrstechnischen angelegenheiten zwischen den geschlechtern eher nützt oder schadet; bleibt abzuwarten. am weitestens kommt mensch immer noch dem gesunden menschenverstand und der ist mit §1 stVo auch schön beschrieben;

    (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

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  2. Ich bin eine Radfahrerin.

    Ich bin kein Bürger. Auch kein Schläger. Und kein Koch. Nicht mal, wenn ich schlage. Oder koche.

    Der Sinn einer Bezeichnung, durch die ich tatsächlich gemeint bin und mich nicht nur "mitgemeint" fühlen soll, ist auch keineswegs, dass es dann für alle oder einige bequemer wird.

    Ich persönlich neige ein wenig zu der Bequemlichkeit, nur noch weiblichen Personen zu sprechen, also zum Beispiel von einer und nicht von einem usw. Sehr nett ist das sicher nicht immer für die Herren. Es ist aber auch so gemeint, d.h. ich meine sie nicht mit, wenn ich das schreibe. Ob sie sich gemeint fühlen, ist mir gleich. Ich fühle nicht (sowieso wenig).

    Die von Ihnen zitierten Sprachänderungen finde ich ungeschickt. Ihre Ursache haben sie aber offenbar darin, dass mancher Mann zu faul ist, die weibliche Bezeichnung auszuschreiben. Das verstehe ich. Aber es interessiert mich nicht. Wenn die "Bürger" aufgefordert werden, irgendwas zu tun, schaue ich die Herrschaften an. Wenn die "Kollegen" um Erscheinen gebeten werden, gehe ich heim. So isses. Und so bleibt es.

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    1. ...das nenn ich logische konsequenz und das gefällt mir.

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    2. Mehr Logik, weniger Produktion ;-)

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