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Als ihr erster Roman
erscheint, ist Barbara Pym keine junge Frau mehr. 1950, da ist sie schon in ihren späten Dreißigern, wird ihr Debüt-Roman unter dem Titel „Some Tame Gazelle“ veröffentlicht, den sie schon als 20jährige geschrieben hatte. Im folgenden Jahrzehnt
erscheinen sechs Romane von Barbara Pym, bescheidene Erfolge, mit denen sie sich
ein eigenes, treues Publikum erschreibt. Dann kommt der Schock. Ihr siebter
Roman wird vom Verleger abgelehnt. Sie findet auch keinen anderen Verlag für
das Manuskript von „An Unsuitable Attachment“. Anderthalb Jahrzehnte wird Barbara Pym von nun an für die
Schublade schreiben, verzweifelt, vergessen, überzeugt davon, dass die Zeit für
jene Art von Romanen, die sie schreibt, vorüber ist. Und dennoch unbeirrt genau
das weiter schreibend, was sie kann: Romane mit begrenzten Personal,
angesiedelt in einer undramatischen, weitgehend gewaltfreien „kleinen Welt“ und
bevölkert von Menschen, die in unambitionierten Bürojobs arbeiten, Kirchgänger, Kleriker, Anthropologen und Universitätsangestellte, alte
Jungfern und gelangweilte Paare des englischen Mittelstandes, die in der
ländlichen Provinz oder in Londoner Vororten leben, viel Tee trinken und mäßig
essen. Über eine fest umrissene Welt starrer Regeln schreibt sie, in der
eigensinnige Menschen sich schon durch mehr oder weniger „suit-ability“, durch geringfügige Abweichungen vom Erwartbaren und
Erwarteten ausdrücken können.
Es passiert nicht viel
in Barbara Pyms Romanen. Es gibt viele Möglichkeiten, Romane in Untergattungen
oder Genres zu sortieren. Eine wäre jene in Romane mit einem aufwendig konstruierten „Plot“ und solche, die kaum einen
haben. Dass ich eine besondere Vorliebe für die letzteren habe, jene Werke
also, die darauf setzen, das Interesse der Leserin durch ihre Figuren und ihre
Sprache allein zu gewinnen, während die Handlung entweder vorhersehbar oder
belanglos ist, zeigt die Kollektion meiner Lieblingsautorinnen: Jane Austen,
Virginia Woolf, Ivy Compton-Burnett, Janet Frame, Barbara Pym, Alice Munro.
Mich interessieren kleine, überschaubare fiktive Welten, in denen sich die
Dramatik weniger durch Handlungsverwicklungen ergibt, sondern durch Dialoge und
die inneren Kämpfe der Figuren: „The
heartbreaking silliness of everyday life“ wie Anne Tyler das in einer
Lobeshymne auf Barbara Pym genannt hat.
Barbara Pym muss in
den Jahren, in denen sie keinen Roman mehr bei einem Verlag unterbringen
konnte, befürchtet haben, dass ihr Schreiben völlig wirkungslos bleiben und die
paar Romane, die sie in den 50er Jahren veröffentlich hatte, nie wieder
aufgelegt werden würden. Langfristig aber scheint auch in ihrem Fall zu gelten, dass
es für das Überleben eines literarischen Werkes wichtiger ist, wer es in
welcher Weise schätzt, als von wie vielen es zum Zeitpunkt des ersten
Erscheinens gelesen wird. Barbara Pym war, als 1977 das Times Literary Supplement englischsprachige Autorinnen und Autoren
fragte, welche Schriftstellerinnen und Schrifsteller die am meisten
unterschätzten des 20. Jahrhunderts seien, die einzige, die von den Kolleginnen und Kollegen zweimal genannt
wurde, von ihrem langjährigen Freund Philip Larkin und von David Cecil. So
scheint sich auch in ihrem Fall zu bewahrheiten, dass ein literarisches Werk
dauerhaft tradiert wird, wenn es einerseits für diejenigen, die selber
schreiben, von Bedeutung ist und andererseits, wenn es eine zwar möglicherweise
kleine, aber außergewöhnlich treue Leserschaft gewinnen kann, die sich für
dieses Werk einsetzt. Ganz offensichtlich spielt das, was für den
Augenblickserfolg im zeitgenössischen Feuilleton häufig den Ausschlag gibt, nämlich
die Aktualität der dargestellten Probleme und Verhältnisse dagegen auf Dauer überhaupt keine Rolle. Wie sich
für Jane Austens Romane in jeder Generation junger Frauen eine begeisterte
Leserschar gefunden hat, obwohl die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern und
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich völlig verändert haben (oder
verändert zu haben scheinen), so hat auch Barbara Pyms Gesamtwerk – in
Wellenbewegungen – immer wieder neue junge Leserinnen gewinnen
können. Ich lernte sie in den 80er Jahren während meines Studiums „kennen“ und
lieben. Damals veröffentlichte der Piper Verlag im Zuge der Renaissance der
Autorin in Großbritannien nach der Befragung im Times Literary Supplement einige ihrer Romane in deutschen
Übersetzungen. Ich verschlang sie alle. An die englischsprachigen Originale
wäre ich damals in der Provinz schwerlich gekommen. Wie wunderbar daher für
mich die erneute Wiederentdeckung in Zeiten des ebooks, in denen es kein
Problem mehr ist, die Originaltexte
herunterzuladen. Open Road Media und Virago Press Modern Classics haben
jüngst die allermeisten der Romane von Barbara Pym in digitaler Form neu
veröffentlicht und mir so nicht nur ein Wiederlesen, sondern eine echte
Neuentdeckung möglich gemacht. Denn Barbara Pym auf Englisch – das ist halt „the real McCoy“.
Die (Re-)Lektüre des
Gesamtwerks von Barbara Pym hat mich durch die kalten und vergrippten
Wintermonate gebracht. Auf „Gleisbauarbeiten“, ich habe es mehrfach betont, gibt es keine Verrisse. Stattdessen will ich meine Zeit darauf verwenden, für die Autorinnen und
Autoren zu werben, deren Bücher mich begeistert, deren Erfindungen mich
bereichert und belehrt, deren Figuren mich berührt haben, zum Lachen oder Weinen
gebracht, zum Nach- und Umdenken. Eine solche Autorin ist für mich zweifellos
und mehr noch als damals vor über 20 Jahren Barbara Pym. Ich möchte Ihnen hier
im Blog in drei „Etappen“ ihr Werk vorstellen: zunächst jene sechs Romane, die
vor der Ablehnung von „An Unsuitable
Attachement“ erschienen, in der zweiten Folge dann jene Romane, an denen
sie bis 1977 schrieb, obwohl sie die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals wieder
publizieren zu können, zuletzt über das nach 1977 geschriebene „Alterswerk“,
dessen literarisches Personal die Erfahrung des Altwerdens mit der Autorin
teilt.
An Some Tame Gazelle, der Roman, der 1950
erstmals erschien, hatte Barbara Pym schon vor dem 2. Weltkrieg zu schreiben
begonnen. Aber statt die Erfahrungen und Träume der jungen Frau zu spiegeln,
die sie damals war, erzählt der Roman von zwei ältlichen Schwestern, Belinda und Harriet Bede, die in einem
kleinen Dorf in der englischen Provinz zusammenleben. Legendär ist der
Anfangssatz dieses Romans geworden: „The new curate seemed quite a nice young
man, but what a pity it was that his combinations showed, tucked carelessly
into his socks.“ Die noch immer
gutaussehende, wenn auch etwas kräftig-plumpe Harriet wird von einem italienischen Adeligen und Gartenliebhaber verehrt und alle
paar Monate mit einem Heiratsantrag beehrt, steigt aber lieber jungen Kuraten
hinterher, die sie begluckt. Ihre Schwester Belinda,
unscheinbarer, schüchterner und reflektierter als Harriet, ist seit Jahrzehnten
in den verheirateten Archdeacon verliebt: „Belinda, having loved the Archdeacon
when she was twenty and not having found anyone to replace him since, had naturally
got into the habit of loving him, though with the years her passion had
mellowed into a comfortable feeling, more like the cosiness of a winter evening
by the fire than the uncertain rapture of a spring morning.“ Dem äußerlichen
Gleichmaß der Tage in der Provinz, der Langweile der Teapartys und
Gottesdienste, steht die innere Gefühlstiefe und die Stürme in den Herzen der Schwestern gegenüber. Zwei weitere unerwartete Heiratsanträge (einer
von einem englischen Bischof, der in Afrika eine Mission leitet) führen die
Krisis herbei, an deren Ausgang deutlich wird, dass beide nichts
mehr fürchten, als voneinander getrennt zu werden: „And finally, who would
change a comfortable life of spinsterhood in a country parish, which always had
its pale curate to be cherished, for the unknown trials of matrimony?“
Vielen gilt der zweite Roman „Exellent Women“ (1952) als Meisterwerk der ersten Schaffensperiode der Barbara Pym. Mildred, eine mittelalte Jungfer mit einem uninteressanten Bürojob, wohnt in
einer Mietwohnung und muss sich die Toilette mit den Nachbarn im Geschoss unter
ihr teilen. Der Roman beginnt mit dem Einzug der neuen Nachbarn. Mildred
beobachtet das junge Ehepaar, das offenbar eine Krise hat, und verguckt sich
ein wenig in den gutaussehenden Ehemann. Die Ehefrau, eine Anthropologin hat
sich in einen Kollegen, in Everett Bone, verliebt, während ihr Mann nach dem Krieg
noch in Italien stationiert war. Mildred beobachtet die Entwicklung der
Beziehungen zwischen den Partnern und wird auch für diese, wie schon für den
Pfarrer der Gemeinde und dessen Schwester, zu einem dieser vertrauenswürdigen, aber
selbst völlig unbeachteten Menschen, dem alle ihr Herz ausschütten: eine
„exzellente Frau“ eben. William, der Bruder einer Freundin von Mildred, bringt
es bei einem Essen auf den Punkt: „We, my dear Mildred, are the observers of
life. Let other people get married by all means, the more the merrier....Let
Dora marry if she likes. She hasn´t your talent of observation.“ Mildred, die
in Pyms Roman, die Ich-Erzählerin ist, stimmt William widerwillig, aber doch
zu: „On the bus I began thinking that William had been right and I was annoyed
to have to admit it. Mimosa did lose its first freshness too quickly to be
worth buying and I must not allow myself to have feelings, but must only
observe the effects of other people´s.“ So könnte es bleiben im Leben einer
dieser „exzellenten Frauen“, aber weniger exzellente Männer bringen Einiges
durcheinander, bis am Ende Mildred den Heiratsantrag Everett Bones annimmt, den
sie herausragend abstoßend findet.
"Jane and Prudence" (1953) ist mein
Favorit unter den Romanen der ersten „Periode“, weil im Mittelpunkt eine unwahrscheinliche
und doch ganz nachvollziehbar beschriebene Freundschaft zweier ungleicher Frauen steht. Jane, die Frau eines Vikars, ist eine
Rundumversagerin. Weder als Ehefrau und noch als Pfarrersfrau gelingt es ihr,
den Ansprüchen gerecht zu werden. Ihre Küche bleibt öfter kalt, ihr Haushalt
ist ungeordnet und zur ländlichen Gemeinde, die ihr Mann betreut, findet sie
keinen rechten Draht. Ebenso wenig kann sie sich aufraffen, ihre Studien zur
englischen Literatur, die sie in Oxford gelehrt hat, fortzusetzen. Vor ihrer
Ehe unterrichtete Jane an einem College. Prudence war eine ihrer
Schülerinnen. Die schöne Prudence hat, wie viele der weiblichen Figuren von
Barbara Pym, einen langweiligen Bürojob in London und ein unschlagbares Talent,
sich unglücklich zu verlieben. Beide machen sich Sorgen um die jeweils andere. Prudence glaubt, mit einem Ehemann wenig anfangen zu
können, aber Jane sieht es anders: „Oh, but a husband was someone to tell one´s
silly jokes to, to carry suitcases and do the tipping at hotels, thought Jane,
with a rush. And although he certainly did these things, Nicholas was a great
deal more than that.“ Es wird nicht alles gut am Ende in diesem Roman, weil in der Welt, die Barbara Pym erschreibt, die Verstimmungen, die kleinen
Ticks und größeren Bosheiten, die Ängste und Missverständnisse, die Fremdheit
im Vertrauten niemals völlig aufgelöst werden können, sondern höchsten, wie in „Jane und Prudence“ die Protagonistinnen
lernen können, ein wenig mehr Nachsicht mit sich und den anderen zu haben:
„Prue could have this kind of life if she wanted it, one couldn´t go on having
romantic love affairs indefinitely. One had to settle down sooner or later into
comfortable spinster ort he contented or bored wife.“
In „Less than Angels“ (1955) hat eine
meiner Lieblingsfiguren von Barbara Pym ihren ersten Auftritt: Esther Clovis,
die in der Folge beinahe in jedem der Romane auftauchen wird. Esther Clovis
wirkt in einem anthropologischen Institut als Herausgeberin von Festschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften, als Sekretärin und Verwalterin, als Hausdrachen und Anstandsdame, bringt Karrieren voran und vernichtet andere, sorgt mit eiserner
Disziplin für ordentliche Zitierregeln und funktionierende Zitierkartelle im
anthropologischen Wissenschaftsbetrieb. In „Less than Angels“ ist, eher ungewöhnlich für Pyms Romanwelt, eine
Autorin Hauptfigur, Catherine, die für Frauenzeitschriften Kurzgeschichten schreibt.
Sie ist liiert mit einem gutaussehenden, etwas jüngeren Anthropologen namens
Tom aus verarmtem Adel, der gerade von einer Expedition zurückkehrt ist und
sich mit seiner Promotion quält. In ihn verliebt sich Deirdre, ein junges
Mädchen aus einer spießigen Vorstadtfamilie. Tom gibt der Versuchung nach, trennt
sich von Catherine, verlobt sich mit Deirdre, wird aber in Afrika bei Unruhen erschossen. Die Trauer verbindet die beiden ungleichen
Frauen und schließt für eine kurze Weile die Lücke, die Catherine empfunden
hatte, als Tom sie verließ: „Often she felt the lack of that cosy woman friend
with whom she might spend an afternoon at a matineé, or shopping with a
pleasant gossipy tea afterwards. She seemed to know more men than women and,
delightful though their company was, she imagened that they were somehow less
comforting than a woman would have been.“ Doch die Wege der beiden, die
wenig gemeinsam haben, trennen sich, sobald die Erinnerung an Tom verblasst.
„A Glass of Blessings“ (1958) wird von der Ich-Erzählerin Wilmet Forsyth
erzählt, einer gelangweilten Ehefrau, die nach einem interessanten Objekt für
eine Romanze sucht. Piers Longridge, schick und unkonventionell, ein bisschen
verkommen und unausgewogen, der Bruder ihrer besten Freundin Rowena, reizt sie.
Ihre Gedanken kreisen um ihn und sein Leben, während sie gleichzeitig versucht,
ihren Tagen ein wenig Struktur zu geben, indem sie sich in das Gemeindeleben
einbringt. Als sie sich mit Piers zu einem Spaziergang verabredet, hofft sie
auf ein Bekenntnis. Stattdessen macht er sie mit seinem Lebensgefährten, einem gutaussehenden
Strickwarenmodel mit Unterklasse-Herkunft bekannt. Aber Keith, wie Wilmet trotz
ihrer Klassenvorurteile und sehr widerwillig feststellt, ist gut zu Piers und
ein wirklich netter Kerl, den sie mögen muss. Am Ende unternimmt Wilmet mit ihrem Mann
eine Sommerreise und das Paar kommt sich wieder näher. Eine zentrale Rolle im
Roman spielt die Freundschaft zwischen Rowena und Wilmet, die auch nicht
getrübt wird, als Rowenas Mann versucht, sich an Wilmet heranzumachen und
Rowena es heraufindet: „We linked arms and went down to join the men. I
reflected what a splendid and wonderful thing the friendship of really nice
women was. It could surely be said that Rowena and I were fortunate in each
other.“
„No Fond Return of Love“ (1961) ist letzte dieser sechs Romane. Er erzählt von Dulcie Mainwaring, einer weiteren
„exzellenten Frau“ und beginnt damit, dass diese sich von ihrem Liebeskummer
bei einem Kongress erholen will: „There are various ways of mending a broken
heart, but perhaps going to a learned conference is one of the more unusual.“
Wider Erwarten funktioniert die Kur, denn bei der Veranstaltung lernt Dulcie
einen Mann kennen, der ihr Interesse fesselt und sie vollkommen von ihrem Kummer
ablenkt. In den folgenden Monaten wird sie das Leben dieses Mannes, seine
Liebes- und Verwandtschaftsverhältnisse auskundschaften, in der Pension seiner
Mutter am Meer absteigen und seine Ex-Geliebte bei sich als Untermieterin
aufnehmen. Dulcie ist eine zurückhaltende, respektvolle und praktisch
unsichtbare „Stalkerin“. Am Ende hat sie ein sehr klares und keineswegs
besonders schmeichelhaftes Bild von dem Literaturwissenschaftler, dem sie so
hartnäckig gefolgt ist. Das "Happy End" des Romans entbehrt jeder Romantik, obwohl der
Umworbene die Vorzüge der so lange übersehenen exzellenten Frau zuletzt
erkennt: „As for his apparent change of heart, he had suddenly remembered the
end of Mansfield Park, and how Edmund fell out of love with Mary Crawford and
came to care for Fanny. Dulcie must surely know the novel well, and would
understand how such things hapen. What a surprise it would be, not least to his
familiy and Dulcie herself, who had so often urged him to make a suitable
marriage, if, when he was free, this very marriage should come about.“
Anders als bei ihrer
großen Vorgängerin Jane Austen, mit deren Romanen Pyms Werke häufig verglichen worden
sind, ist in den Romanen Barbara Pyms keineswegs sicher, dass „sie sich kriegen“
werden. Die Leserin ist sich häufig nicht einmal klar darüber, wer „sich
kriegen“ sollte. Während Austen ein einfaches, wiederkehrendes Schema (ein paar
Familien auf dem Land, heiratsfähige junge Männer und – notgedrungen -
heiratswillige junge Frauen begegnen sich, um schließlich die passenden Paare
zu bilden) nutzt, um in diesem Rahmen ihre präzisen und nicht selten
entlarvenden Konversationsstücke aufzuführen, durch die gleichermaßen die Lächerlichkeit
der geltenden Konventionen, aber auch der Schutzraum, den sie den Machtlosen
bieten, deutlich wird, zeigt Pym moderne Menschen, die entwurzelt sind,
entfremdet von ihren Familien und Herkunftsorten, aber weiterhin die Formen aufrecht erhaltend,
die nun, in einer sich verändernden Welt, von ihnen selbst nur noch als künstliche
erfahren werden können. Wer Austen liest, lernt zwischen den Zeilen zu lesen,
aufmerksam auf das Unausgesprochene zu lauschen und den „fruchtbaren Moment“ zu
erkennen, in dem das Wesentliche zur Sprache gebracht werden muss, damit das
Leben gelingen kann. Bei Pym dagegen wird offenbar, was Austen nicht ausspricht
oder aussprechen lässt: Dass nämlich die „suitable marriage“ keineswegs für
jede Frau (und jeden Mann) der Schlüssel zu einem gelingenden Leben ist. Jane
Austen, die – anders als ihre Heroinen – unverheiratet blieb, wusste das wohl
und führte es an den älteren Ehepaaren, die sie erschrieb, auf zum Teil
wahrhaft boshafte Weise vor. Der andere Lebensentwurf indessen, derjenige der „alten
Jungfer“, der „Tante Jane“, den sie im Leben wählte, war einerseits ihrer
Leserschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts als „Happy End“ wohl noch nicht
vermittelbar und andererseits auch tatsächlich keine Lösung für das Problem,
das neben der Liebe in Jane Austens Romanen zentral ist: die ökonomische
Sicherung der Existenz. An ein Leben als berufstätige Frau, als freie
Schriftstellerin gar, war für eine „gentlewoman“ noch im Traum nicht zu denken.
Wer Pym liest, kann dagegen lernen, wie in einer modernen Welt, in der alles in
Frage gestellt werden kann, die (im Grunde beliebige) Form zur Haltung wird, die
einzig noch Halt gibt.
Auch weiterhin, allerdings, kann selbstverständlich nicht alles jederzeit gesagt werden. In dieser
Ein-Bildung wähnen sich aber in Pyms Romanen die männlichen Amts- und Würdenträger, Wissenschaftler
und Pfarrer zumeist, Herren, die sich der Bedeutsamkeit ihrer eigenen Existenz
und ihrer Deutungsansprüche sicher sind, während sie der Leben der Anderen nicht einmal
ansatzweise gewahr werden, eingekerkert in den Panzer ihrer sorgfältig
konstruierten verwinkelten Theorien über abgelegene Kulturen, Literatur oder Theologie und sich niemals auf die Niederungen des Alltags einlassend. Der
Blickwinkel der Frauen, die für diesen (die "Dreckarbeit" also) zuständig sind oder gemacht werden, ist es jedoch, den Pym schreibend einnimmt und sie
schlägt nicht wenig Funken aus der Analogie zwischen anthropologischen Studien
in Afrika und ihren Erzählungen über das merkwürdige Verhalten englischer
Mittelstandsmänner und – frauen.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich dann eben auch kaum mehr auf die Aussprache (zwischen den Geschlechtern), auf das Liebesgeständnis also, zu warten. Was Männer als „Liebesgeständnis“ Frauen zu sagen haben könnten, ist längst aus-gesagt und enttarnt als ewig-endliche Leimrute, mit der sich eine Haushälterin eingefangen wird, die dafür zu sorgen hat, dass weiterhin Bedeutsames herausposaunt, aufgeschrieben und in „learned societies“ besprochen werden kann. In den Pausen gibt es heißen Tee, für den „die Anderen“ zu sorgen haben, jene unsichtbaren, unbeachteten „exzellenten Frauen“. Pyms Romane beschreiben unbestechlich, beinahe wissenschaftlich sezierend die Verhältnisse, ohne jemals mit Empörung zu reagieren. Die absurde und abscheuliche Welt der „bedeutenden“ Männer zu „erobern“, erscheint hier eben gerade nicht als ein erstrebenswerter Ausweg aus dieser Konstellation.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich dann eben auch kaum mehr auf die Aussprache (zwischen den Geschlechtern), auf das Liebesgeständnis also, zu warten. Was Männer als „Liebesgeständnis“ Frauen zu sagen haben könnten, ist längst aus-gesagt und enttarnt als ewig-endliche Leimrute, mit der sich eine Haushälterin eingefangen wird, die dafür zu sorgen hat, dass weiterhin Bedeutsames herausposaunt, aufgeschrieben und in „learned societies“ besprochen werden kann. In den Pausen gibt es heißen Tee, für den „die Anderen“ zu sorgen haben, jene unsichtbaren, unbeachteten „exzellenten Frauen“. Pyms Romane beschreiben unbestechlich, beinahe wissenschaftlich sezierend die Verhältnisse, ohne jemals mit Empörung zu reagieren. Die absurde und abscheuliche Welt der „bedeutenden“ Männer zu „erobern“, erscheint hier eben gerade nicht als ein erstrebenswerter Ausweg aus dieser Konstellation.
Aus dieser Einsicht und den messerscharfen Dialogen und präzise geschilderten Beobachtungen menschlicher Unsicherheiten, Ängste, Sehnsüchte, die durch Etikette und Haltung verborgen, aber auch beschützt werden, beziehen die Romane Barbara Pyms, die Verhältnisse
und Verhaltensweisen schildern, die unseren, in Deutschland, im 21. Jahrhundert so wenig gleichen (oder zu gleichen scheinen) ihre Faszination für Leserinnen, geradeso wie sich auch für Jane Austens
scheinbar so ereignisarme, immer gleiche Plots Jahr für Jahr neue Leserinnen
finden.
Lesen Sie Barbara Pym!
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