Samstag, 27. Juli 2013

FACTS ARE SUCH HORRID THINGS. Feminstin "outete" nicht!

Über "Aléa Torik respektive Claus Heck" steht in der heutige Ausgabe der taz, er habe sich  "im Internet ... outen lassen von einer Feministin, die sich kritisch mit Autoren, die unter weiblichem Pseudonym schreiben, auseinandergesetzt hatte - eine auch sehr lustige und vielsagende Geschichte, die bei anderer Gelegenheit mal ausführlicher erzählt werden sollte".   

Nun, diese Geschichte, die ich - zufällig - aus erster Hand kenne, hat in der Tat komische Aspekte und da ich in ihr vorkomme, nehme ich mir das Recht heraus, sie einmal zu erzählen, bevor sie ein anderer erzählt, möglicherweise als eine fiktionalisierte, denn wir wissen ja alle - gerade wie Lady Susans Vertraute Alicia (in dem gleichnamigen Briefroman von Jane Austen): "Facts are such horrid things."

Am 16. Januar 2012 stellte ich auf "Gleisbauarbeiten" einen Text über "Virtuelle Gender-Identitäten" ein. Die Gedanken, die ich in diesem Text formulierte, waren Resultat eines Gesprächs über Internet, Geschlecht und Identität, das im Rahmen eines Frankfurter Treffens der "Girls on web" stattfand. Es ging dabei darum, dass inmitten der Gender-Troubles nicht alle Spiele mit geschlechtlicher Identität uns gleich gerechtfertigt vorkamen. Einerseits: Geschlecht als Konstrukt zu verstehen und sich die Freiheit des Spiels nehmen zu können, andererseits: die Bedingungen von Kommunikation außer Kraft setzen, indem eine Rolle gespielt wird, für die keine/r bürgt. Wir sprachen zum Beispiel über den britischen Blogger, der sich als "Gay Girl in Damascus" ausgegeben hatte. Und ich überlegte hinterher, warum mir einige Spiele mit Geschlechtsidentität wertvoll und wichtig erschienen, während ich andere als Täuschung wahrnahm. Ich suchte weitere Beispiele in meinem virtuellen und realen "Umfeld". So entstand dieser Text und wurde ins Netz gestellt.

Dann erhielt ich eine kryptische Mail von einem Claus Heck, in der dieser mir Unbekannte schrieb, es vergehe kein Tag, an dem er nicht Angst vor Entdeckung habe, Angst vor Artikeln wie meinem, der ja wohl auf ihn zugeschnitten sei. Doch er lasse sich keine Angst machen. Die Passage, aus meinem Post "Virutelle Gender-Identitäten", die so heftig Reaktionen ausgelöst hatte, war diese:


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"Anastasia/Pjotr"
Es fing als Wette an. Einem begabten Studenten wie  Pjotr müsse es doch gelingen, im Netz eine überzeugende Kunstfigur zu schaffen: Anastasia, eine aufregend schöne und kluge Kunststudentin ukrainischer Herkunft. Pjotr inszeniert eine Serie von „Selbstporträts“, die er „Meine Poren“ nennt und in einem Blog zusammen mit fiktiven Tagebuch-Einträgen und ästhetischen Essays der Anastasia veröffentlicht. Anastasias Blog zieht genau das Publikum an, das sich er sich erhofft hat: Geisteswissenschaftler und Galeristen, überwiegend männlich, im Alter zwischen 30 und Anfang 60. Das Blog "ANASTASIA" gilt in der Kunst-Blogger-Szene als authentisch, weiblich und eigenwillig. Mehrere Galeristen reißen sich schon darum, "Anastasias" Bilder unter Vertrag zu nehmen." 

(Der ganze Artikel, in dem diese Inszenierung mit anderen Formen des Spiels mit geschlechtlicher Identität in virtuellen Welten verglichen  wird, hier "Virtuelle Gender-Identiäten")
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Ich musste die Mail von Claus Heck mehrmals lesen, bevor ich begriff, worum es ging, nämlich dass ich von diesem Herrn schon Mails erhalten hatte unter dem Pseudonym "Alea Torik", unter dem er auch ein Blog betrieb, in dem ich gelegentlich kommentiert hatte und das damals ebenfalls bei litblogs.net  gelistet war. Darauf, dass "Alea Torik" ein Pseudonym sei und sich hinter dieser Figur jemand ganz anderes verberge, hatten mich mehrere befreundete Blogger und Kommentatoren schon Monate vorher hingewiesen, als ich mich in einem Streit zwischen diesem Blogger und Alban Nikolai Herbst  als Kommentatorin auf die Seite Toriks geschlagen hatte. Ich hatte damals nicht weiter nachgefragt, ob Blogger Torik ein Mann sei oder eine Frau. Es war mir schlicht egal. 

Nachdem Torik sich aber mir gegenüber in der Mail als Mann geoutet hatte (und eben nicht hat "outen lassen", worin tatsächlich der Witz besteht, besonders wenn man bedenkt, mit welcher Figur aus meinem Post er sich identifizierte), prüfte ich für mich, ob ich sein Bloggen als Frau und seine Kommunikation mit Kommentator_innen als bereicherndes Spiel oder eher als Betrug wahrnahm. Letzteres war der Fall. Die Gründe dafür sind schlicht: Das Bloggen von fiktionalen Texten unter weiblichem Pseudonym wäre aus meiner Sicht völlig unproblematisch gewesen. Sich an Diskussionen über Geschlechtlichkeit jedoch als Frau  (wenn man ansonsten, im "realen" Leben nicht als eine solche "gelesen" werden will) zu beteiligen, halte ich für unangebracht. Auch die Aufrechterhaltung der Fiktion in privaten Mails empfinde ich als unredlich. Das ist meine persönliche Meinung, kein allgemein gültiges Urteil oder gar eine literarische Wertung dessen, was Torik als Literatur geschrieben hat/schreibt.

"Geoutet" habe ich, die Feministin (:-) ), Torik nicht. Er hat sich mir gegenüber geoutet, weil er sich mit der Figur Piotr verwechselt hat, die fiktiv ist. Das ist nicht ohne Komik, wahrhaftig. 

Zwei Personen, von denen ich wusste, dass sie mit Torik/Heck in Mail-Kontakt standen und mit denen ich mich verbunden fühle, habe ich in einer privaten Mail (wie vorher andere mich) informiert, dass Torik nicht die Person ist, für die sie sich im Netz und in den Mails ausgibt (ohne seinen "realen" Namen oder sein Geschlecht zu nennen). Eine wusste es schon, ein anderer war sehr enttäuscht und nahm es zum Anlass in seinem Blog über diesen Gemengelage aus Literatur, Bloggen, Kommentieren, Gender-Trouble, Grundlagen von Kommunikation zu schreiben. Das mag gewesen sein, was Torik/Heck als "Outing" erlebt hat. Ich selbst habe die Entscheidung nicht getroffen, den "Fall" öffentlich zu machen und hätte sie auch nicht so getroffen. Aber ich finde es nachvollziehbar. 

Keines der literarischen Werke Torik/Hecks habe ich gelesen. Ich kann daher nichts dazu sagen, ob sie lesenswert sind oder nicht. In meinem Post "Virtuelle Gender-Identitäten" ging es auch nicht, wie der taz-Autor, wohl falsch informiert, behauptet, um literarische Werke und deren "Autoren", sondern um virtuelle Gender-Identitäten. 

Claus Heck schrieb mir in der Mail, in der er sich mir gegenüber "outete", er gehe davon aus, dass ich sein Schreiben ernst nehme. Der Irrtum oder das Missverständnis, dem er unterlag, war, anzunehmen, dass ich mich für das Schreiben von jemandem interessieren könne, den ich als Person nicht ernst nehme. Auch in dieser Entscheidung gegen die Lektüre bestimmter literarische Werke liegt kein literarisches Werturteil. Es ist lediglich ein Auswahlkriterium, das ich mit Blick auf die Fülle literarischer Werke, die es bereits gibt, und die Fülle, die jedes Jahr neu hinzukommt, anwende. 

2 Kommentare:

  1. Ich finde es gut, wie sachlich Sie hier die "Geschichte Torik" referieren. Erzählen brächte ja schon wieder etwas Fiktionales in die "Causa". Als denunziatorisch und in seiner(!) wiederum Verletzlichkeit auch verständlich, empfinde ich den letzten Blogbeitrag der "jungen Rumäniendeutschen" in ihrem Blog selbst. Langsam tut mir dieser arme, täuschende und ach so missverstandene Autor fast leid. Denn er hat als Claus Heck literarisch noch nie den Mund aufgemacht. Vermutlich kann er ohne Maskenspiel gar nicht sprechen. Er lässt lieber sprechen, wie ein Bauchredner.
    Dabei fällt mir ein Titel Bolaños ein: Krankheit + Literatur = Krankheit. Ich würde ihn abwandeln: Intelligenz + Feigheit = Täuschung. Ich finde die "Causa Torik" mittlerweile so was von ausgelutscht. Da kräht doch nicht einmal der Hahn der Bremer Stadtmusikanten mehr nach.
    Aber so oute ich mich nun selbst, immer noch an den fiktiven Lippen dieser Scheinautorin zu hängen. Ich glaube, die schmecken ihr selbst mittlerweile ziemlich bitter und nur so kann ich mir einen derart peinlichen, selbst denunziatorischen Beitrag dort drüben im Blog mit dem großen rosa Spieltrieb nur erklären.

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    1. Mag der Ton auch sachlich sein, so ist es halt doch meine Sicht der Dinge. Ich hoffe, es wird genügend deutlich, dass "Urteile fällen" (in dem Sinne von: klären, was "man darf") nicht meine Absicht ist. Erst recht äußere ich mich nicht über literarische Werke, die ich gar nicht gelesen habe. Den Blogeintrag, auf den Sie Bezug nehmen, kenne ich nicht - und ich denke, das ist auch ganz gut so :-).

      Jenseits aller persönlichen Verletzungen gibt es hier halt einen Dissens darüber, was Literatur ist (und was keine ist) bzw. welche Voraussetzungen Kommunikation hat. Dissens muss und sollte nicht zu Feindschaft führen. Letztlich kommt es dabei, wie auch sonst immer auf die Beziehung an: Wenn sie von Respekt getragen ist, kann der Dissens ausgehalten werden. Wo der Respekt auf der einen oder anderen Seite aber fehlt oder verloren gegangen ist, da, so glaube ich, ist ein Abbruch der Beziehungen sinnvoller, als die "Pflege" der Feindschaft. So versuche ich es zu halten. Deshalb bereue ich auch schon ein wenig, mit diesem Post noch einmal auf das Thema eingegangen zu sein. Andererseits: Wenn "ich" sogar in der taz erwähnt werde, soll sich in "diesem Internet" doch auch meine Version "der Geschichte" einmal finden lassen. Und damit aber genug davon!

      Nach Wochen der Zweisamkeit wird unser Haus ab morgen wieder voll sein: Beide Söhne kommen "zurück" und auch meine Neffen. Ein Teil von mir freut sich sehr - und der andere sehnt sich danach, weiter "in Ruhe" lesen und schreiben zu können. Das wird nächste Woche wohl erstmal gar nicht mehr drin sein.

      Liebe Grüße
      M./J.

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