Sonntag, 16. Februar 2014

"Ziehe deinen Weg, solange du kannst. Lustiger, ewig wahrer Schurke unter verschiedenen Masken..." (+ Lied zum Sontag)


Ani Difranco: Untouchable face


Könnte ich über Musik schreiben, so schriebe ich heute nicht über Ani Difrancos "Untouchable Face", sondern über Giuseppe Verdis "Falstaff" (1893). Denn gestern sah ich eine großartige Inszenierung in der Frankfurter Oper. Verdi bearbeitet in "Falstaff" den Stoff aus Shakespeares "Die lustigen Weiber von Windsor". Der übergewichtige und herunter gekommene Sir John Falstaff glaubt - gegen den Augenschein - ein Frauenschwarm zu sein und seine missliche finanzielle Lage durch Affären mit verheirateten Bürgersfrauen, die die Geldschatullen ihrer Kaufmannsgatten verwalten, beheben zu können. Die durchschauen indes sein durchtriebenes und berechnendes Spiel und drehen den Spieß herum. Zum Schein geht Mrs. Alice Ford auf die Avancen des adeligen Säufers und Lebemanns ein, um ihn schließlich den Spott preiszugeben. Nach einigem Hin und Her, inklusive eifersüchtigem Ehemann und verliebter Tochter, wird Falstaff in der Nacht beim angeblichen Rendezvous von als Elfen, Feen und Geister Verkleideten verwirrt, gepiesackt und zum Geständnis seiner Schändlichkeit getrieben. Auch der eifersüchtige Ehegatte und unnachgiebige Vater bekommt sein Fett weg, bevor es zum versöhnlichen Ende kommt, bei dem deutlich wird: Alle sind Spieler, jede/r trägt eine Maske und zu verachten ist nur, wer "die Heilige" oder "den Heiligen" gibt. Unfassbar auch, dass Verdi diese Oper nur zehn Jahre nach Wagners Tod schrieb. Denn Verdis Oper ist nicht nur "komisch", sondern auch "witzig"; nicht romantisch-ironisch, sondern "very british" humorvoll, augenzwinkernd, vergeblich und vergebend. "Falstaff" schließt mit einer wunderbaren Fuge, die alle konkurrierenden, intrigierenden, disparaten Stimmen noch einmal vereinigt: "Tutto nel mondo è burla. L`uom è nato burlone." Wir sind Narren und halten zum Narren, wir werden genarrt und narren uns selbst. Die Einsicht in unsere menschliche Schwäche und Sterblichkeit kann tragisch "erhaben" überhöht werden oder uns zum herzlichen Lachen (über uns selbst und die anderen) bringen. 

Raten Sie mal, was mir besser gefällt!

(Auch in meinem Roman "PUNK PYGMALION" spielt das Lachen oder - andersherum - : die Unfähigkeit zu lachen eine Rolle. Die, an deren Lachen sich keiner erinnern kann, Emmi, der das letzte Kapitel des Romans gehört, zitiert auf S. 165 aus "Untouchable Face" von Ani Difranco: 

"You look like a photograph of yourself
taken from far far away, and I don´t know what to do
And I don´t know what to say, but
Fuck you and your untouchable face.
Fuck you for existing in the first place."

So bitter und tragisch ist das, wenn eine nicht lachen kann. Über sich selbst. Noch schlimmer: Nicht einmal über die Andere. 

Und weil ich über Musik nicht schreiben kann und daher auch nicht darüber, was die Frankfurter Inszenierung des "Falstaffs" so großartig macht, stelle ich zum Sonntag eben doch mal wieder einen Song ein, den ich mag.)


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