Mittwoch, 12. März 2014

Spätvorstellung: KRIEGE, DIE ICH GESEHEN HABE

Ein Beitrag von Morel





Den Krieg habe ich nur in Film und Fernsehen gesehen. Doch leider niemals mit dem Vergnügen, das mir andere Filmgenres bereitet haben. Die moralisch immer mehr aufgerüstete Kulturkritik darf nun aufstöhnen: Vergnügen sollte ein Krieg ja auch nicht machen. Das aber gilt auch für Verbrechen, unglückliche Liebe und Verrat –Schicksalsschläge, die wir gerne im Kino nacherlebt haben. Der Krieg dagegen ist im Kino immer gleich: junge Männer werden von alten Männern auf dem Schlachtfeld, wie es immer so schön heißt, geopfert. Die alten Männer sind entweder zynisch oder melancholisch-resigniert oder fanatisch-überzeugt, die jungen Männer dagegen grundsätzlich immer naiv. Das Schlachtfeld war früher schlammig-grau oder schwarz-weiß und ist heute farbig, aber unübersichtlich. Der Krieg ist immer absurd und sinnlos. Früher weil im gar nicht mal so seltenen pazifistischen Kriegsfilm auf beiden Seiten dieselben naiven jungen Männer gezwungen wurden, aufeinander zu schießen. Oder im gar nicht mal so seltenen latent rassistischen Kriegsfilm der Feind völlig unverständlich erscheint, nicht nur weil er eine andere Sprache spricht, sondern weil er sich fremdartig und irgendwie unvorhersehbar verhält. Ist die eigene Seite individualistisch und freiheitsliebend, verblüfft der Gegner durch kollektiven Irrsinn und Schicksalsgläubigkeit. Wenn umgekehrt die eigene Seite Edelmut und Opfermut heroisiert, erweist sich der Feind als hinterhältig und feige. Seltsamerweise knüpft der zeitgenössische Kriegsfilm gerne an das zweite Modell an, das dualistische, nicht an das pazifistische, tendenziell einheitliche. Im postmodernen Kriegsfilm ist der Gegner unsichtbar, nur ein Lichtpunkt auf dem Computerbildschirm. Wenn er sich aber überraschend in seiner düsteren Größe zeigt, dann als das Gegenmodell zu der eigenen Seite: entweder ein düsterer Fanatiker, wenn „wir“ individualistisch gesinnt sind, oder ein dekadenter Zyniker, wenn „wir“ die Gemeinschaft ehren. Denn Filme werden ja inzwischen nicht mehr nur in Hollywood gedreht. Interessant auch, dass Kriege nicht mit Kriegsfilmen gewonnen werden. Ist der Krieg erst einmal erklärt, regiert im Filmtheater die Komödie oder das Melodram, erst wenn er vorbei ist dreht man ihn im Studio nach. Erst nach Love Story schlägt die Stunde von Apokalypse now. Anders als im Western (in dem die Frau selbst abwesend noch die Handlung vorantreibt) beschränkt sie sich im Kriegsfilm auf zwei eher statische Rollen: die Taschentuch schwenkende oder auf Skype weinende Liebe in der Heimat und die Zwangsprostituierte an der Front. Interessant wird es an dieser Stelle nur in den wenigen Filmen, in denen diese beiden Rollen sich verschränken: wenn der männliche Soldat in der Fremden die zurückgelassene Liebe wiederfindet. Das ist schon ein Motiv in den großen pazifistischen Filmen der dreißiger Jahre von Renoir oder Chaplin, das im High-Tech-Video-Krieg aber nur schwer wiederzubeleben sein wird. Aber auch diese Filme sind oft schwerfällig, pathetisch und langsam. Im Krieg wie in der Liebe danken Witz und Verstand ab,  zum Glück aber gibt es immer Ausnahmen. Den besten Kriegsfilm nämlich hat Preston Sturges verblüffender Weise während des zweiten Weltkriegs unter den verschärften Bedingungen der US-Kriegszensur gedreht. Hail the conquering Hero handelt von Woodrow Lafayette Pershing Wilson (ein Name voller politischer und militärischer Anspielungen), der so wie sein Vater ein Kriegsheld sein will, aber wegen Heuschnupfen ausgemustert wird. Um seine Mutter nicht zu enttäuschen, zieht er trotzdem in den Weltkrieg, kommt aber nicht weiter als bis San Diego. Dort betrinkt er sich im Hafen mit einigen Marines, die ihn mit Orden ausstatten und wieder in die heimatliche Kleinstadt verfrachten, wo er zum Kriegshelden ausgerufen wird. Die Lüge hält er nicht lange durch, aber der reuige Sünder ist in der Kleinstadt der wahre Held. Er hat sich vor der einzigen Macht bewährt, die einen Mann absolut beherrscht: der eigenen Mutter. Dieser Mut qualifiziert ihn für das Amt des Bürgermeisters. Preston Sturges hat den Krieg dahin zurückgebracht, wo er beginnt: in die Provinz, wo aus toten Vätern und ehrgeizigen Müttern falsche Helden erwachsen. Der richtige Film für eine Zeit, in der Politik und Medien nicht genau wissen, ob die Stunde nun 19:14 oder 19:38 geschlagen hat.

1 Kommentar:

  1. Noch primitiver scheint mir die Rollenverteilung in einschlägigen Videospielen zu sein. Und gefährlicher obendrein.

    Wie dem auch sei: Filme, deren Regisseure und Autoren zumindest versuchen, den Krieg als das darzustellen, was er ist, kann man an einer Hand abzählen. Ganz abgesehen davon, dass die es nicht in die Blockbuster-Listen schaffen. Was man "einem verkauft wird" sind genau jene Klischees, die Sie oben treffend beschrieben haben.

    Mit Kriegsfilmen werden zwar keine Kriege gewonnen, dafür aber vorbereitet, "schmackhaft" gemacht. Das Herumgeballere breitet sich ja auch in anderen Genres aus. Ein gutes Beispiel: Science Fiction. Ja, ich geb´s zu und die Hoffnung nicht auf: für eine Story bin ich immer noch zu haben. Was läuft stattdessen unter diesem Label? Mist. Ein mit technischem Firlefanz eingekleideter Kriegsfilm.

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