Samstag, 31. Mai 2014

Spätvorstellung: HEDY

 Ein Beitrag von Morel



In Andy Warhols Hedy wohnen wir einer Entweihung bei. Aus dem Star Hedy Lamarr wird in einer Art von burlesken Satire ein Opfer, nicht im sakralen Sinne, eher im Sinn, der dem Wort heute auf den Schulhöfen der Welt gegeben wird: jemand der nicht aufpasst und plötzlich überall so zu sehen ist, wie er für einen Moment wirklich war.

Anfang der 60er Jahre nach seinen ersten Erfolgen auf dem Kunstmarkt, begann der Maler Andy Warhol sich mit Film zu beschäftigen. Mit sehr begrenzten Mitteln und lang anhaltenden Folgen. In seiner Einführung zu dem selten zu sehenden Film Hedy im Deutschen Filmmuseum stellte Diedrich Diederichsen angenehm lakonisch die männlichen Produktionspartnerschaften hinter diesem Film vor: Warhol und sein Drehbuchautor Ronald Tavel, Lou Reed und John Cale von Velvet Underground, die den Soundtrack beisteuerten und zwar live, im selben Raum, während der Dreharbeiten. Warhol und Tavel waren beide von Filmstars fasziniert. In Notizen zu dem Film beschreibt Tavel seine Faszination durch Hedy Lamarrs Todesszene in dem rassistischen Hollywood-Melodram White Cargo, in dem sie eine Eingeborene spielt, die sich ihres weißen Mannes durch Gift zu entledigen versucht, aus Langeweile und Überdruss. Die Faszination eines männlichen Jugendlichen mit der Frau als verführerischer Anderer wird in Hedy auf perverse Weise ausgelebt. Auch Warhol war auf der Suche nach dem Weiblichen im Bild des Stars. Er nahm die Gesichter ins Visier und wartete was passierte. Warten und Beobachten war seine Stärke. Tavel übernahm die Rolle des Provokateurs, der auf Reaktionen aus war. Mit dem glücklichen Begriff des Dark Camps brachte Diederichsen diese sadistisch- voyeuristische Produktionsweise zum Schluss seines Vortrags auf den Punkt. Offen ließ er, warum der US-Underground im New York der 60er sich unter das Zeichen des Sadismus stellte.

Hedy ist einer der wenigen Tonfilme von Andy Warhol bei dem er die Kamera selbst geführt hat. Das Drehbuch handelt vom Filmstar Hedy Lamarr, die nach einer Schönheitsoperation wie eine 14-jährige aussieht,  bei einem Ladendiebstahl erwischt und vor Gericht gestellt wird. Nach Aussagen ihrer fünf Ex-Ehemänner zwingt der Richter (Roland Tavel) sie Gift zu trinken. Wie in White Cargo. Da alles in einer großen Halle gedreht wird, ist in Warhols Film von Kaufhäusern, Gerichten und Polizisten wenig zu sehen. Wir sehen seinen Superstars dabei zu, wie sie ihren Rollen (wahrscheinlich zum ersten Mal) begegnen. Warhol nimmt mit der Kamera entweder starr eine Einstellung auf (in die nicht immer alle Beteiligten hineinpassen) oder macht sich mit heftigen Schwenks auf leere Wände und einmal hektisch auf Hedy zu bemerkbar. Die erste Einstellung, die mehrere Minuten lang zu sehen ist, zeigt Hedy auf dem Operationstisch unter einer Lupe, die verzerrt ihre Nase und Mund ins Blick rückt. Die "starmaking machinerie" wird hier zum Gewaltakt, während Hedy immer wieder stöhnt, sie sei die schönste Frau der Welt. Das Drehbuch, im Internet nachzulesen, ist eine witzige Groteske, aber im Film, in dem nun nicht wirklich jedes Wort zu verstehen ist, besonders wenn die Velvets sich mit Klavier und Feedbacklärm irgendwo im Hintergrund bemerkbar machen, überwiegt eine Atmosphäre des Unheimlichen, Übergriffigen. Niemand außer der legendären Dragqueen Mary Montez als Hedy gibt sich Mühe mit seinen Verkleidungen. Ganz bei sich ist der Film in den eingefangenen Versuchen zu Posen. Wichtig, dass es bei Versuchen bleibt. Anders als Fassbinder ist Warhol nicht an Tableaus interessiert, sondern an Gesichtern. An den Aspekt an ihnen, der nicht zum Bild gefriert. In seinen Screentests zeichnete er sie so lange auf, bis das passierte. Dieser Prozess ist kein angenehmer, keiner der Emanzipation, wenn wir das Bild von uns verlieren, kommt auch Dunkles zu Tage - und es scheint als ginge es genau darum. Twisted and unkind, wie  Nico bald auf der ersten Platte von Velvet Underground singen wird.


Zu sehen sind in Hedy ein paar Außenseiter, die sich einen bösen, kindischen Spaß machen. Wenn Warhol sie Superstars nennt, dann zwar voller Ernst - everybody is a Star, aber auch gegen Hollywood, das die Faszination des Stars seiner Kontrolle unterworfen hatte. Damit ist es nun, Mitte der 60er vorbei.  Diederichsen wies zu Recht darauf hin, dass Hedy mit dem Leben von Hedy Lamarr wenig zu tun hat, die eine faszinierende und intelligente Frau war, in Hollywood aber auf eher klischeehafte Rollen abonniert. Stattdessen entwickelte sie eine 1943 patentierte Funkfernsteuerung für Torpedos, eine Erfindung auf die sie beim Komponieren mit dem Avantgarde-Komponisten George Antheil gestoßen war. Die Frau, die in Hedy vor Gericht gestellt wird, ist allein das Faszinosum des jungen Ronald Tavel, die Frau, die er im Kino und in seinen pubertären Träumen sterben sah. Der Star ist mehr als eine Heldin, er ist eine der wenigen Formen, in denen Außenseiter in Amerika verehrt und nicht vertrieben wurden (wie die Monster in den Horrorgeschichten). In ihnen feierte die formierte Gesellschaft ihre Individualität, die sie ihren Mitglieder nur ausnahmsweise zugestand. Im Kino, in der Popmusik. Indem Warhols Filme die Kirche des Starkults plündern, in kindischen und grausamen Akten der Entweihung, schlagen sie ein neues Kapitel auf, das dann von anderen Medien geschrieben wird. Und seitdem werden die Stars nicht mehr verehrt, sondern verfolgt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen