Sonntag, 26. Oktober 2014

VERSTECKTE BOTSCHAFTEN (+ Sonntagslied)

Mit allen, sagt sie, müsse man reden. Meinetwegen kann man das versuchen. Fragen stellen. Zuhören. Ernst nehmen. Kann man ja machen. Muss ich aber nicht. Das ist auch Freiheit, vor allem: Gespräche zu verweigern. Sich abwenden. Nicht bekämpfen, sondern ablehnen, kompromisslos. Nicht ansprechbar sein, nicht ernst nehmen, nicht zuhören, nicht stehen bleiben. "Mit denen will ich nix zu tun haben." Das will sie nicht hören. Nicht von mir jedenfalls. Denn sie hält mich für intelligent. Ich traue mich nicht, ihr zu sagen, dass ich ihre Gesprächsbereitschaft für eine Dummheit halte. Und wie sehr ich mir wünsche, sie könnte auch mal die kalte Schulter zeigen. Keine Überzeugungsarbeit leisten (eine Wortkombination, die ich aus tiefem Grunde hasse). Ich mag sie, aber sie geht mir auf die Nerven, wie sie so unbelehrbar auf das Gerede setzt und sich immer wieder enttäuschen lässt. Ich bewundere die Heiligen nicht, sondern halte sie - meistens - für Idiotinnen. Besonders die Märtyrerinnen. Es macht genauso blöd, sich eine Unverletzbarkeits-Rüstung anzuziehen (z.B. name dropping, apodiktischer Stil, Normalitätswahn, "Natürlichkeit", Passiv-Konstruktion und "man"), wie sich von Gerüsteten vorsätzlich verletzen zu lassen. "Lass sie stehen", sage ich. Aber sie hat noch nie auf mich gehört in solchen Fällen. Sie ist das Opfer der Opfer, das Ohr der Zurückgesetzten, die Anlehnschulter für die verfolgenden Verfolger. Ich mag sie trotzdem leiden. Oder deshalb?

Offenbach: Zwei abgewrackte Hosenpisser überfallen einen Busfahrer im Hotel, angeleitet von einem Semi-Kriminiellen mit Karriereplänen. Drücken ihm ein Kopfkissen ins Gesicht bis er fast erstickt, um ihm seine wenig gefüllte Brieftasche zu klauen. Die früher linksliberale Zeitung berichtet. Sechs Absätze für die Ex-Realschüler mit mittelmäßigen Berufsaussichten aus dem Migrantenmilieu, die nicht wissen wollen, was sie taten und warum. "Was trieb sie zur Tat? Das wissen sie selbst nicht mehr." (Man wird mit ihnen reden müssen, nehme ich an.) Der Busfahrer hat seinen Arbeitsplatz verloren wegen der Traumatisierung durch den versuchten Mord. Der ehemals linksliberalen Zeitung ist sein Schicksal zwei Zeilen wert. (Wer wird mit ihm reden?) 

Ich habe überlegt, ob ich schreibe: "Trau nicht." Und mich dagegen entschieden. Es geht mich nichts an. Nur wer etwas bewahren kann, ist vertrauenswürdig. Viele reißen unbedenklich mit dem Arsch ein, was sie mit den Händen aufgebaut haben. (Diese abgedroschene Metapher will ich seit Wochen mal irgendwo unterbringen). "Unbedenklich" ist gut. Kaum eine/r tut das mit Absicht. "Sei auf der Hut", hätte ich auch schreiben können. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Hüten und hüten, obwohl ich mir das einbilden mag: "Ein keckes Hütchen auf dem Kopf behütet sie die Herde." Die Verbindung von Schalk und Wärme. Und Schafe. Aber das ist natürlicher Blödsinn. Den kann ich trotzdem leiden. Oder deshalb.


(Die Sklaverei scheint Gott nicht sehr gestört zu haben, entnehme ich den Schriften. Unter anderem. Ich muss auch mal wieder was anderes lesen.) Von oben sieht alles ganz anders aus. Und wir sind Fabelwesen. Ganz ohne den Schleier zu nehmen. Auch. 




"I´m happiest when I exist through my favorite TV-shows."

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