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Laurie
Penny schreibt in „Unsagbare Dinge. Sex,
Lügen und Revolution“ von der Liebe in Zeiten des Spätkapitalismus: einer
unseeligen Kombination aus Geschäftssinn (Funktions- und Synergieeffekte,
Steigerung des Wirtschaftswachstums via Marktwert der Körper) und Romantizismus
(Treue light als exklusiver Gebrauch der wechselseitigen Geschlechtsorgane, serielle Monogamie als Leitbild). Es geht bei dieser „Liebe“,
die Penny „Liebe®“ nennt und die für uns von überall her beschworen wird, vor allem um die repressive Beschränkung
möglicher Intimität auf mit Liebesschwüren aufgeladene Sexualität. So werden
wir, die scheinbefreiten Individualisten auf Linie gehalten: Arbeit am Körper
und der Beziehung kostet und steigert das Bruttosozialprodukt. Über die „Liebe“,
wie Hollywood, Werbung und Heftchenromane sie uns verkaufen, werden wir beschäftigt
und gefügig gehalten, weil wir nicht einmal mehr begehren können, was uns
befreien könnte: die Vielfalt der Lieben, die uns möglich sind, der Nähen und
Vertrautheiten, der Treuen jenseits sexueller Verfügbarkeit und wechselseitiger Besitzverhältnisse.
Weil Liebe® das beste Instrument geworden ist, uns zu angepassten Wesen zu
machen, die sich nicht trauen und nichts zutrauen, haben wir vergessen, das
revolutionäre Potential der Liebe auszuschöpfen. Denn Liebe kann: Vertrauen
produzieren, Besitzverhältnisse auflösen, Verbindung und Verbindlichkeit ermöglichen
über monogame Zweierkisten hinaus (Gegen die allerdings, wo sie zwei Menschen
glücklich machen, nichts zu sagen ist. Bloß als Norm, der wir alle hinterherhecheln sollen, entfaltet das heteronormative Zweierkisten-Ding seine zerstörerische
Wirkung).
Penny
gilt scheinbar derzeit in Deutschland als neuer Star am Firmament des
Feminismus. Ich bin von ihrem Buch etwas weniger begeistert als viele andere
Rezensentinnen. Über weite Strecken erscheinen mir ihre Analysen zum
Geschlechterverhältnis stark vereinfachend, zum Teil zu sehr auf angelsächsische
Dating- und Medien-Gepflogenheiten abgestellt, deren universelle Gültigkeit ich
nicht erkennen kann, ihre Schlussfolgerungen aus persönlichen Erfahrungen auch
zu sehr verallgemeinernd und redundant. Gleichzeitig ist es sicherlich eine Stärke
des Buches, dass Penny sich nicht scheut, die Wirkung des spätkapitalistischen
Patriarchats auf den eigenen Körper und das eigene Selbstbewusstsein
darzustellen. Denn eine jede kann nur von sich selbst ausgehen und nicht für
die andere mitsprechen. Daher denke ich, dass Pennys Analyse in diesen Grenzen
verstanden werden muss: ihrer Altersgruppe (Penny ist Jahrgang 1986), ihre
kulturellen und sozialen Backgrounds und ihrer persönlichen Erfahrungen und
Lebensentscheidungen. Unterrepräsentiert (wenn auch nicht ausgeblendet) bleibt
zum Beispiel die Perspektive von Frauen, die Mütter sind und sein wollen, die
Perspektive von Frauen, die aufgrund ihres sozialen Status oder ihrer
kulturellen Prägung kaum oder gar nicht „Zielgruppe“ der spätkapitalistischen
Geschlechterkulturindustrie sind, die Perspektive alter Frauen oder die Perspektive
von Feministen, die biologisch Männer sind.
Großartig
aber ist, wie Penny auf den Punkt bringt, mit welchen Mechanismen ihre
Generation, die oberflächlich betrachtet so viele Optionen hat, klein gehalten
und in ihrem Begehren eingeschränkt wird: „Ich
kann euch sagen, was wir wollen sollen: schwere Arbeit, schale Schönheit und
romantische Liebe, gefolgt von Geld, Ehe und Kindern. Diese Definition von völliger
Freiheit hat Besitz von unserer Fantasie ergriffen und lässt keinen Raum für
andere Lebensweisen.“ Mit
Verve setzt sich Penny für die Erkenntnis ein: „Liebe® ist nicht die wahre Liebe, denn viele andere Arten von Liebe
sind auch wahr.“ Aus dieser erlebten und erfahrenen Erkenntnis zieht Penny
ihre Hoffnung: Liebe kann die Welt verändern: „Die rohe Menschlichkeit der anderen ist die unsagbare Wahrheit, die der
moderne Sexismus mit seinen Mechanismen zu verschleiern sucht. Wenn wir den Mut
haben, sie einzufordern, wird eine Bewusstseinsänderung einsetzen und eine
sexuelle und soziale Revolution in Gang bringen, die uns die Freiheit geben
wird, erfüllter zu leben und zu lieben und das wird genauso furchterregend
sein, wie es klingt.“
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