„Du bist ein Penis.“, schreit Regisseurin Isabel Šuba ihren Produzenten David Wendland an, nachdem dieser zum xten Mal Termine
versemmelt und Chauvi-Sprüche geklopft hat. David, gespielt von Matthias
Weidenhöfer, fühlt sich ganz wohl im sexy Festival-Cannes, wo Männer in der
Nacht und auf dem roten Teppich alle gleich aussehen (schwarzer Anzug, weißes
Hemd, schwarze Fliege) und Frauen tief dekolletiert und auf Mörder-High-Heels
strahlend (Zähne werden nur innerlich zusammen gebissen) rumstolzieren. Die
Kamera zeigt dieses Glitzer-Glamour-Cannes verwackelt und verwaschen,
scharf gestellt wird sie auf den öden Flughafenvorplätzen, in den verregneten
Gassen und im heruntergekommenen Hotelzimmer, das sich Produzent und
Regisseurin teilen. Immerhin bietet es einen Balkon mit Mittelmeerblick, auf
dessen Ballustrade man lässig die Beine legen und verschnaufen kann. Manchmal
gelingen David und Isabel solche kurzen Momente der Entspannung, aber die
meiste Zeit streiten sie sich heftig und die Zuschauerin fragt sich, wieso
Isabel sich mit diesem Chauvi-Deppen abgibt, der offenbar fast nix kapiert und
zudem als Organisator von Pitch-Terminen mit möglichen Geldgebern für das neue
Film-Projekt von Isabel praktisch ausfällt.
Regisseurin Isabel Šuba wurde 2012 mit dem Kurzfilm
„CHICA XX MUJER“ zum Festival in Cannes eingeladen. Sie hatte Zweifel, ob ein
Festival-Besuch in der Hochburg des gepflegten Sexismus (der sich als
Galanterie ausgibt) und wo kein einziger Film einer weiblichen Regisseurin im
Hauptprogramm gezeigt wurde, sich für sie überhaupt lohnen könnte. Dann machte
sie Cannes selbst zum Schauplatz eines Spielfilms: über die
junge Regisseurin Isabel Šuba, die mit einem Kurzfilm nach Cannes eingeladen
ist, die durch die
Glitzer-Schein-Welt stolpert, im Regen und sich selbst im Weg steht, Interviews
und Pitchs vermasselt (oder sich von David vermasseln lässt) und versucht ihr
neues Projekt auf den Weg zu bringen in einem Umfeld, das sich für die
Perspektive von Frauen tendenziell gegen Null interessiert, es sei denn, diese
Frauen interessieren sich tendenziell ganz stark dafür, was Männer von ihnen
halten. Die Rolle der Regisseurin Isabel Šuba übernimmt im Film Schauspielerin
Anne Haug, während Šuba selbst sich als Praktikantin Anne Woelky akkreditiert hatte.
Dieser Rollentausch, der Ansatz sich selbst
spielen zu lassen in einer realen Situation und daraus einen Spielfilm zu
machen, ist schon mal spannend und auch eine Geste gegenüber den
Festival-Machern, denen das Fehlen weiblicher Blickweisen offenbar gar nicht
aufgefallen oder eben scheißegal war. Anne Haug tritt für Isabel Šuba auf
die Bühne und nimmt den Applaus für „CHICA XX MUJER“ entgegen. Šubas Film „Männer
zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ erschöpft sich aber nicht im "Ätschi-Bätschi-Da-hab-ich-euch-mal-reingelegt", sondern erzählt von einer
komplexen und ambivalenten Figur, widersprüchlich in ihren Aussagen und
Handlungen, ausgestattet offenbar mit Einfallsreichtum und Talent, aber auch
mit Selbstzweifeln und Selbstgerechtigkeit, klar positioniert als Feministin,
aber auch angefressen von pseudo-objektiven Qualitätsmaßstäben („Ich will für
das, was ich mache anerkannt werden, nicht für...“), Lesbe in fester Beziehung,
aber immer mit einem Auge für die schönen Frauen am Pool oder alte Lieben in
der Bar.
Die Beziehung Isabels zu David, dem verheirateten
Familienvater, Teilzeit-Chauvi und Pseudo-Frauen-Versteher, dem
desorganisierten Produzenten und Möchtegern-Geschäftemacher steht daher im
Mittelpunkt des Films. Und das ist auch gut so, gerade weil und obwohl sich
jede Zuschauerin mehrfach fragt, warum Isabel David nicht einfach den Laufpass
gibt. David ist so ein Neu-Macho mit Sanftmut-Gestus, fürsorglich gelegentlich
und nicht ganz unzugänglich für Selbstreflexion. Wenn Isabel fröstelt, legt er
ihr seine Weste über die Schulter, aber er schlüpft auch ganz brav unter ihren
Regenschirm, den sie ihm wütend über den Kopf stößt, wenn´s regnet. Wie viele
Männer kapiert er nix, wenn es darum geht, die Welt mal nicht vom
Menschen-Mann-Standpunkt aus zu betrachten. Als ihm Isabel die Story ihres
neuesten ‚Filmprojektes erzählen will, in dessen Zentrum zwei Schwestern stehen
sollen, sagt er: „Ah, ein Buddy-Movie.“ David übersetzt sich, was Frauen ihm
erzählen, immer gleich bruchlos in sein Männer-Universum. Dass in Cannes so viel mehr Filme von
Männern und keine von Frauen gezeigt werden oder männliche Regisseure so viel
leichter an Geld kommen als weibliche, erklärt er sich damit, dass „Männer ja
schon viel länger Geschichten erzählen.“ Es ist halt so, wie es ist und das ist
gar nicht so schlecht für heterosexuelle Männer wie David und deshalb ist es
auch gut, wenn es so bleibt, denn schließlich geht es ja um die Qualität und
nicht ums Geschlecht oder die sexuelle Orientierung, oder etwa nicht? Und
obwohl Isabel sauer ist, weil David ihr mit seinen dummen Sprüchen das
Interview vermasselt, ist sie eben auch nicht ganz frei davon, um Anerkennung
in eben jenem Milieu zu buhlen, das den heterosexuellen männlichen Blick auf
die Welt (und „die Frauen, die Frauen“) als Norm begreift. Dabei begegnen
Isabel in Cannes vor allem Frauen aus der Branche (einer Journalistin und einer Arte-Redakteurin), wahrscheinlich weil sich, wenn überhaupt, nur Frauen
für die Geschichten einer junge Regisseurin interessieren, die nicht
heterosexuell ist. Es ist eben nicht egal, weder für die Geschichten, die eine
erzählen will und kann, noch für die Rezeption dieser Geschichten, wer jemand
ist und wie sie liebt und lebt. Sogar Männer können in Filmen, die nicht von
Männern gemacht werden, ganz anders aussehen als man sie kennt oder dadurch
sogar erst mal kenntlich werden. David kommt dabei nicht gut weg, scheint es, fast als Parodie
auf jeden x-beliebigen Chauvi-Typen, aber wer eine Frau ist, weiß, dass die Figur des David praktisch kaum überzeichnet ist, die hat
genau diese Texte und Verhaltensweisen schon x-mal (und von durchaus "netten" Zeitgenossen) gehört.
Warum schickt sie ihn also nicht zum Teufel, den
„Penis“, der beleidigt ist, wenn das schöne It-Girl am Pool zum Abschied
Isabel küsst und nicht ihn, der total ausflippt, als Isabel und ihre Ex-Freundin
Viola (gespielt von Eva Bay) sich vor seinen Augen im engen Hotelzimmer wieder
näher kommen und leidenschaftlich küssen? Sie will wissen, ob er an sie glaubt
und sie glaubt ihm nicht, als er sagt, dass er die Zusammenarbeit mit ihr
fortsetzen will. Sie glaubt, dass er sie braucht. Nach
seinem Ausraster wird er plötzlich ganz still und antwortet auf die Frage:
„Warum?“ „Ich weiß es nicht.“ Am Ende des Films fahren sie mit dem Boot raus
Isabel, Viola und David. Und lachen sich schlapp. Es ist ja auch der beste
Witz: „Isabel Šuba und David Wendland machen zusammen einen Film.“ Die
Feministin und der Chauvi. Die Lesbe und der Hetero-Sexist. Die Kratzbürste und
der Fürsorgliche. Die Freiliebende und der Familienvater. Die Rebellion und die
Angepasstheit. Sie sind natürlich mehr als Gegensatzpaare. Komplexer, ambivalenter
und schwieriger. Der Film zeigt das. Auch dass es keine Alternative zum Experimentieren, zur Unsicherheit und zum Unausgewogenen gibt.
Filmen ist ein Business. Und ein Statement, vielleicht. Und noch was anderes. Harmonisch
wird das nicht. Lustig. Und schwer. Als Frau. Und sowieso.
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Den Film habe ich gestern Abend im Offenbacher Hafen2 gesehen.
Über Aufführungstermine in Kinos wird auf der Homepage zum Film informiert:
Inzwischen ist auch die DVD auf dem Markt: Hier , Euro 16,99
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