Und wer, zum Teufel, ist Tubal-Kain? Ein Bruder im Geiste Kains, vielleicht? Ein nordischer Bruder-Mörder? Falsch. Von Kain stammt er ab, aber im Norden hat er sich nicht verloren. Wikipedia weiß Rat: Tubal-Kain war der biblisch-hebräischen Sage nach ein Schmied, der seine Herkunft vom ersten der Zunft herleiten konnte, dem Mörder Abels, der diesen wohl, wie ich jetzt vermute, mit seinem Handwerkszeug erschlug. Scheint so als hätten Adam und die Seinen in der Bronzezeit gelebt. Gottes sieben Tage waren halt lang und länger; Sommerzeit kannte der Schöpfer nicht. Da mag sich das über tausend Jahr wohl hingezogen haben bis die erste Familie mit all ihren Dysfunktionen geschaffen war. Mit den Freimaurern schließlich müssen Kerl und Namen ihren Weg in den Norden nach Kopenhagen genommen haben, wo ich auf diese Bronzestatue des mir bis dato Unbekannten stieß und prompt annahm, einen neuen, nordisch blonden Helden in meinen Pantheon aufnehmen zu können. Nix war´s. Hinterm Bauzaun steht der Hebräer in Nähe der Statens Museum for Kunst und des Botanischen Gartens.
In Kopenhagen wird eh grad viel gebaut. Leider. So konnte ich nicht einen Kaffee vor dem Hotel d´Angleterre auf dem Kongens Nytorv trinken, wie ich´s mir vorgenommen hatte, in Erinnerung an Metzgermeister Külz und Fräulein Trübner, die sich hier begegnen, ganz zu Beginn von Erich Kästners Unterhaltungsroman "Die verschwundene Miniatur" von 1935, der lakonisch und bitter-heiter erzählt ist. In Kürzest-Sätzen geschrieben, die aber nicht einen Short-Story-Hyper-Realismus erzeugen, sondern eher jene Verkürzung des Denkens und Fühlens, die die Umstände den Menschen abnötigten, die trotz der Umstände noch Menschen bleiben wollten. Was fragwürdig ist, als Haltung und als Schreibmodus, aber auch so erscheint. Jedenfalls gäbe der Roman ein "prima" (auch so ein Retro-Wort) Drehbuch her und in einer etwas gelasseneren und lässigeren, also einer glücklicheren und weniger nach Heroismus schreienden Zeit und Gesellschaft hätte das eine Screwball-Comedy werden können, bisschen frivol und bisschen romantisch, ohne Tiefgang, aber mit Esprit. Das lag den Deutschen aber nicht und liegt ihnen immer noch nicht, mindestens nicht den "Künstlern" und "Literaten", denn unter denen ist "Unterhaltungsliteratur" immer noch und immer wieder ein Schimpfwort. (Schreiben se nich und lesen se nich, nü nich.)
In Kopenhagen also wird gebaut und die schönsten Plätze vor den prächtigsten Hotels sind verstellt mit Baugittern und schwerem Gerät. Auch keine Karten mehr für das viel gelobte Ballett sind zu kriegen. Und der Tivoli, der Tivoli öffnet erst wieder am 6. April. (Mit dem Tivoli verbinde ich verklärte Kindheitserinnerungen, ein Wundertraumverlorenland, das vielleicht nie so bezaubernd war, wie ich es mir rückblickend vorgaukle. Ich war wohl 8 oder 9 Jahre alt damals und hatte "sowas" noch nie gesehen: Riesenrad, Puppentheater, Clowns, Geisterbahn....Wie in den Büchern war´s und tausendmal schöner noch, denn ich war mittendrin. Später fuhren wir in den Hafen zur kleinen Meerjungfrau, wo mein Bruder über die Steine sprang. Viel mehr weiß ich nicht mehr von jenem einen Sommertag in Kopenhagen vor mehr als 40 Jahren. Aber die Erinnerung umgibt ein Zauber, etwas Märchenhaftes und Zartes und ich gestehe mir das zu, diese neue Art zu reisen, nicht mehr auf der Suche nach etwas "Neuem", sondern mit Neugier zurück an Orte, an denen ich ein schon einmal war, verbunden mit verschwommenen Erinnerungen und warmen Gefühlen.)
Es wahr ein strahlender Morgen heute früh, blauer Himmel über der Stadt, violette und weiße Krokusse vor dem Schloss Rosenborg. Dennoch waren Schal und Mütze noch angebracht beim Aufstieg auf die Plattform des Runden Turms von wo aus man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt hat: den Hafen, die Vor Frue Kirke, den klassizistischen Dom von Kopenhagen, Christiansborg, Amalienborg, das rote Rathaus. Im klassizistischen Dom mit den Apostelstatuen von Thorvaldsen bittet ein schmucker Christus alle zu sich an den Altar, auch jene, die sonderbarer Weise mit dem Rücken zu ihm sitzen müssen, denn die Bänke in der Kirche sind einander gegenüber angeordnet wie in einem Zugabteil.
Im sonnigen Kopenhagen von heute erkennt Morel mehr von "Borgen" wieder, mit seiner idealistischen Ministerpräsidentin Brigitte Nyborg, als von der düsteren Stadt aus "Kommissarin Lund", die beim Bürgermeisterkandidaten Troels Hartmann und seinen Konkurrenten im roten Rathaus einen Mädchen-Mörder sucht. Dem kleinen Volk der Dänen jedenfalls gelingen ohne Frage bessere Fernsehserien als den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten des großen deutschen Nachbarn. Die Dänen, das zeigen sie der Touristin auf Schritt und Tritt, sind mit ihrer eigenen Kultur (dem Essen, dem Kino, der Literatur, dem Fernsehen, der Mülltrennung, den Shampoos) hoch zufrieden. Dieser Nationalstolz trägt durchaus Züge von Selbstzufriedenheit und wirkt dennoch recht charmant. Selbst das Frühstück in unserem Hotel wird als authentisch-nordisch gepriesen und in der Tat schmeckt der warme Beeren-Porridge wirklich lecker.
Dänische Drachen werden auch mit Supermännern fertig. Jederzeit. "We are red, we are white. We are Danish Dynamite." Es geht nämlich nicht immer um´s gewinnen. Sondern zum Beispiel um: Glorie, Grazie und Gemütlichkeit. In dieser oder einer anderen Reihenfolge. Ich beobachte weiter: die glücklichen Dänen und das Geheimnis ihrer Gelassenheit. Morgen ist auch noch ein Tag. In Kopenhagen.
Wie schön! Ein wenig beneide ich dich. Ich war nämlich letztes Jahr im Spätsommer eine Woche in Kopenhagen, mit meiner Tochter. Die Gelassenheit, die Entspanntheit und auch die Freundlichkeit der Dänen haben wir sehr genossen. Dass der Tivoli noch geschlossen hat, ist wirklich schade. Ich, die ich als Kind noch nicht dort war, fand ihn auch als Erwachsene zauberhaft, sehr liebevoll gestaltet. Bestimmt braucht Ihr keine Tipps, trotzdem: die Glyptothek, die Markthallen, der Strand, der Ausblick vom Turm der Erlöserkirche, Copenhagen Street Food, die moderne Architektur am Hafen, eine Bootsrundfahrt ... Ich wünsche euch noch viel Vergnügen!
AntwortenLöschenund john boy said : keep flo ( very nice )
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