Sonntag, 5. November 2017

GOOD BYE DARKNESS MY OLD FRIEND. Eine romantische Männerfreundschaft

Grant McLennan starb am 6. Mai 2006 in Brisbane an Herzversagen. Robert Forster setzt ihm und ihrer Freundschaft, die so romantisch war, wie die Beziehung zwischen zwei heterosexuellen Männern nur sein kann, in der Auto/Biographie "Grant and I" ein Denkmal. 



As he lives my live

Robert Forster gibt in "Grant and I" den Fans der Go-Betweens, zu denen ich seit 30 Jahren gehöre, eine jener Lebensbeschreibungen, die der Verbindung zwischen Werken und Schöpfern nachspüren, den Schaffensprozessen nachvollziehbar machen, die hinter jedem Kunstwerk stecken: Wie das Erlebte eingeht in die Komposition, aber sich auch durch diese verändert, transzendiert wird und - wenn es gelingt - ein Werk entsteht, in dem es nicht mehr nur um die Verarbeitung der eigenen Erfahrungen geht, sondern etwas erkennbar wird, in dem viele sich wiederfinden können. 

2002 planten Forster und McLennan ein neues Album. Wie immer sollten 5 Songs von Forster, 5 von McLennan beigesteuert werden. Wie immer hatte Robert Forster "mehr Worte" und Grant McLennan "mehr Melodien". Forster schnappte sich eine Akkordfolge, so schreibt er, und begann den Text von "Too Much Of One Thing" zu schreiben. Es wurde, so schien es zunächst, ein Porträt des Freundes, dessen tiefer Melancholie er sich immer stärker bewusst wurde: "You might think you see purpose/when what you´re seeing is a band/A thin line like from a spider/upon which I dance." Aber dann wird die Botschaft, die diese Zeilen für den Freund sein könnten, in Eigenrede verwandelt:"I have known a hundred women, and a part of me loves to fail." Forster erkennt: "Nun wusste ich nicht mehr, von wem der Song handelte, und genau deswegen funktioniert er." "Too Much Of One Thing" wurde zur "Ballade der Go-Betweens". 






What I need is persistence

Das Album "Bright Orange. Bright Yellow" entstand in der zweiten Phase der Go Betweens , in den 00er Jahren, als Forster und McLennan wieder miteinander unter dem alten Band-Namen arbeiteten, jetzt ohne Lindi Morrison und Amanda Brown. Das Ende der Band hatten McLennan und Forster 1989 miteinander beschlossen, ohne die beiden Frauen in die Entscheidung einzubeziehen: "Natürlich würden Lindy und Amanda sich nach all den Jahren, in denen sie ihre Arbeit und emotionale Energie in die Band gesteckt hatten, betrogen fühlen und wütend auf uns sein, um mit der gleichen Härte zurückzuschlagen. Amanda, geschockt und aufgebracht, wollte Grant verlassen."

Die Go-Betweens waren nie eine Band, die aus zwei Paaren bestand. Forster und Morrison, die geniale Schlagzeugerin, die beinahe ein Jahrzehnt lang ein Paar gewesen waren, hatten sich schon getrennt, als Amanda Brown und Grant McLennan ein Paar wurden. So war es dann Grant McLennan, der den Preis für die gemeinsame Entscheidung der beiden Männer, dass es genug sei, zahlte. Seine Beziehung zu Amanda Brown zerbrach daran. Denn die beiden Freunde hatten, so lässt es sich zwischen den Zeilen aus Forsters Auto/Biographie lesen, mit einem nicht gerechnet: mit der Freundschaft der beiden Frauen zueinander, deren Beziehung an Intensität und Loyalität offenbar der zwischen den Männern in nichts nachstand. Und so ist auch die Geschichte der Go-Betweens, die sich von vielen anderen Indie-Bands gerade dadurch unterschied, dass immer Frauen mitgespielt hatten, geprägt und beschädigt worden durch die Unfähigkeit von zwei Männern, die Bedeutung der Beziehung von Frauen zueinander richtig einzuschätzen. Forster schreibt: "Es war immer ein Teil des Bildes, das wir von der Band hatten, dass das dritte Mitglied eine Frau sein musste....Wir wollten nicht ausschließlich Männer sein - das war zu starr und vorhersehbar." Aber sie verstanden die Frauen eben nur in ihrer Beziehung zu ihnen, den Singer/Songwriter-Männern. 

Grant McLennan und Robert Forster lernten sich als junge Studenten in Brisbane kennen, zwei Männer aus der unteren Mittelschicht mit einem unstillbaren Verlangen nach mehr, nach Imagination, Inszenierung, Kunst. Sie erkannten einander beinahe sofort. Ähnlichkeiten und Differenzen, ein gemeinsamer Musikgeschmack, die Fähigkeit viel von einander zu lernen über Literatur, Film, Politik. Während Forster noch zu Hause bei seinen Eltern lebte, war Grant schon als Junge von einer abgelegenen Farm aufs Internat nach Brisbane geschickt worden. Ihre Herkunft und ihr Drang sie zu überwinden und ihr gleichzeitig treu zu bleiben, prägte später auch ihre Songs, Grants "Cattle and Cane", Roberts "Born from a Family" zum Beispiel:




I recall a schoolboy 


And changed the system

Wie in vielen Männerfreundschaften ging es auch in dieser weniger darum, sich gegenseitig das Herz auszuschütten, sondern darum, gemeinsam etwas zu machen. Musik, die Band: "The Go-Betweens". Forster warb Lindi Morrison, in die er sich verliebt hatte, von einer anderen Band ab. Forster und McLennan ergänzten sich, aber sie erlebten sich auch als Konkurrenten. Lindi Morrison hatte ihren eigenen Kopf und kam von Anfang offenbar nicht gut mit Grant aus. Die Band zog zunächst nach Melbourne, dann nach London. Neue musikalische und persönliche Allianzen entstanden. Ein Hit, der finanzielle Sicherheit gebracht hätte, stellte sich nicht ein: "Unser Weg würde einem anderen Vorbild folgen, ´the wrong road´, wie Grant einmal singen würde - Fortschritt im Zickzackkurs, das Erleben fremder Städte aus der Perspektive der Armut, von einem Nervenkostüm auf den Prüfstand."




Grant McLennan, Lindi Morisson, Robert Forster
Quelle: https://www.theguardian.com/music/2017/jun/16/
the-go-betweens-right-here-review-love-still-goes-on-for-this-brisbane-band
Photograph: Jeremy Bannister via Sydney film festival

Das öffentliche Image, das McLennan und Forster von sich kultivierten, unterschied sich massiv von den Rollen, die sie füreinander und in ihrem Umfeld spielten. Forster schreibt: "Ich war der flamboyante gepuderte Showman, er zugeknöpft und aufrichtig. Diese Darstellung war schon damals falsch; durch die ...Verzerrungen der Medien und die klaren Umrisse, die der Rockmythos verlangte, wurde unsere Gegensätzlichkeit übertrieben und allzu sehr herausgestellt." Tatsächlich war es Robert Forster, der über die Jahre stabile Bindungen einging und immer wusste, wo er zu Hause war, während McLennan keinen Halt fand. 




Deep down I´m lonely and I miss my friend

Nach dem vorläufigen Ende der Go-Betweens entwickelten sich Forsters und McLennans Leben auseinander, ohne dass der Kontakt jemals abriss. Forster fand bei Regensburg die Frau seines Lebens, Karin Bäumler, mit der er einige Jahre in Bayern lebte, bevor er nach Brisbane zurückkehrte. Grant fiel es schwer, über die Trennung von Amanda Brown hinwegzukommen. Seine Solo-Alben, die in jenen Jahren entstanden, erzählen auch von diesem Schmerz. "Ein Rückfall in unsere wahren Persönlichkeiten, könnte man sagen: Für mich war es das Leben in einem ruhigen Heim mit einer Frau, die ich liebte. Für Grant war es, allein zu sein, und das Bedürfnis nach einem Zufluchtsort..."

Als Forster und McLennan die gemeinsame Arbeit wieder aufnahmen, führten sie vollkommen verschiedene Leben: Forster war Familienvater, McLennan lebte noch immer in wechselnden Wohngemeinschaften und hatte mehr oder minder kurze Beziehungen. In der Auto/Biographie deutet Forster an, wie stark das Leben McLennans in jener Phase vom Alkohol geprägt war. Der tiefen Traurigkeit, die ihn beherrschte, konnte er offenbar nur so Herr werden. Sie schrieben gemeinsam "Finding you": "Es gibt nicht viele Forster/McLennan-Songs wie diesen - echte, altmodische Co-Kompositionen. Und ich weiß zu schätzen, dass wir eine so gute und bedeutsame geschrieben haben wie ´Finding You´."



Or would you sing along?

Als Grant im Mai 2006 völlig überraschend starb, suchte Robert nach Gründen: "Der Verlust seines Vaters. Internat mit elf. Ein ältester Sohn ohne Geschwister, die ihn beschützten. Er war ein Junge vom Land, der nur in der Stadt leben konnte. Er war ein Junge aus der Stadt, der wusste, das ein Teil seines wahren Ichs aufs Land gehörte. Er war ein altkluger, nach Anerkennung suchender Schuljunge, der verspottet wurde, weil er ein Poster von David Bowie an der Wand hatte; der wusste, dass er nicht nur anders war als seine Mitschüler, sondern auch als ein Großteil seiner Familie. Vielleicht fehlte ihm ein bisschen Liebe. Er flüchtete sich in akademische Erfolge - die zu bedeutenden Leidenschaften aufblühten. Der mit Enthusiasmus entflammte Junge brauchte eine Schutzhaut, die die Form einer nie näher hinterfragten Arroganz annahm und diejenigen, denen er begegnete, anzog und abstieß."

Es kann natürlich keine "Gründe" geben. Grant McLennan starb mit 48 Jahren viel zu früh. Er war, schreibt Robert Forster, sein bester Freund, sein Co-Autor, sein Konkurrent, "ein Glaubender. Er glaubte an all die guten, schönen und erhebenden Dinge des Lebens. Gedichtzeilen, die Schatten eines Films, die majestätische Größe eines tollen Popsongs. Er war hochromantisch."



How I miss your quiet quiet quiet heart



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