Wie die seit der Pubertät tiefverwurzelte Distanz zum gemeinen Mitmenschen, auch "Zeitgenoss/in/e" genannt, sich bei mir mit zunehmendem Alter verfestigt, beunruhigt mich schon. Denn es gab ja auch Zeiten, in denen ich mich bemüßigt fühlte, den Kontakt/die Kontakte zu vertiefen, mich zugänglicher zu machen - aber, wie Arya Stark in Game of Thrones in einer beispiellos verhunzten letzten Staffel (zugegeben schon Staffel 7 ließ nicht viel Hoffnung, aber die stirbt ja bekanntlich zuletzt), sagt: "That´s not me." Nämlich: Weltoffen, menschenfreundlich, divers und bunt. No, no, no - that´s not me.
Bloß heute mal, so ein beliebiger Samstag, kleiner Spaziergang durchs Netz:
Auf dem Mount Everest staut sich die Menschenschlange, groteske Fotografien von bunten Funktionskleidungsträgern im höchsten Gebirg, wartend auf die Selfie-Chance vor blauem Himmel, Bucket-List abgehakt, weiter geht's. Kollateral-Schäden inklusive. Sorry, folks, not sorry.
Oder der Tweet von Boris Johnson zum Abgang von Theresa May (Nein, trotzdem, kein Mitleid hier. Denkt an die Windrush-Briten, denkt an ihre Bus-Kampagnen gegen Migranten! Vergesst nicht immer so schnell, Leute!)
Oder die begeisterten, mittelalten, alten Apologeten (my generation!) der Youtuber um @rezomusic, die ihr wohlfeiles Lob über diese jüngere Generation ausschütten. Freu mich schon auf all die Urlaubsfotos von denen ab Mitte Juni bis Mitte Oktober von herrlichen Destinationen rund um den Globus. Denn abenteuerlich muss das Mittelklasseleben bleiben und verbrauchernah. Letzteres vor allem. Denn wir haben uns als kritische Verbraucher was verdient und wollen das auch multikulturell, weltoffen und bunt ausleben (s.o.). (Merkt auf: Ich kritisiere hier nicht die Jüngeren; denen gestehe ich das Vorrecht auf platitüdenhafte Schlichtheit und versimpelnde Radikalität zu. Wer über 40 ist, sollte aber mal ein bisschen Verantwortung übernehmen, statt sich im Recht zu fühlen. Und sowieso: Gefühle sind soooo langweilig, meine Lieben! Andererseits: Es können halt nicht alle denken, wie schon die alten Denker/innen wussten. Und deshalb: Schreibt's das Internet voller und bleibt öfter mal zu Hause. Könnt's euch ja da bunt machen. Auch keine Lösung?)
Ich bin alt und böse. Das hat auch seine Vorteile. Man hinterlässt mehr Schrammen, als man sich zuzieht, wenn die Karosserie eh nicht mehr ganz heil ist. Kann eine eher mal Karambolage spielen. Aber die Müdigkeit nimmt halt auch zu. Ich lese übrigens nie Thomas Bernhard. Sondern immer eher menschenfreundliche Texte. Trotz allem. Oder deswegen. "That´s not me." Denn nur die Gefühle der anderen (falls die denken könnten) wären nicht langweilig. (Man beachte den Konjunktiv.) Sich kennt man in meinem Alter ja genug.
Im Grunde, denke ich dann, wenn ich von oben auf mich herabschaue, von der fleckenfrei weißen Decke, ist es ja so: Ich stör mich an der Ästhetik. Dem Prediger-Ton. Den ausschweifenden Gesten. Den trostlosen Anbauten. Dem schnörkellosen Sound. Den Vierteltönen. Diesen bequemen Hosen. Den Zöpfen. Der witzboldigen Humorlosigkeit (Böhmermann!) Dem stillosen Stil. Kein Spirit, nirgends.
Von hier geht jetzt nix aus.
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Andermal?
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