William Hogarth: A Harlot´s Progress (Blatt 5)
Endlich, kreischt die herrschende Moral, ist sie verhüllt. Der lasterhafte Körper, den die Mary zum Einsatz gebracht hat, ist kaum mehr zu erkennen. Jetzt hat sie die Gestalt der Mater dolorosa angenommen: Die sündige Eva verwandelt in die schmerzverzerrte Maria.
Doch Marys Leib, gehalten von der treuen Kollegin, die wir schon von Blatt 3 und Blatt 4 kennen, ist nicht jungfräulich geblieben. Das Kind, das er geboren hat, spielt zu ihren Füßen. Der Knabe mit lockigem Haar ist sich offensichtlich nicht bewusst, dass seine Mutter stirbt. Eine kleine Gruppe bilden diese drei: Mary, die Freundin und das Kind. Die Heilige Familie der modernen Welt: vaterlos. Die Frauen haben mit dem Feuer gespielt, wie das Kind in seiner Unwissenheit tut.
Die modernen Männer, Hogarth zeigt es gleich nebendran in der Gestalt der beiden Möchtegern-Ärzte, haben keine Zeit, sich um Frau und Kind zu kümmern. Sie sind verstrikt in Kämpfe um Macht, Geld und Status - wie diese beiden hier: Dr. Rock und Dr. Maubisan, zeitgenössische Quacksalber, die sich über die rechte Therapie streiten und dabei ihre Patientin völlig aus dem Blick verlieren. Die Hauswirtin macht sich indessen, beschimpft von Marys Freundin, schon an deren Hausrat zu schaffen.
Dies dritte Blatt der ersten „Modern Moral Subjects“ Serie, die Hogarth veröffentlichte, zeigt die paradigmatischen Figuren des englischen Protestantismus: das Opfer und den Waisenknaben. Doch bei Hogarth werden die Opfer nicht gerettet und der to-be Waisenknabe wird niemals durch glückliche Fügung seine edle Herkunftsfamilie wiederfinden. Hogarths Stiche stabilisieren die herrschende Ordnung nicht, sondern unterminieren sie. Dabei wird das Geschlechterverhältnis niemals ausgespart.
Indem Hogarth in dieser ersten Bild-Serie, die er herausbringt, eine Frau in den Mittelpunkt stellt, identifiziert er sich selbst und sein „Unternehmen“ gerade nicht eindeutig mit dem Männlichkeitskonzept des arbeitsamen, strebsam-fleißigen Bürgers. Der ehrgeizige Hogarth, dem durchaus der bürgerliche Aufstiegswille zu eigen ist, erarbeitet sich seine Identität vielmehr im Bild einer Frau, deren „Arbeit“ als Sünde denunziert wird. Die Gefährdung einer Identität, die über das Rollenspiel gewonnen werden muss (denken Sie an den Höhepunkt von Marys Laufbahn, wie er in Blatt 2 gezeigt wird), steht vielmehr im Mittelpunkt. Im Bild weiblicher Arbeit (nicht nur, aber auch in dem der Prostitution; Hogarth zeigt in seinem Gesamtwerk eine Vielzahl weiblicher Arbeitswelten) entwickelte er ein Arbeitsethos, das sich dem Genuss nicht verschließt. Diesem Bild blieb aber stets – im Gegensatz zur (männlichen) Erfolgsstory des Aufsteigers – die existentielle Angst vor der Versagung und dem Absturz eingeschrieben.
Indem Hogarth in dieser ersten Bild-Serie, die er herausbringt, eine Frau in den Mittelpunkt stellt, identifiziert er sich selbst und sein „Unternehmen“ gerade nicht eindeutig mit dem Männlichkeitskonzept des arbeitsamen, strebsam-fleißigen Bürgers. Der ehrgeizige Hogarth, dem durchaus der bürgerliche Aufstiegswille zu eigen ist, erarbeitet sich seine Identität vielmehr im Bild einer Frau, deren „Arbeit“ als Sünde denunziert wird. Die Gefährdung einer Identität, die über das Rollenspiel gewonnen werden muss (denken Sie an den Höhepunkt von Marys Laufbahn, wie er in Blatt 2 gezeigt wird), steht vielmehr im Mittelpunkt. Im Bild weiblicher Arbeit (nicht nur, aber auch in dem der Prostitution; Hogarth zeigt in seinem Gesamtwerk eine Vielzahl weiblicher Arbeitswelten) entwickelte er ein Arbeitsethos, das sich dem Genuss nicht verschließt. Diesem Bild blieb aber stets – im Gegensatz zur (männlichen) Erfolgsstory des Aufsteigers – die existentielle Angst vor der Versagung und dem Absturz eingeschrieben.
Hogarth schuf Werke, die ihren Warencharakter nicht verleugneten, sondern vervielfachten. Die „Modern Moral Subjects“ wurden diversifiziert angeboten für unterschiedliche Zielgruppen: als einfache Holzschnitte für die Lehrlinge und Dienstmädchen, als aufwändigere Drucke für den bürgerlichen Mittelstand, als Gemälde für die gehobenen Stände. Ihr Wert und der ihres "Schöpfers" Hogarth konnte sich folglich nicht im Werk als Gegenstand zeigen, sondern in der Erfindung. Es ist daher kein Zufall, dass William Hogarth sich für ein Urheberrecht einsetzte, das nicht mehr am Gegenstand hing, sondern der „Erfindung“ galt. Mit dem sogenannten „Hogarth Act“ wurde in England 1735 das erste Urheberrecht erlassen, das die Rechte von „Autoren“ schützte. Wie fragil aber eine bürgerliche Existenz ist, die sich auf immaterielle Rechte am „geistigen Eigentum“ stützen muss, wird in Zeiten des Internets überdeutlich.
"Ach neige,
AntwortenLöschenDu Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not!
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein' und deine Not..."