Samstag, 17. Juli 2010

Reisejournal (2): Ich bin "A Star of CCTV"

ST. PANCRAS 

Manche Menschen sind gerne unterwegs. Ich will immer ankommen. Mich einrichten. Ich weiß, das klingt bieder. So bin ich aber. Verbindlich. Ich verbinde mich – wenn es mich packt – schnell (allerdings nicht oft), mit Orten, mit Menschen, mit Geräuschen und Gerüchen. Und ich binde sie aneinander, verknote sie und schaffe ein Geflecht: so das alle und alles "eingebunden" sind.

Wo immer ich gelebt habe, ist das Zimmer, die Wohnung , das Haus, in dem ich mich eingerichtet hatte, auch zum Treffpunkt der anderen geworden. Orte des Austauschs zu stiften, wo aus der Gemeinschaft etwas entstehen kann, was keiner allein machen könnte: das fasziniert mich. Die Idee der „Band“.

Es gibt Orte, da fühle ich sofort: Hier könnte ich heimisch werden. Chicago, Siena, Lewes.
Der Ort, an dem ich jetzt wohne, gehört nicht dazu. Dort habe ich immer gewusst, dass ich wieder gehen werde, wenn die Zeit gekommen ist. Der Ort, an den ich heute gereist bin aber, könnte so einer werden: Wenn ich zum Fenster raus schaue, sehe ich auf einen  Pub mit schwarzer Markise: King Charles I. Das war der König, der lange vor Louis XVI. seinen Kopf verlor (1649). Danach regierte der puritantische Cromwell. Ich werde nachher mal runter gehen und nachschauen, ob der abgeschlagene Kopf auf das Wirtshausschild gemalt ist. Von hier kann ich das nicht erkennen. Den ganzen Kuddelmuddel der pseudoreligiösen Kämpfe hatte ursprünglich aber Blaubart Henri VIII. verursacht, der die Church of England gründete, weil Anne Boleyn ihn nur als Angetraute in ihr Bett lassen wollte. ("cherchez la femme" - wie mein alter Geschichtslehrer, der Chauvi, immer sagte. Was natürlich Quatsch ist. Es gilt letztlich doch nur: cui bono, sonst nix.)

In diesem kleinen Häuschen hier in einer Seitenstraße ist es erstaunlich ruhig, biegt man um die Ecke, in die Caledonian Road, ist man schon mitten drin im Großstadtleben: Barbierläden, Immobilienhändler, ein Tesco, Elektrowaren, Gemüsehändler, kleine Restaurants: indisch, thailändisch, Kebab, afghanisch, ein Tea room. St. Pancras hat sich verändert seit die Züge aus dem Eurotunnel hier die London-Shopper-Hopper anspülen. Dennoch ist es (noch) nicht so versnobt wie z.B. Islington. Und überall bin ich der Star of CCTV. Ob ich heute Abend noch ein Ale probiere? 

CU

Melusine




Hat lecker geschmeckt, das Ale. 



5 Kommentare:

  1. Liebe Melusine, natürlich müssen Sie ein Ale trinken, Sie müssen dem Geklirr der Gläser lauschen, auf die murrenden Stimmen horchen; Seraphe und ich würden uns sicherlich wohl dort fühlen, ist doch einer unserer Lieblingsorte Edingburgh, diese von Trunkenen durcheilte surreale Stadt, die neben Geistererscheinungen so herrlich profanes zu bieten hat.

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  2. Was man alles so muss, obwohl man doch nichts muss,man muss keine schlechten Romane lesen und man muss sie nicht kaufen und man kann, nur wenn man will, das Leben ansehen und es richtig gerne haben.

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  3. @Guido Rohm Das Ale war gut. Edinburgh ist eine herrliche Stadt, leider war ich bisher erst ein einziges Mal dort. Mögen Sie auch die Krimis von Ian Rankin?

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  4. Ich habe einen gelesen, kann mich aber kaum noch daran erinnern. Seraphe hat noch einen Roman von Rankin in ihrem Lager der ungelesenen Romane liegen.
    "Welchen Roman von Rankin haben wir?", frage ich.
    "Warum?"
    "Melusine erkundigt sich nach Rankin."
    Schon stürmt sie los. Bringt zwei Bücher an meinen Schreibtisch.
    "Ich habe noch zwei Rebus-Romane", sagt sie. "Da wäre 'Puppenspiel' und 'Die Sünden der Väter'."

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  5. Meine Freundin, die in Edinburgh gelebt hat, hat mir früher Rankins Krimis immer mitgebracht. Neuere kenne ich aber auch nicht.

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