In der Schule, die Amazing und Mastermind* besuchen, vertritt der Lehrkörper die Ansicht, dass direkter Kontakt mit aufmüpfigen Jugendlichen tunlichst zu vermeiden sei. Daher wird alle Kommunikation verschriftlicht. In der Regel sind diese Schriftstücke an die Eltern der Jugendlichen adressiert. Anschließend ist das durch einen Erziehungsberechtigten unterzeichnete Formblatt bei der zuständigen Lehrkraft vorzulegen. Durch die Unterschrift bestätigen die Eltern, dass sie ihre Sprösslinge über die in Frage stehenden Gebote und Verbote informiert haben. Mein Rechtsbeistand versichert mir, dass diese Unterschriften völlig bedeutungslos sind, weswegen ich jedes Mal ohne zu zögern unterschreibe.
Kürzlich erreichte uns erneut ein solches Schreiben, diesmal vorgelegt durch Mastermind. Hierin wurde uns mitgeteilt, dass Schülerinnen und Schüler der Jahrgangstufen 8 und 9 immer wieder dabei ertappt würden, widerrechtlich in der Mittagsstunde das Schulgelände zu verlassen, um sich im nahegelegenen Supermarkt mit Getränken und Nahrung zu versorgen. Man forderte uns auf, unsere Kinder noch einmal mit Nachdruck auf das bestehende Verbot hinzuweisen. An diesem Tag war ich aus anderen Gründen schon ziemlich angenervt. Ich beschloss also, die Aufgabe an den Vater des Knaben zu delegieren. Weise nickte der Vater und nahm sich den Sohn zur Brust. Er las ihm den in Frage stehenden Paragraphen aus der Schulordnung vor. „Nehme also“, sagt er bedeutungsvoll, „zur Kennntis, mein Sohn, dass ich höchstpersönlich mir eine zusätzliche Strafe für dich überlegen werden, solltest du widerrechtlich das Schulgelände verlassen - und: dich dabei erwischen lassen.“ Mastermind nickte. Ein Handschlag besiegelte die Vereinbarung.
Ich bin sehr zufrieden. Söhne brauchen Väter, denke ich. Mir wäre es nicht gelungen, den Sachverhalt so knapp, korrekt und für Mastermind einsichtig darzustellen.
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* Die hier häufiger erwähnten Jungmänner wurden bisher mit „der Ältere“ und „der Jüngere“ bezeichnet, was bisweilen ein wenig mühsam war. Nach Rücksprache mit den realen Vorbildern werden sie in Zukunft als Amazing (der Ältere) und Mastermind (der Jüngere) in Erscheinung treten.
November 2010 (Haltungstipps)
November 2010 (Haltungstipps)
Mich würde interessieren, ob die Schule eine eigene Verpflegung der Schüler anbietet. Als Strafe schlage ich vor, dass "Mastermind" zehn runden Mastermind spielen muss.
AntwortenLöschenhttp://www.blinde-kuh.de/spiele/mastermind/
Die wichtigste Erkenntnis scheint mir ja auf beiden Seiten zu sein, dass man sich nur nicht erwischen lassen darf. Eine kluge Lebensweise?
Alles ist Fiktion. Zwar haben Mastermind und Amazing reale Vorbilder, die sich jedoch ganz anders verhalten und deren Vater ganz anders spricht und alle drei, selbstverständlich, würden nie...
AntwortenLöschenIch find's schön, wie Sie das gelöst haben.
AntwortenLöschenFrau eben, (Sie wissen schon... ; )
Ehrlich, liebe Melusine, auch wenn es Fiktion ist, diese Art der [Schul]Bürokratie, die Sie hier zeigen, ist derartig realistisch gezeichnet, dass es schwer fällt zu glauben, es sei reine Fiktion!
AntwortenLöschenÜber die "Auflösung" habe ich sehr geschmunzelt!
Herzlich
Teresa
Die Bürokratie "an sich" ist ja keine Fiktion. Oder vielleicht doch: bloß eine, an die wir kollektiv "glauben" und die eben daher ihre Macht bezieht. Und Lehrer, die ungern mit Schülern sprechen, - die gibt´s auch.
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