Mittwoch, 17. November 2010

31 Fragen an Bücherleser:innen (Folge 4): IMMER WIEDER oder NIE MEHR (Lange Märsche, Ärsche und Reiskörner)

Im Fragebogen zu den Lese-Gewohnheiten (31 Fragen an Bücherleser), den Betreiberin und Autoren dieses Blogs sukzessive beantworten, lauten die nächsten beiden Punkte:

5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest

sowie

6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht).

Morel und ich lesen selbstverständlich die Bücher immer wieder, die auch unsere Lieblingsbücher sind. Er liest seit fast 30 Jahren Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und ich lese immer wieder Jane Austens Romane, mal auf Englisch, mal auf Deutsch; ich lese häufig in Uwe Johnsons „Jahrestagen“ und Peter Weiss´ „Ästhetik des Widerstands“ und beinahe täglich lese ich Gedichte von Hölderlin. BenHuRum dagegen sagte zunächst: „Ich bin nicht der Typ, der immer wieder dasselbe liest. Was sind´n das für Leute, die das machen...“ „Solche wie Morel und ich“, antwortete ich. Er lenkte ein: „Na ja, ich lese auch immer wieder mal ´Der Oberton im Reisfeld´.“ „Was? Davon habe ich noch nie gehört.“ Auf der Stelle fühlte ich mich entsetzlich ungebildet. „Von wem ist das? Worum geht es?“ „Von Flagolett Basmati. Was natürlich ein Pseudonym ist. Gefällt dir bestimmt, alte Revoluzzerin. Es geht um den langen Marsch von Mao und um ein Reiskorn.“ „Ach so.“ „Natürlich geht es vor allem um Kunst. Sonst würde es mich ja nicht interessieren. Und um Architektur, wenn du so willst. Es geht also um einen Künstler, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, das Reiskorn exakt nachzubauen, das Mao während des langen Marsches am Arsch klebte.“ „Und der sitzt jetzt in China im Hausarrest, stimmt´s?“ „Ganz genau.“ „Klabusterbeere.“

Bei den Büchern, die wir nur einmal lesen können, war es auch nicht leicht, Wiederholungen zu vermeiden. Denn die Bücher, die wir hassen, können wir selbstverständlich, wenn überhaupt, nur einmal lesen. Wir kamen dann aber auf Werke, die wir zwar vollständig gelesen hatten, jedoch nach dem Prinzip, mit dem wir als Kinder ermahnt worden waren: „Iss dein Tellerchen leer, sonst gibt´s schlechtes Wetter.“ Um den Wettergott milde zu stimmen, hat Morel sich durch Jonathan Franzens „Correcturen“ geschlagen. Meine gute Tat liegt länger zurück. Mit 14 las ich von der ersten bis zur letzten Seite Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“, obwohl es mich entsetzlich langweilte. Ich dachte aber: Das ist große Literatur, da musst du durch. BenHuRums Antwort fällt wieder aus der Reihe. Er liest manchmal auch den größten Schund, aber immerhin nur einmal. Nie wieder lesen will er, schwört er, die Autobiographie von Kalli Deutscher: „Der mit der Schuld tanzt“. Und das ist gut so.


The Kids are not alright


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