Mittwoch, 31. August 2011

PUPPEN-TERROR


Die Puppen tanzen (ich bin´s nicht die sie lässt, ich nicht!). Sie tollen durch meine Träume wie wild, unablässig um mich herum im Ringelreihen. Sie starren mich aus ihren unbewegten blauen Augen zornig an, weil ich so dreist den Puppennamen angenommen habe. Die elegante Frau Barbie auf ihren Zehenspitzen hat von mir, dem tumben Trampel, Besitz ergriffen und ihre pinken Spitzen eng um mich gewickelt wie eine Windel. Der lebendige Gnom in mir aber will das Puppenblut verspritzen sehen, seit die Witwe Barby mit ihrem grünen Blick so tief und stiefmütterlich in mich hineinschaut. Sie scannt Hirn und Herz auf ihrer Suche nach dem unergründlichen Puppen-Begehren, das sie in mir wittert: Lass mich an deiner Brust ausruhen. So winzig will ich mich machen, dass ich in der Brusttasche des Geliebten eine Heimstatt finde, bis ich ihm ganz und gänzlich angehöre, gleich einem Ding, das er sich nimmt und wegwirft. Die abscheuliche Sehnsucht nach der Erniedrigung treibt wie auf einer Wippe am andern Tag den fürchterlichen Zorn herauf, der den Puppenmord fordert. So weit ging es, dass ich das rothaarige Püppchen kaufte (nein, keine der Blondgelockten mit den stahlblauen Augen, Mama!), um Nadeln in das Plastik-Fleisch zu stechen und mit einem Messer die kleinen Gliedmaßen abzutrennen. Doch weigerten meine Hände sich zu tun, was ich von ihnen wünschte und ich wollte nicht, was ich begehrte, ausführen. So saß ich still vorm nackten Puppenkörper, bis ich ihn im Laub vor der Eremitenhütte versenkte. Und meine Schamhaftigkeit bedeckte schnell ihre Blöße. Das half, so schien es: Ich gab den tänzelnden Schritt auf, ich stampfte über die Wiesen im Tau. Pani Piveckova hat den Puppenfluch besiegt, jubelte es in mir. Das war ein Irrtum, wie er fürchterlicher nicht sein konnte - und fruchtbarer. Die Melusine und Heilmann lehrten mich das Schaudern: „Es gibt keinen Teufel.“, sprach der und lachte zärtlich dazu. Sie waren entschlossen, das Plastikfleisch für die Fruchtbarkeit der Ungeheuer büßen zu lassen und aus der kalten, glatten Haut das heiße Blut zu ritzen. „Aber wie?“, fragte ich. „Sie tauchen aus der Tiefe, ahnst du es nicht, Fischen gleich haben sie Kiemen, sie sind aus dem Holz geschnitzt, das zu Schiffskörpern taugt, sie leben nicht und sterben nicht, sie bluten erst, wenn wir sie schlitzen und die Farbe von ihren Körpern schaben, die sie für Haut ausgeben.“ Eine Häutung also, redeten sie mir ein, sei von Nöten, um die käme ich nicht herum. Verzweifelt suchte ich nach Ausweichmanövern. Der Kasperl und das Annerl kamen mir gelegen; ich baute mein Puppenhaus im Garten auf und beobachtete, wie die Katze drum herum schlich und beinahe das Bürschchen aus der Wiege gestohlen und gefressen hätte. Das war aber alles vergebens. Die nächtlichen Tänze, Wispern und Kichern, Ziepen und Kneifen fingen wieder an. Die heilige Puppenfamilie wollte Rache und der Teufel wollte das Opfer. „Ohne Sünde keine Geilheit, Baby“, kreischte er durch die Vorhänge. Mel Barby streift die Lederklamotten über, Frau Piveckova faltet die Hände in Unschuld und Armgard senkt bescheiden Kopf. Ich habe die Puppen bluten sehen heut Nacht.


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