Fortsetzung des Brief- und Entwicklungsromans "Punk Pygmalion"
Sie haben sich nicht gemeldet, Emmi nicht, Ansgar nicht. Seit zwei Monaten ist meine Freundin Emmi verschwunden.
Gestern jedoch traf wieder eine der Postkarten ein, mit denen sie vorgibt, in St. Ambroise zu sein:
Liebe M.,
es ist so schön hier, dieses Glühen der südlichen Sonne, weißt du! Ich bleibe noch , zumal mich nichts zurück in den Norden zieht.
Veröffentlichst du weiter die beschwörenden Briefe von Ansgar, mit denen er mich süchtig machte, sehnsüchtig nach ihm? Hör nicht auf damit. Lies das: Er träumte davon, mit mir ein Baby zu haben. Das war im Oktober 1983. Da war das schon. Ein goldener Herbst.
Auf bald
Emmi
Ich habe nach diesem Brief, den sie erwähnt, gesucht. Ja, Sie kennen ihn auch, liebe Leser:innen. Ansgar schreibt darin, dass Menschen wie Emmi und er kein Kind in die Welt setzen dürften, obwohl es doch darum im Leben ginge. Wie sehr Emmi sich in den Jahren nach Ansgar ein Kind gewünscht hatte und wie sehr ihre Partnerschaften darunter gelitten hatten, dass der Wunsch unerfüllt blieb, wusste ich. Wollte sie mich darauf aufmerksam machen? Trieb sie das auch diesmal fort, von Ansgar, von mir, zu diesem Jüngling, der aussah wie Ansgar vor 25 Jahren? Aber warum das Versteckspiel?
Dann tat ich heute früh etwas, was ich schon längst hätte tun können. Ich kann Ihnen nicht erklären, warum ich nicht früher darauf kam. Ich googelte nach Ansgar (der ja in Wirklichkeit anders heißt). Tatsächlich hatte ich das ganz am Anfang der Geschichte einmal getan, als Emmi erzählt hatte, er sei ein erfolgreicher Bildhauer geworden.. Er hat eine Homepage, auf der einige seiner wuchtigen Steinskulpturen vorgestellt werden, eine beeindruckende Referenzliste: Städte, nationale und internationale Unternehmen, einige große Museen für zeitgenössische Kunst, Gruppen- und Einzelausstellungen. Seine Arbeiten wecken Erinnerungen an organische Körper, pflanzliche, tierische, menschliche, man sehnt sich, fühlte zumindest ich, geradezu danach, in sie hinein eine solch lebendige Form zu sehen, doch weisen sie dieses Ansinnen letztlich stets schroff zurück. Mir gefielen sie nicht besonders.
Als ich diesmal seinen Namen ins Suchfenster eingab, erschien wieder als erstes die Homepage. Sie war unverändert, zum letzten Mal aktualisiert im Mai 2011. Darunter waren verschiedene Einträge, die auf einen Artikel in einer dänischen Zeitung verlinkten. Ich gab eine der URLs in den Google-Übersetzer ein und erhielt die Art skurriler Übersetzung, die der immer liefert:
Dänische Bildhauer für Stein berühmt verschwindet
Kopenhagen, 25. August 20011. Familie von A.G. geht an Gemeinschaft. „Mein Mann nicht mehr gemeldet seit 28. Mai bei mir.“, Maja G. sagt. Der Künstler oft hat sich allein gesetzt und Ideen zu seiner Einsamkeit gesucht. Doch so lange es nicht gewesen alle die Jahre. Auch keine Abschied genommen hat ihr Mann, sagt Maja G. A.G. ist eine von die wichtigsten dänische Künstler aus die Gegenwart. Seine „Moderne Meerjungfrau“ sitzt in die Hafen von Arhus und war große Streit in die Stadt.
Ansgar ist offenbar seit Ende Mai verschwunden. Wenige Tage später besuchte mich Emmi und benahm sich merkwürdig distanziert. Ende Juni war sie in Südfrankreich, in Begleitung eines jungen Mannes, der Ansgar offenbar sehr ähnlich sah. Auf Ansgars Homepage stieß ich versteckt auf einen Lebenslauf, der einige private Daten enthielt. 1982 heiratete er . 1982! Sein Sohn wurde im Februar 1983 geboren. In diesem Sommer, in dem in Kopenhagen seine junge Frau, fast selbst noch ein Kind, sich mit dem Baby herumschlug, reiste er nach Berlin und traf Emmi.
Ich schleiche um das Telefon. Muss ich die Polizei benachrichtigen? Ich habe keine Ahnung, was inzwischen geschehen ist. Es könnte sein, dass Ansgar längst wieder sicher bei seiner Familie ist. Es könnte sein, dass... Was? Ich habe keine Ahnung. Emmi ist nicht in Südfrankreich, lässt aber Postkarten von dort schicken. Ansgar hat einen Sohn. Das wusste sie. Aber sie dachte, sie muss gedacht haben, dieses Kind sei mindestens zehn Jahre jünger. Ansgar war verheiratet, immer schon. Bereits als sie ihn kennenlernte. Kein Wort in seinen Briefen davon.
„Ich habe von einem Mädchen gehört, mit dem ich zur Schule gegangen bin. Sie soll ein Kind bekommen haben. Sie hat keinen Schulabschluss und wohnt mit dem Kind bei ihren Eltern. Natürlich will ich nicht, dass es dir so geht.“
Das stimmte vielleicht sogar, dass Maja, SEINE FRAU, in jener Zeit bei ihren Eltern wohnte. Ich will nicht, dass es dir so geht.
Scheißkerl. Ansgar, wo steckst du? Emmi, liest du? Bitte, Emmi, melde dich!
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