Fortsetzung des Brief- und Blogromans PUNK PYGMALION (Folge 1-32 Hier:)
Er hält sein Wort, der beeindruckende junge Künstler, zu dem Ansgars Sohn geworden ist. In der Begleitmail macht er mich allerdings darauf aufmerksam, dass „ich jetzt schon älter bin, als mein Vater, wie du oder sie ihn kannte. Vergiss das bitte nicht.“ Vielleicht empfindet er die dauernde Betonung seiner Jugend als Herablassung. (Es ist ein eigentümliches Gefühl, das zu schreiben, da ich weiß, dass er es lesen wird. Ich schreibe es gleichzeitig als Teil dieser Erzählung und an ihn. Als ich meine letzten beiden Beiträge über das Treffen vor drei Wochen in Berlin einstellte, war mir das noch nicht so bewusst. Doch er lässt mich wissen, dass er mitliest: „Einige deiner Formulierungen machen mich nachdenklich. Aber ich will jetzt nicht bohren.“)
Schreiben sei „eigentlich nicht sein Ding“. Die Gemälde, an denen er arbeite, wolle er aber nicht vorzeigen, vielleicht werde er keines davon jemals ausstellen, vielleicht werde er sie am Ende alle verbrennen. Er werde mir stattdessen „Wort-Skizzen“ schicken, die er nutzen wolle, um zu ergründen, was in den Bildern sichtbar werden solle. 12 Skizzen könnten es werden, für jeden Monat, den er M., wie er sie weiter nennen werde („Damit musst du leben.“) gekannt habe. Und dies sei die erste:
Lammfrau (Juli 2010)
Sie ist elegant, kalt und alt (Dass sich das reimt, dafür kann ich nichts.) So steht sie da, den Rücken durchgedrückt, die Totschläger-Henkelhandtasche am Arm, im stewardessenblauen Bleistiftrock und weißer Seidenbluse, wahrhaftig ein goldgewirktes Hermes-Tuch um den Hals, das blonde Haar in Haarspray-Welle aus dem Gesicht. Als schöne Karikatur einer Charlottenburger Kunstsammlerin verleiht sie der an sich angenehmen dunklen Stimme der Galeristin eine widerwärtig säuselnde Dienstfertigkeit. Ich habe tagelang auf sie gewartet. Die Vernissage war ein Erfolg. Es war voll und niemand sprach über Kunst. Das ist das erste Mal, dass ich einen von Vaters schroffen Blöcken zeige, zusammen mit meinem kleinen Hirten. Sie streckt die Hand aus, aber berührt den Stein nicht. „Wer hat das gemacht?“ Die Galeristin nennt meinen Namen. Seit fünf Tagen verstecke ich mich in dieser Kammer hinter den Schauräumen. Seit fünf Tagen warte ich, dass jemand kommt und sieht, was ich gemacht habe. Sie sieht, streckt den Oberkörper vor auf den Block zu, ihr runder Arsch im engen Rock reckt sich mir entgegen, wie ich hinter der Tür lauere, sie überdehnt den Hals beinahe, als wolle sie ihn in die Kuhle legen, die sich über der Wunde im Stein gebildet hat. Sie wendet den Kopf. Ihr Blick trifft auf den Spiegel, der an der Tür hängt, der gegenüber ich auf meinem Hocker kauere und blaue Kinderaugen schauen mich an, wund und wüst, als habe sie gewusst, dass ich da bin. Aus diesem Winkel sieht es aus, als lege sie willig ihren Kopf einem Henker auf den Block. Der Henker bin ich und sie ist das Lamm. Als sie sich aufrichtet und den Rock glattstreicht, bin ich wie gelähmt. Die Galeristin stellt uns einander vor.
Pull the plug.
But I'd like to learn your name.
And holding on.
Well I hope you do the same
Aw sugar.
„M.“, schreibt er, liebe M., „ging mir nicht aus dem Kopf nach dieser Begegnung. Nicht dass ich sie gemocht hätte – wie ich dich mochte, beim zweiten Anlauf ;-). Aber ich dachte an sie, wenn ich durch die Stadt lief und wurde hart dabei und geil.“
Das Letzte hätte ich lieber nicht gelesen, oder doch? Wenige Tage nach der Begegnung, die Lars schildert, trennte sich Emmi von ihrem Mann.
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