Dienstag, 29. Mai 2012

ROMANTIK FÜR VORSCHÜLER (nur für Männer)

Ein Beitrag von BenHuRum*, in gewohnt schlechter Bildqualität.

Wer´s besser will, soll kaufen (hehe). Anfragen unter: melusinebarby@googlemail.com


"Weder Jean Paul noch Hölderlin werden üblicherweise der deutschen Romantik im engeren Sinne zugerechnet, obwohl sie mit ihr zweifellos korrespondierten. Von Schlegel, Brentano und Novalis waren sie beide gleichermaßen entfernt, wenn auch in gegensätzlichen Richtungen. Nimmt man jedoch den sehr viel weiter gefassten Begriff des Romantischen aus der Vorschule der Ästhetik als Hinwendung zu oder auch nur als bloßes Ahnen, Sehnen nach einer anderen Wirklichkeit als der von Raum und Zeit, sind nicht nur Jean Paul und Hölderlin, nicht nur Shakespeare, Cervantes, Goethes Faust oder die Liebesgeschichten der 185. bis 210. Nacht der arabischen Märchen, die in der Vorschule als Beispiel angeführt werden, dann sind von Büchner und Kleist bis Kafka und Heimito von Doderer beinah alle Romantiker, wegen denen die deutsche unter allen Literaturen der Moderne für mich am höchsten steht."

Navid Kermani: Mein Name, 2011



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Wenn Sie lesen, wen Kermani hier nennt und wen er weglässt, so erschließt sich vielleicht der einen oder dem anderen, warum ich dieses Buch, wiewohl es für mich zu den interessantesten gehört, die ich bisher in diesem Jahr gelesen habe, hier oder anderswo nicht besprechen werde. Es wird auch weiterhin von mir kein Buch eines männlichen Autoren besprochen bis die 50%-Quote erreicht ist. Da ich viel lese und dabei durchaus die Hälfte (und mehr) der Bücher von Frauen sind, wird dies kein lange währendes Problem sein. (Morel wird allerdings morgen mal wieder den Anteil der Männer steigern.) 


Vorgestern erzählte ich einer Freundin, als wir die Feuilletons durchblätterten, von jenem Romanautor und Blogger, der sich tatsächlich mir gegenüber erdreistet hatte zu behaupten, er werde als Mann im "Betrieb" benachteiligt und müsse sich daher für eine (jüngere, sexy osteuropäische) Frau ausgeben, um reüssieren zu können. Sie konnte es kaum glauben und fand dann eine Bezeichnung für dieses Verhalten, die ich nicht im Wortlaut wiedergeben werde, der ich aber zustimme.


Viele Männer, wie die empirische Forschung belegt, empfinden sich in der Tat in allen öffentlichen Lebensbereichen als benachteiligt, wenn ihre Geschlechtsgruppe "nur" noch einen 50 - 70 % Anteil hat. Das ist die "gefühlte" Diskriminierung der Privilegierten. Man kann sie genauso beobachten bei den Weißen in den USA, sobald Farbige sich einen Teil der Positionen erobern, die ihnen zuvor verschlossen waren. Dagegen gibt es immer noch viele Frauen, denen an der Aufzählung Kermanis oben nichts auffällt und keine fehlt. Auch daran ist zu arbeiten. (J.S.P.)


* THOMAS HARTMANN: MOUNTAINS OF DISBELIEF 
noch bis 28. Juni in der Weißfrauen Diakoniekirche in Frankfurt am Main
(Weserstr./Ecke Gutleutstraße, Mo - Fr 12.00 - 16.00 Uhr)

3 Kommentare:

  1. Liebe Melusine,

    ich würde wirklich gerne erfahren, welche Bezeichnung für "dieses Verhalten" Ihre Freundin gewählt hat! Bitte!!!

    Was die gefühlte Benachteiligung der Männer angeht, so hat natürlich kein Mann, der eine Stelle nicht bekommt, etwas davon, wenn diese von einem Mann besetzt wird. Wird sie von einer Frau besetzt, hat er auch nichts davon, kann sich aber wenigstens ungerecht behandelt fühlen. Eine Win-Win-Situation also, emotional betrachtet. Kein Grund somit, die Richtung zu ändern.

    Mit herzlichen Grüßen,

    Norbert

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  2. Das Wort will ich nicht herschreiben. Die Jugend liest gelegentlich mit. Und es ist tatsächlich nicht schön und nicht mal geistreich. Einfach nur zornig. Es tat mir aber gut zu erleben, wie krass eine andere Frau diese Rechtfertigung findet. Hat mir gezeigt, dass meine Reaktion (nämlich schlicht Ignoranz) ziemlich gemäßigt war.

    Zu dem Themenkomplex hatte ich, längst bevor der uns beiden bekannte öffentliche Streit zu diesem speziellen literarischen Blogger eskalierte ( und auch tatsächlich zunächst ohne jeden Bezug zu diesem) einmal einen Post geschrieben
    Virtuelle Gender-Identitäten Tatsächlich finde ich die Problematik komplex und ein Urteil keineswegs einfach, wenn man nicht schlicht auf einem sehr einfachen Konzept von "Identität" beharrt. Andererseits ist aus meiner Sicht auch nicht alles mit der Chiffre "literarisch" zu rechtfertigen. Ich finde es wichtig zu wissen, dass "Madame Flaubert" oder "Effi Briest" von Männern geschrieben wurden. Das macht sie nicht zu besserer oder schlechtere Literatur, aber es ändert die Rezeption, jedenfalls meine. (Gerade da verläuft, denke ich, auch eine der Konfliktlinie meiner Lesart zu derjenigen Keuschnigs oder auch ANHs, wenn Sie wollen. Ich interessiere mich weniger für eine Bewertung als dafür, wie und welche Wirkung ein Werk auf mich hat, mit welchen Mitteln das gelingt oder misslingt, worauf ich reagiere oder weswegen ich gleichgültig bleibe; d.h. mit anderen Worten: So wenig ich den/die Autorin ausblende, so wenig blende ich mich als Leserin aus. Meine Auseinandersetzung ist - und will es sein - subjketiv. Das heißt: Ich lese so, als führe ich ein fiktives Gespräch. Deshalb schreibe ich auch keine "Kritiken" und niemals Verrisse.)

    Ich schreibe Teile meines Romans auch aus der Perspektive von Männern, sogar aus der Ich-Perspektive. Gerade deshalb glaube ich, dass darin weibliche Projektionen stecken: Wünsche, aber auch Unterstellungen. Damit "arbeite" ich. Ich hielte es für eine Täuschung, den Leser/die Leserin glauben zu lassen, es handele sich um eine "authentische" männliche Perspektive. Tatsächlich steckte darin eine Anmaßung, die ich auch poetologisch ablehne: die Setzung des Autors/der Autorin als "Gott"/"Göttin". Wenn eine solche Autorität des Autors/der Autorin für ein Roman-Konzept behauptet wird, das sich auch noch "postmodern" gibt oder sein will, finde ich das geradezu lächerlich. Nein, ich glaube, dass in jedem ernst zu nehmenden zeitgenössischen Romanwerk die Autorposition selbst zur Disposition steht. Daher operiert man nicht mit Täuschungen (das ist 19. Jahrhundert oder auch Guckkasten-Theater mit Vorhang und Kostüm), sondern s p i e l t mit den Identitäten (Rollenwechsel auf offener Bühne) ;-).

    Herzliche Grüße

    Melusine

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    1. SO lese ich auch, ich treffe mich sozusagen qua Text mit dem Autor oder der Autorin, so daß es eben wichtig ist, ob es sich um Männlein oder Weiblein, um einen deutschen oder ins Deutsche übersetzten spanischen Autor, um einen aus dem 18. oder 21. Jahrhundert handelt und so weiter. Der Kontext ist nicht zu negieren, also will ich ihn auch haben, so umfassend wie möglich. Sören Kierkegaard hat zum Beispiel seine Pseudonyme so gewählt, daß sie "sprechend" sind und als solche erkannt werden, auch weil ohnehin alle Interessierten in Kopenhagen wußten, wer das geschrieben hat. Auch ein Spiel, aber ein faires, weil der Leser zumindest alles erkennen kann, wenn er will.

      Ich habe mich übrigens in die Lage Ihrer Freundin versetzt und bin kurz davor, das Wort zum Mann-der-sich-als-junge-Frau-ausgibt-weil-er-als-männlicher-Autor-keine-Chance-hat zu finden. Gleich hab ichs, warten Sie einen Moment …
      Herzliche Grüße,

      Norbert

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