Ein Beitrag von Morel
Im Frühjahr 1978 ertönte die Stimme eines Gespensts aus
den Transistorradios der Welt. Der Weihnachtsschmarrn Mull of Kintyre von Ex-Beatle Paul McCartney war endlich aus den
Radios verschwunden. Zu dieser Zeit begann zumindest im United Kingdom der
Siegeszug eines der außergewöhnlichsten Lieder, die jemals Hitparadenluft
schnuppern durften: Kate Bushs Eigenkomposition Wuthering Heights, die mit keinem der damals um die Vorherrschaft kämpfenden
Musikstile – Punk und Disco – auch nur das Geringste zu tun hatte. Eine
exzentrische Single, von der Plattengesellschaft erst nach einem Wut- und Tränenanfall
der Komponistin, als Albumauskopplung ins Auge gefasst. Exzentrik, oberflächlich
betrachtet nichts anderes als Auffälligkeit, ist nicht mit Extrovertiertheit zu
verwechseln. Gerade Introvertriert- und Schüchternheit können einem in die
Exzentrik gleiten lassen. Ist Kate Bush schüchtern? Wie einige andere Popstars
hält sie sich die Welt vom Leibe und kommuniziert nur nach ihren Bedingungen:
Tanz, Drama, Kostüme und eine Achterbahnfahrt der Stimme, voller Künstlichkeit
und Aggressivität. Die andere Seite von Schüchternheit ist eben immer die
Arroganz. Die Introvertiertheit ist niemals die taube Nuss, als die sie im sozialen
Verkehr wirkt, Banalitäten äußernd und an unpassenden Stellen ins Schweigen
verfallend, immer zu spät die witzige Bemerkung entdeckend, die gepasst hätte,
als man noch miteinander redete. Vielmehr ist das Leben der Schüchternen reich,
weil sich all das Nichtgesagte ansammelt wie auf einem Dachboden Kisten voll
mit vergessenen Tagebüchern aus einem anderen Jahrhundert. Wuthering Heights: die erste Eigenkomposition einer Frau auf Platz
1 der englischen Singlecharts und eine gewagte Aneignung englischer Traditionen
einer erst 20jährigen Künstlerin (die von ihrer Plattenfirma in enge Tops
gesteckt wurde, damit die von der angeblich piepsigen Stimme genervten Jungs
auf den Schulhöfen auch noch was von dem ungewöhnlichen Lied hatten - das hat
sie nie wieder zugelassen). Denn Wuthering Heights bezieht sich natürlich auf
einen der beliebtesten Romane der englischen Romantik. Emily Brontes Erzählungsfaden
vom zerstörerischen Leben und Treiben Heathcliffs nimmt Kate Bush (die nicht
nur am selben Tag Geburtstag hat wie Emily Bronte, sondern auch noch den
Vorname ihrer weiblichen Hauptfigur Catherine trägt) an seinem Ende auf. Wie in
vielen ihrer Lieder gibt es nur einige wenige Zeilen, von denen viele wörtliche
Zitate aus dem Roman sind (den Kate Bush noch nicht einmal gelesen hatte, sie
kannte nur eine Verfilmung). „Heathcliff, it’s me,
Cathy, I’ve come home. I’m so cold, let me
in-a-your window“ Mit ihrem ersten Hit tritt Kate Bush zum ersten Mal auf eine
Bühne und nimmt eine Rolle an. Sie singt mit der Stimme ihrer toten Vorgängerin.
Catherine, die Heathcliff nun von seinem Todesbett in ein Jenseits zieht, in
dem es immer kalt ist. Und hinter allen Kostümen eine Leere, die niemals zu füllen
ist, und daher immer wieder nach außen drängt. Der ungewöhnlichste Kate-Bush-Fan
wächst in Brooklyn bei seiner Mutter auf. Seinen Vater, einen ehemaligen Black
Panther lernt er erst als Erwachsener kennen. Nichts verbindet ihn mit dem mittelständischen Künstlermilieu,
aus dem Kate Bush stammt. Aber der Zitate-Mix und die Aneignung einem nicht
zugestandener Traditionen, das die Eigene Stimme finden gegen Widerstand
begleiteten ihn auf seiner kurzen Weltkarriere. Am 13. September 1996 wurde
Tupac Shakur in Los Angeles erschossen.
danke fürs erinnern. kate bush ist toll und die verbindung zu schüchternen menschen eine schöne...
AntwortenLöschen...und ich danke für das Kompliment.
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