Gestern
Abend hatte ich ein Blind Date. Da ist immer ein Risiko dabei. Es kann ein
unterhaltsamer Abend werden, spannend, witzig, geistreich, vielleicht sogar
erhellend. Es kann aber auch passieren, dass da jemand auftaucht, der einfach
nicht passt: dessen Rhythmus und Timing langweilt, dessen Humor man nicht
versteht oder der keinen hat, dessen geistige Höhenflüge zum Absturz führen
oder dessen Auftreten sogar einen dunklen Schatten über das Gemüt wirft. Der
Morel hatte gehofft, nehme ich an, Rainald Goetz würde erscheinen, das wäre
sein Traum-Blind Date unter den gegebenen Bedingungen gewesen. So kam es aber
nicht. Mit dem Rainald Goetz wäre auch ich nicht unzufrieden gewesen, obwohl
ich bekanntermaßen nicht so auf eher kurze und leicht unterernährte Männer
stehe, die sich mit „maßgeblichen“ Fragen und Leuten beschäftigen. Aber es wäre
mit Sicherheit ein unterhaltsamer Abend geworden, an unsere „allerbasicsten Gefühle“
appellierend, mit wüsten Schimpfstakkatos gegen Idioten und kaltem Zorn gegen die Herren der Medienkonzerne und intelligenten
Beleidigungen gegen Investmentgesellschafter. Stelle ich mir jedenfalls vor.
Es
kam aber ganz anders – war langweilig, ein bisschen ärgerlich und ermüdend. Da auf dieser Seite keine Verrisse
erscheinen sollen und werden, kann und will ich nicht weiter darauf eingehen.
Der Autor, der erschien, versteht sein Handwerk. Was und wie er schreibt, wird
sicher Leser:innen finden. Wir vier, die wir uns an diesem Abend verabredet
hatten, um eine der Blind-Date-Lesungen von der Longlist des DeutschenBuchhandels zu hören, werden jedoch nicht dazu gehören. Es ist ein Roman, der für
Leser:innen interessant sein kann, die sich für Gottsuche, katholische
Theologie und männliche Pubertätsprobleme interessieren, gerne ausführliche und
wortgedrechselte Beschreibungen lesen und auf eine handwerklich polierte,
stilsichere, bruchlose Sprache Wert legen. Dazu zählen wir vier offenbar nicht. Richtig „widerlich“,
sagte der Morel hinterher, aber habe er es gefunden, als der Autor zur Einführung
des nächsten Romanabschnittes, den er vortragen wollte, gesagt habe: „Die Küchenmädchen spielen im weiteren Verlauf des Romans dann auch noch eine
wichtige Rolle, obwohl die meisten so hässlich sind.“ Das war auch bei mir der
Moment, an dem ich endgültig abgeschaltet habe.
So
kann es gehen, wenn man sich auf ein Blind Date einlässt. Man muss dann, auch
wenn man schon weiß „Das wird nix“ noch die Höflichkeitszeit absitzen, bevor
man aufsteht und sich - möglichst
eindeutig ein weiteres Treffen in aller Freundlichkeit ausschließend - verabschiedet. Hier kamen wir wenigstens
um die Suche nach diesen heuchlerischen Abschiedsworten herum.
Und ich nehme an, wenn ich jetzt wissen möchte, um wen es sich handelt, muss ich dedektivisch vorgehen, oder verraten Sie den Autor?
AntwortenLöschenDetektiv Tudor hat ermittelt: Christoph Peters, "Wir in Kahlenbeck".
AntwortenLöschenWas soll ich sagen? Leugnen lässt sich´s nicht.
AntwortenLöschenSelbst habe ich den Namen nicht genannt, weil die Zugriffe auf die Seite (trotz des "Abrutschens" in der Wikio-Rangliste) zur Zeit steigend sind, was sie auch bei der Google-Suche z.T. recht weit nach vorne bringt (immer noch täglich auf Platz 1 bei Hund mit der Hand befriedigen, aber auch "Mussolini hängt", "nackte Männer" und "Der einsame Poet") und ich nicht möchte, dass jemand bei der Eingabe eines Autor:inn:en-Namens einen Verriss aus meiner "Feder" findet. Da alle meine Urteile Geschmacksurteile sind und ich keine "allgemeingültigen" Kriterien für "gute Literatur" habe, mache ich negative Urteile nicht öffentlich. (Damit will ich nicht sagen, meine Urteile seien beliebig. Sie fußen auf viel Leseerfahrung und einer Idee davon, was Literatur und Sprache leisten können und wie Erzählen funktioniert. Sie sind aber nicht verbindlich, sondern an meine Erfahrungen und meine Erwartungen gebunden. Der o.g. Autor k a n n schreiben, das erkenne ich; doch was und wie er schreibt ist eben für mich völlig uninteressant)
Hm, jetzt habe ich fast ein schlechtes Gewissen wegen meiner Detektivarbeit (es war nicht besonders schwierig). Ich kann Ihre Gründe, den Namens des Autors lieber nicht auf der Seite genannt zu haben, absolut nachvollziehen. Also wenn Sie meinen Kommentar lieber wieder rausnehmen wollen, habe ich dafür Verständnis.
AntwortenLöschenNein, so war das nicht gemeint :-). Ich wollte nur erklären, dass es mir nicht darum ging, ein Rätsel zu konstruieren.
AntwortenLöschenVor kurzem habe ich mal überlegt, die Bücher zu zeigen, die ich in den letzten Monaten gelesen habe und über die ich nicht hier im Blog geschrieben hatte. Davon bin ich dann aber wieder abgekommen, eben weil der Verdacht hätte auftauchen können, das seien die, die Ich "verreißen" würde (wenn ich so was täte). Es stimmt aber nicht. Manchmal finde ich auch keine Form, keinen Ausgangspunkt um über Bücher zu schreiben, die ich besonders schätze. Schon lange will ich z.B. über die Erzählungen von Alice Munro schreiben, habe auch schon ein paar mal angefangen, finde aber nicht den richtigen Zugang, um das auszudrücken, was mir daran wichtig ist. Manche Werke, die ich lese, sind "gute Literatur" (nach handwerklichen oder anderen Maßstäben) aber für mich vollkommen langweilig, wieder andere sind vielleicht weniger gut geschrieben, bedeuten mir aber aus ganz persönlichen Gründen viel oder machen mir viel Freude. Ich finde - das übrigens sagte der Autor gestern Abend und darin stimme ich mit ihm überein - ,das Wunderbare an Literatur und Kunst ist ja gerade, dass jede/r ihren/seinen eigenen Zugang finden kann und seine/ihre eigenen Maßstäbe. Was mir heute nicht zugänglich ist, kann sich morgen für mich auftun (und umgekehrt). Diese Offenheit (die Auflösung des Leistungsdenken, die Abkehr von "Qualitätsurteilen" und Wahrheitsansprüchen) habe ich mir nie nehmen lassen wollen im Umgang mit Literatur und Kunst, daher kommt mein Widerwille gegen jede Art von Kanon und gegen eine Literaturkritik, die so was wie "Noten" vergibt.
Blinddates haben wenigstens die Eigenschaft, selbst gewählt worden zu sein.
AntwortenLöschenIch bin in der jüngeren Vergangenheit zweimal dazu genötigt worden, Bücher zu lesen, die anderen etwas bedeutet haben, da war also noch ein äußerer Zwang dabei und vor allem: die Notwendigkeit irgendwann Rede und Antwort zu stehen. Und da ich nicht labern kann, muss ich dann immer die Wahrheit sagen, das sind dann Wir-Müssen-Reden-Momente, in denen ich dann jeweils zugeben muss, warum ich nicht mehr kann und dass das - wie bei jeder ehrlichen Trennung - freilich alles an mir liegt.
Das ist ja spannend, wie das geht: Jemanden außerhalb von Schule oder Uni-Seminar zum Lesen nötigen??? Ich kann das nicht. Und: Keiner kann mich (mal ;-) ).
LöschenErnsthaft: Das ginge doch nur durch emotionale Erpressung, oder? Warum sollte jemand die beim Lesen einsetzen? Ich versteh´s ja noch, wenn es um Ausgehen geht und eine/r wohin will, wo man nicht gern alleine hingehen mag. Dass man´s da versucht. Aber lesen kann man doch ganz gut allein, sogar besser. Wozu sollte ich da jemanden nötigen?
Ja, bei jeder ehrlichen Trennung liegt es an "mir" (nämlich, der/dem, der spricht). Wer was anderes sagt, lügt.