Dienstag, 25. September 2012

KLABUSTERBEERENBRUT. ("Etwas Besseres finden wir sowieso.")


Ein Beitrag von BenHuRum



„Erzähl mir ein Märchen.“
„Bist du nicht zu alt dafür?“
„Keine ist je zu alt für ein Märchen, das gut ausgeht. Erzähl mir von den Wolfskindern und den Musikanten.“
„Du verwechselst da was.“
„Du sollst erzählen, sag ich.“
„Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“
„Im Westen Nichts, im Osten Nichts, im Norden Nichts, im Süden Nichts.“
„Remix. Alles war einmal und wieder.“
„Das kommt nicht mehr.“
„Du nervst. Glaubst du an Wolfskinder?“
„Es wird von ihnen erzählt in der Türkei, in Kambodscha, auf den Philippinen, vor Rom, im hessischen Wald.“
„Sind das Menschen?“
„Was ist der Mensch? Die Wölfin jedenfalls handelt stets menschlich in den Geschichten.“
„Das ist kränkend. Für die Wölfin.“
„Als Esel habe ich da meine Vorbehalte.“
„Leg´ endlich los. “
„Ich war ein alter Esel, der schon lange treu gedient hatte, aber keine Lust mehr hatte, weiter das Rad zu ziehen.“
„Wie kam´s, dass dir das nicht früher auffiel?“
„Still jetzt. Der Herr ging mir auf die Nerven. Wie du. Also machte ich mich auf den Weg und lief fort. An der Weggablung traf ich auf einen schlanken Jagdhund, dem´s auch über geworden war. Er hechelte ein bisschen und es tropfte ekliger Schleim aus seinem Maul. By the way: Seine Verwandte lupa ist sicher keine Menschin, obwohl sie sich später in der Geschichte ziemlich dumm anstellt.“
„Sei vorsichtig.“
„Du wolltest, dass ich erzähle. Und ich bin eben ein Esel. Jedenfalls: Wir trafen dann noch eine struppige Katze.“
„Ich stehe nicht auf Katzen-Content.“
„Klappe. Die war auch gar nicht süß, das Vieh, sondern ein rauer Kater. Sie hatten ihn ersaufen wollen, da hat sich er sich weg gemacht.“
„Lauter Kerle also. Wird das ´ne Männer-WG?“
„Willst du jetzt, dass ich erzähle, oder nicht? Später stieß auch noch ein Hahn zu uns. Die Gesellschaft war ganz fidel. Wir sangen fröhlich und hatten schnell ein paar gute Songs drauf. Und kein Weiber-Gewäsch. Nebenbei.“
„Schon gut.“
„Wir schlugen uns durch den Wald. ´Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.´, krähte der Hahn. Der Kater gab den Brummigen: ´Erstmal nach Überall kommen.´  Zum Glück fanden wir eine Quelle und eine verlassene Köhler-Hüte nahebei, wo wir uns einquartierten. ´Und das soll Überall sein?´, knurrte der Hund. ´Etwas Besseres als Überall finden wir sowieso.´, krähte der Hahn. ´Sowieso´, maulte der Kater.“
„Kein Weibergewäsch, eh?“
„Ja, sie nervten, aber richtig schlimm wurde es erst, als diese Wölfin auftauchte, mit ihren Zitzen und den beiden rosigen Bälgern. Die sahen wir am nächsten Morgen an der Quelle. ´Sowieso´, maunzte der Kater. ´Etwas Besseres finden wir nirgendwo.´, krähte der Hahn. ´Auf nach Nirgendwo´, wedelte der Hund und trippelte mit wackelndem Hintern zur Quelle hinunter. Da war mir schon klar, dass das kein gutes Ende nehmen würde.“
„Du hast ein Happy End versprochen. Märchenhaft. Denk dran.“
„Ja,ja. Der Hahn flatterte. ´Etwas Besseres finden wir nie.´ und flog tief über die Zitzenträgerin hin. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und bellte tief:´Cousine, Ihr seid ein stattliches Exemplar.´ Der Kater winselte: ´Zitzen wie meine Frau Mama.´ Der Hahn stürzte ab. Der Hund fraß ihn auf. Der Kater bog die Krallen und kratzte dem Köter die Augen aus. Der Köter wollte sich auf die Wölfin stürzen, wältze sich aber blindlings über die Säuglinge. Die Wölfin biss ihm die Kehle durch. Eine schöne Sauerei.“
„Und?“
„Ich war allein. Mit dir. Wir spülten die Menschenbrut die Quelle hinab, den Hund und den Kater hinterdrein und wuschen uns rein. Du müsstest keine Wölfin sein, wenn du keinen Esel zu schätzen wüsstest.“
„Sehr menschlich.“
„Reiz mich nicht.“
„Ohne Fertilität. Das nennst du Happy End.“
„Willst du einen Wolf?“
„Tanz ihn mir.“
Der Esel tat wie ihm geheißen. Es war eine Plage, schlimmer gar als das Rad zu ziehen, Tag ein Tag aus. Aber die Fangzähne der Wöflin hatten mehr Überzeugungskraft als seine langen Ohren.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

(Text: M.B./J.S.P.)

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