Ein Beitrag von BenHuRum |
„Erzähl mir ein Märchen.“
„Bist du nicht zu alt dafür?“
„Keine ist je zu alt für ein Märchen, das
gut ausgeht. Erzähl mir von den Wolfskindern und den Musikanten.“
„Du verwechselst da was.“
„Du sollst erzählen, sag ich.“
„Es gibt nichts Neues unter der Sonne.“
„Im Westen Nichts, im Osten Nichts, im
Norden Nichts, im Süden Nichts.“
„Remix. Alles war einmal und wieder.“
„Das kommt nicht mehr.“
„Du nervst. Glaubst du an Wolfskinder?“
„Es wird von ihnen erzählt in der Türkei,
in Kambodscha, auf den Philippinen, vor Rom, im hessischen Wald.“
„Sind das Menschen?“
„Was ist der Mensch? Die Wölfin
jedenfalls handelt stets menschlich in den Geschichten.“
„Das ist kränkend. Für die Wölfin.“
„Als Esel habe ich da meine Vorbehalte.“
„Leg´ endlich los. “
„Ich war ein alter Esel, der schon lange
treu gedient hatte, aber keine Lust mehr hatte, weiter das Rad zu ziehen.“
„Wie kam´s, dass dir das nicht früher
auffiel?“
„Still jetzt. Der Herr ging mir auf die
Nerven. Wie du. Also machte ich mich auf den Weg und lief fort. An der
Weggablung traf ich auf einen schlanken Jagdhund, dem´s auch über geworden war.
Er hechelte ein bisschen und es tropfte ekliger Schleim aus seinem Maul. By the
way: Seine Verwandte lupa ist sicher keine Menschin, obwohl sie sich später in
der Geschichte ziemlich dumm anstellt.“
„Sei vorsichtig.“
„Du wolltest, dass ich erzähle. Und ich
bin eben ein Esel. Jedenfalls: Wir trafen dann noch eine struppige Katze.“
„Ich stehe nicht auf Katzen-Content.“
„Klappe. Die war auch gar nicht süß, das
Vieh, sondern ein rauer Kater. Sie hatten ihn ersaufen wollen, da hat sich er
sich weg gemacht.“
„Lauter Kerle also. Wird das ´ne
Männer-WG?“
„Willst du jetzt, dass ich erzähle, oder
nicht? Später stieß auch noch ein Hahn zu uns. Die Gesellschaft war ganz fidel.
Wir sangen fröhlich und hatten schnell ein paar gute Songs drauf. Und kein
Weiber-Gewäsch. Nebenbei.“
„Schon gut.“
„Wir schlugen uns durch den Wald. ´Etwas
Besseres als den Tod finden wir überall.´, krähte der Hahn. Der Kater gab den
Brummigen: ´Erstmal nach Überall kommen.´
Zum Glück fanden wir eine Quelle und eine verlassene Köhler-Hüte
nahebei, wo wir uns einquartierten. ´Und das soll Überall sein?´, knurrte der
Hund. ´Etwas Besseres als Überall finden wir sowieso.´, krähte der Hahn.
´Sowieso´, maulte der Kater.“
„Kein Weibergewäsch, eh?“
„Ja, sie nervten, aber richtig schlimm
wurde es erst, als diese Wölfin auftauchte, mit ihren Zitzen und den beiden
rosigen Bälgern. Die sahen wir am nächsten Morgen an der Quelle. ´Sowieso´,
maunzte der Kater. ´Etwas Besseres finden wir nirgendwo.´, krähte der Hahn.
´Auf nach Nirgendwo´, wedelte der Hund und trippelte mit wackelndem Hintern zur
Quelle hinunter. Da war mir schon klar, dass das kein gutes Ende nehmen würde.“
„Du hast ein Happy End versprochen.
Märchenhaft. Denk dran.“
„Ja,ja. Der Hahn flatterte. ´Etwas
Besseres finden wir nie.´ und flog tief über die Zitzenträgerin hin. Der Hund
wedelte mit dem Schwanz und bellte tief:´Cousine, Ihr seid ein stattliches
Exemplar.´ Der Kater winselte: ´Zitzen wie meine Frau Mama.´ Der Hahn stürzte
ab. Der Hund fraß ihn auf. Der Kater bog die Krallen und kratzte dem Köter die
Augen aus. Der Köter wollte sich auf die Wölfin stürzen, wältze sich aber
blindlings über die Säuglinge. Die Wölfin biss ihm die Kehle durch. Eine schöne
Sauerei.“
„Und?“
„Ich war allein. Mit dir. Wir spülten die
Menschenbrut die Quelle hinab, den Hund und den Kater hinterdrein und wuschen
uns rein. Du müsstest keine Wölfin sein, wenn du keinen Esel zu schätzen wüsstest.“
„Sehr menschlich.“
„Reiz mich nicht.“
„Ohne Fertilität. Das nennst du Happy
End.“
„Willst du einen Wolf?“
„Tanz ihn mir.“
Der Esel tat wie ihm geheißen. Es war
eine Plage, schlimmer gar als das Rad zu ziehen, Tag ein Tag aus. Aber die
Fangzähne der Wöflin hatten mehr Überzeugungskraft als seine langen Ohren.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann
leben sie noch heute.
(Text: M.B./J.S.P.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen