Zwei Wochen "frei", d.h. freigesetzt von der Erwerbsarbeit (nur zum Teil allerdings, denn es müssen Berichte geschrieben und Anträge für Nachfolge-Projekte formuliert sowie Konzepte für zwei Workshops im November erstellt werden). Dennoch: Zeit den "PUNK PYGMALION" zu überarbeiten, jene Hinweise aufzugreifen, die mir die Erstleser_Innen Iris Blütenblätter, Claudia Kilian, Markus Hediger und der Bücherblogger gaben. In den "Erwerbsarbeitswochen" schaffte ich es einfach nicht, diese Überarbeitung des Textes in Angriff zu nehmen. Schreiben kann ich immer und tue es auch immer, fast nie an einem Schreibtisch sitzend, sondern in Sesseln hockend, am Esstisch, mit dem Laptop auf den Knien in der Bahn. So habe ich immer schon geschrieben. Früher eben nicht in ein Blog, sondern mit krakeliger Schrift in meine Notizhefte. Selbst meine Magisterarbeit und Doktorarbeit sind so entstanden: aus erstmal zusammenhanglosen Notizen, auch längeren Texten, die in einem Fluss heruntergeschrieben wurden nach ausgedehnten Spaziergängen. Die Reihenfolge dieser Bruchstücke war unübersichtlich, die Fußnoten musste ich später oft mühsam zusammentragen. Deshalb habe ich mir dieses umfangreiche Zettelkastensystem zugelegt. Verstaubt stehen die übervollen Kästen immer noch oben auf dem Regal. Das Gleiche leistet heute mein Lesezeichen-Menü auf dem Laptop. Und der Ordner "In Arbeit". Immer schon war ich eine versessene Sammlerin von Textfetzen. Am Ende bringe ich nie die Häfte von allem "unter".
Überarbeitungen von längeren Texten erfordern - anders als das (bei mir) "ursprüngliche" Schreiben, das überall und auch zwischendurch stattfindet - zusammenhängende freie Zeit, es muss eine Struktur gefunden werden, eine Form, die die Einzelteile verbindet, eine Haltung zum Erzählten, die "das Ganze" trägt. Und das Feilen an den Worten und Sätzen. Die Stimmlagen. (Wobei ich finde, dass zu viel Gedrechsel auch schaden kann: ein Übermaß an gewollter Originalität, deren Angestrengtheit säuerlich riecht.) Auch der PUNK PYGMALION, wurde, wie alles, was ich schreibe, nicht von einem "Plot" her entwickelt, sondern aus verstreuten Einzeltexten, in diesem Fall eben den Briefen aus den 80er Jahren, die vielfach überschrieben wurden. Das Bloggen gab eine Grundform des Erzählens vor: die Orientierung am Datum, an der Chronologie der Veröffentlichung. So wurden die notwendige Gegeneinrede und das neue Narrativ gestiftet: Welche Projektionen führen zum Verschwinden, welche lassen überleben? Wer schafft die Fiktion, wer bildet sich ihr nach? Wechselspiele. Am Anfang habe ich nicht gewusst, dass es so ausgehen würde. Nicht im "Roman", wo der Verrat sich mehr und mehr offenbarte, noch als "Autorin", die einen "Roman" gar nicht schreiben wollte. Wie es jetzt ist. Und noch einmal anders werden muss. Markus Hediger schrieb mir, am Beginn der Erzählung wirke die Verbindung mit dem Blog "aufgesetzt". Die Ich-Erzählerin und das Weblog bräuchten von Anfang an "mehr Eigenleben". So ist es. Die späteren Motive schon andeuten: Der Ausweg aus der Ehekrise, der das Weblog ihr, also M., ist. Aber keine Rechtfertigungen. Diese vielmehr radikal streichen. Ein paar Sätze, Skizzen, müssen genügen, um die Krise anzudeuten. Mit dem Mittelteil ("Lars") war der Bücherblogger weniger zufrieden. Hier gibt es Überflüssiges, Spielereien, Schnittstellen mit der "Realität" (um die Fiktion zu beglaubigen), die genau jenen säuerlichen Geruch verbreiten, den ich vermeiden will. Weg damit. Und am Ende: "Emmi". Der schwierigste und schwerste Teil. Von dem ich gar nichts wusste, als ich begann. Den ich aber jetzt als wahr empfinde. Als das, was "dabei herauskommen muss", sozusagen. Wenn eine so was macht: Bloggen. Verrat. Immer an einer. Damit die andere... Dieses Element steckt überall in meinen Fiktionen drin: Doppel-Gängerinnen. Dass es am Grunde auch dieser Geschichte lag, die ich schließlich erzählte, weil mein "eigentliches" Roman-Projekt zum Stillstand kam, wusste ich - und wusste es nicht. Für mich, aber nur für mich, für keine andere Leserin, wird es so sein, dass der PUNK PYGMALION auch vom Scheitern dieses anderen Schreibens erzählt, das der Zwangschronologie des geschriebenen Textes beikommen will, indem es sie umdreht, die Form des "realistischen" (männlichen) Romans nach außen stülpt. Fontanes Barbys. Aber... Eben! Stattdessen (nebenbei?) nun halt die stürmisch drängenden Briefromane digitalisiert - und was dann passiert...
Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag 20-30 Seiten zu überarbeiten. Das ist viel. Das geht nur, weil die drei oben erwähnten Erst-Leser_innen mir so geholfen haben. (DANKE!) Wenn es geht...Zwei Wochen frei. Zwei Wochen am Schreibtisch. Ich sitze nicht gern - fest. Schon spüre ich, wie ich diese Arbeit zu verschieben suche: Sollte ich nicht erstmal die Blumen im Garten herbstfertig schneiden? Ich muss mich zwingen. Das kann ich. Bestimmt.
Viel Spaß beim Überarbeiten! Aber ändere um Himmels Willen nicht zu viel daran.
AntwortenLöschenNicht dass es dir dann geht, wie mir manchmal wenn ich meinen Frisör nicht bremsen kann.
Ich ändere nicht viel. Eigentlich nehme ich mir nur Eure Hinweise "zu Herzen". D.h.: Mit einigen wenigen, hinzugefügten Sätzen auf den ersten 30 Seiten gebe ich der Herausgeberin des Blogs ein wenig mehr Kontur und "Fleisch". Und im Mittelteil ("Lars") kürze ich einiges, was nicht weiterführt (vor allem Begegnungen aus dem "Real Life" bzw. deren ausführliche Beschreibung). Ansonsten geht es nur um Formulierungen.
LöschenDanke noch einmal für Deine sehr ermutigende Reaktion!
(Frisör ist immer riskant. Besonders die kreativen.)
Meiner besonders.
AntwortenLöschenHeute gilt ja der Satz vom stark und gut durchgearbeiteten Text als Qualitätsprädikat, was sicher stimmt. Ein Risiko scheint mir, dabei Spontanes zu verlieren. "Punk Pygmalion" setzt viel Leichtigkeit der Sprache allein schon wegen der formalen Authentizität der Briefe gegen eine Handlungskonstruktion auf Beziehungsebene, die in der Gesamtrückschau etwas überkonstruiert wirken könnte. Auf das Ergebnis Ihrer Überarbeitung bin ich jedenfalls sehr gespannt und würde mir wünschen, es fände den Weg zwischen zwei Buchdeckel.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Der Buecherblogger
Vielen Dank noch mal für´s Lesen und Kritisieren. Die "Beziehungsebene" möchte ich eben auf die vier Personen konzentrieren: M., Ansgar, Lars, Emmi. Und alles "Beiwerk" wegkürzen. 2 Freundinnen, ein Mann, der beiden etwas bedeutete und dessen Sohn. Alles Verräter. Vier; aber kein Viereck. Lauter Dreiecke. Dreiecke sind immer instabil. Auf "Beziehungsebene".
Löschen(Das klappt vielleicht mit den Buchdeckeln! Obwohl ich selbst es ja nur als ebook lesen würde! Da ich - so oder so, Buchdeckel hin oder her, nicht danach strebe, das Schreiben zum Broterwerb zu machen, muss ich die "Stärke" und "Güte" der "Arbeit" nicht so arg betonen ;- ) Was ich schreibe und wie, das ist der Teil von meinem Leben, der sich nicht an "Aufträgen" von außen orientiert. Die ich aber nicht ver- , sondern achte. Weil ich daran glaube, dass Menschen sich mit anderen Menschen verbinden und auf deren Bedürfnisse einlassen sollten. Der "autonome Autor" oder die "Autorin" ist mir kein Leitbild. Ich könnt´s auch lapidarer ausdrücken: Interessiert mich nicht, der Betrieb, seine Gratifikationen, etc. pp. Aber ich bin angewiesen auf Anerkennung wie jede/r. Bloß zählt für mich die Ihre soviel und mehr als z.B. die einer F.A.Z.-Feuilleton-Chefin, nur als Beispiel.;-) )
Ach, die Blumen, die verstehen das sicher. ;-)
AntwortenLöschenIch schließe mich Claudia und dem Bücherblogger an: Nicht zuviel schnippeln, nicht zu "perfekt" sein wollen. Die Geschichte ist klasse, auch der Stil, und ich hätte sie ebenfalls am liebsten zwischen zwei Buchdeckeln.
Liebe Grüße,
Iris
Sie müssen warten, die Blumen. Gestern ging es gut. Ich habe versucht es zu lesen wie einen "fremden" Text (was es inzwischen ja auch wieder ist). Und es las sich gut. Das gibt mir Zuversicht. Und dann klappt das vielleicht auch mit den Buchdeckeln (aber nicht zu dicken!).
Löschen